ZMT: Wie Rifforganismen den Folgen des Klimawandels widerstehen können

Kleine Kraftpakete im Riff

Benthische Großforaminiferen leben in flachen Gewässern – hier zu sehen auf Seegräsern. | Copyright: Marleen Stuhr, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT)

Eine neue Untersuchung tropischer Foraminiferen zeigt, wie diese kalkbildenden Einzeller auf Ozeanversauerung und -erwärmung reagieren. Die Meeresgeoökologin Dr. Marleen Stuhr vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen leitete die Studie und schließt aus den Ergebnissen, dass die winzigen Rifforganismen den Bedingungen widerstehen könnten, wie sie für die Meere in der Zukunft vorausgesagt werden. An der Untersuchung waren neben dem ZMT auch Forschende des Leibniz-Instituts für Analytische Wissenschaften (ISAS) in Dortmund und der amerikanischen Northeastern University in Boston beteiligt. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich im Fachmagazin Oceans veröffentlicht.

Foraminiferen tragen zur Entstehung der Sandstrände in den Tropen bei, die größtenteils aus dem Kalk von Korallen, Kalkalgen und Foraminiferen bestehen. | Copyright: Marleen Stuhr, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT)

Foraminiferen sind fast überall in den Meeren zu finden – von der Gezeitenzone bis zu den Tiefseegräben, von den Tropen bis zu den Polen. Einige Arten treiben als Plankton im Wasser, andere leben am Meeresboden. Die winzigen Meerestiere produzieren Kalkgehäuse. Sie tragen zur Entstehung der weißen Sandstrände in den Tropen bei, die größtenteils aus dem Kalk von Korallen, Kalkalgen und Foraminiferen bestehen.

Das Team um Dr. Marleen Stuhr hat eine besondere Gruppe der Einzeller untersucht: benthische Großforaminiferen, die in tropischen Korallenriffen leben. Es ging darum, herauszufinden, wie diese Rifforganismen auf verschiedene Szenarien des Klimawandels reagieren. Dafür wurden Foraminiferen der Art Amphistegina lobifera aus dem nördlichen Roten Meer untersucht.

Neue Aufschlüsse über die Symbiose zwischen Foraminiferen und Algen

Wie tropische Korallen leben diese Foraminiferen in Symbiose mit Algen. Die Algen-Symbionten versorgen ihre Wirtsorganismen mit Energie aus der Photosynthese. Bei veränderten Umweltbedingungen wie etwa erhöhter Wassertemperatur oder steigenden CO2-Konzentrationen ändert sich das Zusammenspiel der Organismen. 

Im Meer reagiert das Kohlendioxid aus der Atmosphäre mit dem Wasser zu Kohlensäure, und der pH-Wert des Wassers sinkt – ein Prozess, der als Ozeanversauerung bekannt ist. Während die Algen durch erhöhte CO2-Werte „gedüngt“ werden, kann die Kalkbildung der Foraminiferen durch die Ozeanversauerung erschwert werden. Dies drückt sich auch in einer geänderten Proteinzusammensetzung beider Symbiosepartner aus.

„Wir haben die Foraminiferen zwei Monate lang im Labor erhöhten Temperaturen ausgesetzt. Um verschiedene Szenarien der Ozeanversauerung zu simulieren, haben wir sie gleichzeitig in Meerwasser mit unterschiedlichen pH-Werten kultiviert“, beschreibt Stuhr die Versuche. „Dann haben wir das Wachstum und die Farbe der Foraminiferen und die Porengrößen in ihren Kalkschalen bestimmt.“ Auch die Algen-Symbionten hat sich Stuhr genau angeschaut. Über die Messung des Chlorophyllgehalts der Algen konnte sie Rückschlüsse auf deren Leistungsfähigkeit ziehen.

„Anhand der verschiedenen Parameter konnten wir sehen, wie die Fitness der Organismen von unterschiedlichen Szenarien beeinflusst wurde, und ob sich die Interaktion zwischen Foraminiferen und Algen veränderte“, erklärt Stuhr. „Eine Proteinanalyse von Wirt und Symbionten zeigte, wie sie sich an neue Umweltbedingungen anpassen und ihnen widerstehen können.“

Widerstandsfähig bei erhöhter Wassertemperatur und Ozeanversauerung

Das Team um Marleen Stuhr fand heraus, dass die untersuchten Großforaminiferen der Art Amphistegina lobifera aus dem nördlichen Roten Meer nicht nur relativ resistent gegen eine Ozeanerwärmung auf 31°C waren, sondern auch gegen CO2-Werte von über 3.000 ppm, was etwa achtmal so hoch wie heute ist und möglicherweise im Jahr 2500 erreicht werden kann.

„Die Widerstandsfähigkeit der Foraminiferen im nördlichen Roten Meer ist höchstwahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass ihre symbiotischen Algen von den erhöhten CO2-Konzentrationen profitieren und ihre Wirte mit mehr Energie versorgen können. So werden die Foraminiferen regelrecht zu kleinen Kraftpaketen“, vermutet Stuhr.

„Die Kombination aus Temperaturerhöhung und steigender Ozeanversauerung scheint zwar die Stabilität der Kalkschalen der Foraminiferen zu reduzieren, da einige Proteingruppen in den Foraminiferen starke Veränderungen aufwiesen. Das zeigt uns, dass die Kalkproduktion potentiell beeinträchtigt und einige Zellprozesse im Zuge der Stressreaktion umgestellt wurden. Aber die Holobionten insgesamt, also Wirtsorganismus und Symbiont, waren nicht stark beeinträchtigt. Stressoren sollten daher nicht einzeln betrachtet werden.“

Das Fazit der Wissenschaftlerin: Obwohl die Kombination aus Ozeanversauerung und -erwärmung bei photosymbiotischen Kalkproduzenten wie den Foraminiferen sehr unterschiedliche und komplexe Reaktionen hervorrief, waren die Effekte auf Wachstum und Vitalität gering.

„Wir vermuten daher, dass Foraminiferen resilient gegenüber den Bedingungen sein könnten, wie sie für die Ozeane für die nächsten Jahrhunderte prognostiziert werden, während viele andere kalzifizierende Meeresorganismen voraussichtlich stärker beeinträchtigt werden“, so Stuhr. „Die Großforaminiferen können daher als Karbonatproduzenten an Bedeutung gewinnen, was für den Erhalt von Sandstränden und den Küstenschutz in tropischen Gegenden essentiell ist. Außerdem können wir vom Zusammenspiel der Symbiosepartner lernen, um so auch Rückschlüsse auf andere Rifforganismen wie Korallen zu ziehen und deren Fortbestand zu unterstützen.“

www.leibniz-zmt.de

 

Andrea Daschner