Skydiver ist der englische Begriff für Fallschirmspringer. Es geht aber auch anders herum und ein Hubschrauber bringt Diver in the sky, also Taucher in die Luft. In etwas dünnere Luft sogar, denn mit dem Helikopter werden gelegentlich organisiert Bergseen in den österreichischen Alpen angeflogen. Und dann erlebt man das Privileg zu den ersten und einzigen zu gehören, die jemals ihre Flossen in einem taucherisch völlig unberührten See gesteckt haben. Wir haben uns das Erlebnis Helidiving auf die Haut kommen lassen.
Der Termin für das Helidiving Ende August war schon im Februar ausgemacht worden. Das Ziel: Unbekannt und bleibt bis wenige Stunden vor Abflug auch geheim, das macht es spannend. Dazu die „Wenn – Klausel“, wenn das Wetter passt.
Ein bisschen Pokern muss schon sein, denn genau zum geplanten Flugtag auch die passenden Bedingungen zu haben, kann keiner garantieren, nicht einmal Harald Hois, der den Ablauf des Events minutiös vorbereitet und durchgehend betreut.
Für jeden Helidive – Termin ist umfangreiche Vorarbeit zu leisten, denn so einfach kann man nicht zu einem x-beliebigen See starten, den man auf einer Karte oder bei Google – Earth lokalisiert hat. So nimmt Harald Hois in Frage kommende Gewässer persönlich in Augenschein und steigt zu Fuß auf über 2000 Meter hinauf, um die Situation zu überprüfen. Das hochalpine Gelände jenseits der Baumgrenze muss einen sicheren Landeplatz bieten und der Weg ans Ufer darf den Tauchern keine Kletterpartie abverlangen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, gilt es die Transparenz des Wassers zu beurteilen. Ein Blick auf die Topografie lässt mit der Erfahrung von 10 Jahren Helidive – Events zumindest erahnen, wie die Bodenformationen in der Tiefe aussehen könnten. Gewissheit gibt es aber erst später, wenn die Taucher von ihren Beobachtungen erzählt haben werden.
Auf die Outdoor – Recherche folgt die Genehmigungsphase. Es muss der Besitzer des Sees ausfindig gemacht, dessen Einverständnis erbeten und eventuell mit der Taucherlaubnis verbundene Kosten abgestimmt werden. Dann hat aber immer noch der zuständige Förster ein Wort mitzureden, denn wenn jener auf dem Standpunkt beharrt, der Hubschrauber könnte das Wild stören, gäbe es ernsthafte Probleme. Mit viel Geschick und Einfühlungsvermögen schafft es Harald Hois, unterstützt von Gerald Kapfer (UW-Fotograf und Tauchlehrer), die Wege zu den ausgesuchten Tauchzielen zu ebenen, so dass am Schluss nur noch das Wetter mitspielen muss.
Das „Basislager“
der Teilnehmer befindet sich diesmal im Hotel Erzherzog Johann in Bad Aussee. Auch wenn die Oberösterreich Werbung GmbH als Veranstalter fungiert, wir befinden uns hier in der Steiermark. Der Ort spiegelt noch einiges aus der guten alten K. und K. Zeit, gibt sich aber auch modern und markiert den geografischen Mittelpunkt Österreichs mit einem monumentalen Mercedesstern über dem Zusammenfluss der Traun am Rande des Kurgartens.
Moderne und geräumige Zimmer gestalten den Aufenthalt im „Johann“ absolut angenehm, die Küche zaubert vom Frühstück bis zum Abendessen immer wieder neue Gaumenfreuden und der hoteleigene Spa und das angeschlossene Thermalschwimmbad lassen auf kurzem Weg relaxen.
Start oder nicht Start, das ist hier die Frage
Mit kräftiger Sonne, und über 34° C wird angereist, der einzige Hauch von richtigen Sommer 2011. Die Wetterprognose ist aber alarmierend schlecht. Eine Triefdruckfront hatte sich auf den Weg gemacht mit Sturm und Regen, begleitet von einem zu erwartenden Temperatursturz von über 20°C, Bedingungen, die das Helidiving ernsthaft in Frage stellen können.
So ist die Spannung vor dem Briefing am Abend doppelt so groß: Wo geht es hin und was macht das Wetter. Harald Hois und Gerald Kapfer taktieren in ihrer Doppelconférence vor einem 25-köpfigen Publikum mit beruhigenden Worten und offener Diskussion eines „schlimmsten Falles“.
Bis Mittag soll laut Flugwetter – Vorhersage die Sonne das Regiment führen, dann ändert sich die Wetterlage schlagartig. Nachdem die Hoffnung zuletzt stirbt, kann nun auch das Flugziel genannt werden: Der untere Klaftersee auf 1884 Meter Meereshöhe. Ein richtiger Bergsee, unbetaucht und unerforscht.
Ein Video zeigt mit eigenen Aufnahmen und dem Mitschnitt einer Produktion des ORF (Österreichisches Fernsehen), was die Teilnehmer des Helidvings erwartet. Nicht für alle ist das Procedere neu, es gibt in der Gruppe einige Wiederholungstäter.
Spekulationen, wie sich der See unter Wasser präsentieren wird, flammen auf, doch mehr weiß man gesichert erst 12 Stunden später. Drei Freiwillige werden noch instruiert, Wasserproben in den ihnen zugewiesenen Tiefen zu nehmen. Welche Tiefen es tatsächlich sein werden, morgen wissen wir mehr. Vielleicht.
Im Hinblick auf die Flugwettervorhersage legt Harald Hois den Zeitpunkt der gemeinsamen Abfahrt zum Helikopter – Landeplatz etwas früher fest, pünktlich um 8:00 Uhr soll der Konvoi zum 60 Kilometer entfernten St. Nikolai im Sölktal abfahren.
Flugtag
Um 7:00 Uhr sind bereits alle Helidiver beim Frühstück. Blauer Himmel und strahlender Sonnenschein verbreiten Optimismus, dass alles wie geplant stattfinden kann.
Ein Teil hat bereits die fertig montierten Geräte (Flasche, Jacket, Regler) in großen Kunststoff – Boxen verstaut, wie Harald Hois im vorabendlichen Briefung nochmals empfohlen hatte. Da das Equipment in einem geräumigen Transportnetz unter dem Hubschrauber hängend auf den Berg geflogen wird, ist das die sicherste Lösung.
Auf die Minute genau rollen 10 Fahrzeuge aus der Hotelgarage und eine Stunde später wird St. Nikolai erreicht. Mittlerweile sind wir auf 1100 Meter Meereshöhe, weitere 400 Meter geht es nun über eine unbefestigte Forststraße hinauf zum Helikopter – Landeplatz.
Die Bodenmannschaft des Flugunternehmens ist bereits vor Ort und das Wetter zeigt sich nach wie vor von seiner besten Seite. Geflogen wird mit bereits angelegten Anzügen, bei 26°C Außentemperatur ist der dicke Unterzieher zum Trocki etwas lästig, doch man geht davon aus, dass die Wassertemperatur sehr niedrig sein dürfte und da auch mit größeren Tiefen gerechnet wird, ist ein wirksamer Kälteschutz angeraten.
In das allgemeine Aufrödeln mischt sich gegen 9:30 Uhr das Geräusch der Hubschrauberturbine und – Harald Hois hatte uns gewarnt – eine große Wolke feinen Sandstaubs treibt beim Landen den Weg hinauf, auf dem die Fahrzeuge abgestellt sind. Wer die Türen oder Heckklappe offen ließ, hatte nun einen Grund für eine gründliche Innenreinigung mit auf den Heimweg bekommen.
Immer mit Blick auf die Uhr und das Wetter geht es nun in 5 Gruppen nach oben. Je Flug können 5 Passagiere zum See gebracht werden, drei Starts sind für das Tauchgepäck erforderlich. Fotografin Aire Eder und ich sind in der zweiten Gruppe. Nach wenigen Minuten schweben wir über einen Grat und sehen das erste Mal den unteren Klaftersee mit seiner kleinen Insel unter uns liegen. Das Bergpanorama ist beeindruckend.
Kaum gelandet springen wir aus der Maschine, die Zeit drängt, das Wetter wird Mittag dramatisch umschlagen, auch wenn es bis jetzt noch keinen Hinweis darauf am blauen Himmel zu sehen gibt.
Im Fünfertakt wird die Gruppe komplettiert und da ist noch jemand zu uns gestoßen, eine rüstige ältere Dame in berggerechter Outfit mit Wanderstock. Die Besitzerin der Länderein, zu der der untere Klaftersee gehört, Gräfin Antonella d` Ormesson (82) hat es sich nicht nehmen lassen, selbst an diesem Event teilzunehmen und flog dafür extra von ihrem Besitz bei Paris nach Österreich und schließlich mit dem Helikopter zum See. Es bereitet ihr sichtlich Spaß noch einmal hier sein zu können, an dem See, den sie als junge Frau oft zu Fuß erstiegen hatte.
Das letzte Briefing von Harald Hois ist der Verteilung der Gruppen am See gewidmet. Es gibt zwei Einstiegsmöglichkeiten vom etwas sumpfigen Ufer aus, das vielfach von Schilf eingerahmt ist. Die dunkle Farbe des Wassers, der schwere, feuchte Boden rundum gibt Hinweis darauf, dass wir es mit einem Moorsee zu tun haben dürften.
Nach ein paar Schritten im Wasser saugen sich die Füße, noch ohne Flossen, tief in den schlammigen Boden. Man muss sich neue Taktiken zurechtlegen, die Ausrüstung zu komplettieren. Endlich abgetaucht schwindet das Licht rasch und unterhalb von 5 Metern ist es fast Nacht. Der Seegrund zeigt kaum anderes als eine homogene Fläche aus großflockigem, goldbraunen Bodensatz. Immer wieder stoßen wir durch große Sedimentwolken, die andere Taucher aufgewirbelt hatten. Gefühlvolle Tarierung ist in diesem See das A und O. Mit 14°C ist das Wasser nicht so frisch, wie erwartet, also hätte für diese Exkursion auch ein guter Halbtrockener gereicht, wie ihn manche auch tragen.
Wir entscheiden uns, die kleine Insel anzutauchen und hoffen auf etwas abwechslungsreichere Unterwasserlandschaft. Tatsächlich finden wir auf dem Weg zwei große Wurzelstücke, die ein schönes Motiv für Aires Kamera sind. Dann erreichen wir die Insel. Der schlammige Grund geht über in eine kleine Felsformation, das alles in geringer Tiefe und letztlich knapp unter der Wasseroberfläche. Andere vor uns haben hier leider schon viel Sediment aufgewirbelt, so dass wir entscheiden, zunächst den Schilfbereich am Ufer hinter der Insel aufzusuchen. Das Wasser ist hier sehr flach, vielleicht 80 Zentimeter, die Computer haben sich schon aus der Berechnung ausgeklinkt. Im Stil von Höhlentauchern, nur mit vorsichtigem Frogkick, geht es voran. Im Schilf bieten sich einige sehr schöne Motive für die mit Fisheye bestückte Kamera.
Zweiter Anlauf, die Insel knapp unter der Oberfläche zu portraitieren. Die Sicht hat sich gebessert und das Shooting läuft gut. Da bemerken wir die ersten Regentropfen.
Das Wetter hat sich in einer Stunde von Grund auf verändert. Dunkle Wolken sind aufgezogen und die angekündigte Front ist da. Wir hören den Hubschrauber, der schon die ersten Taucher nach unten bringt. Das ist das Zeichen, dass wir schnellstens zum Einstieg zurücktauchen müssen. Tatsächlich sind wir die letzten, die noch im Wasser sind. Und während wir unter den erschwerten Bedingungen des sumpfigen Grundes die Flossen auszuziehen versuchen, müssen wir uns vor dem aufgepeitschten Wasser in Deckung bringen, als der Helikopter wieder anfliegt, die nächste Gruppe ins Tal zu bringen.
Keine 10 Minuten später sind wir wieder an unserem Auto und warten nur noch auf das Equipment, das noch auf dem Berg ist. Der Regen hat zugenommen, Wolken ziehen über den Grat und hüllen die Landschaft langsam ein.
Wir wissen jetzt, dass dieser Event wirklich nur mit viel Wetterglück stattfinden konnte.
Um 14:00 Uhr sitzen wir in einer gemütlichen Berghütte zur deftigen Jause. Frisches Brot, Käse, Wurst, Schinken und, und, und, nach dem Bergseeabenteuer gerade die richtige Brotzeit, während draußen die Bergwelt von Nebel und Wolken eingehüllt worden ist und das Thermometer nur noch 6°C zeigt. Oben beim Klaftersee schneit es nun und man kann gar nicht glauben, was die Natur für ein Spiel treibt.
Am Abend tragen wir die Beobachtungen der Taucher zusammen. Die Maximaltiefe des unteren Klaftersees liegt bei 10 Metern. Die am hinteren Teil erwartete Steilwand setzte sich unter Wasser mit mäßigem Gefälle bis 3 Meter Tiefe fort, bis sie vom Schlammgrund abgelöst wurde. Einige im Sediment des Grundes sichtbare Spuren sind unerklärlich, ein paar Baumreste wurden entdeckt. Jetzt wissen wir also mehr, vielleicht sogar alles über den kleinen See hoch oben in den Steirer Bergen.
2. Bergsee
Für den Sonntag ist ein weiteres Highlight angekündigt. Diesmal etwas später, Abfahrt ist erst um 10:00 Uhr und die Fahrt dauert kaum 5 Minuten. Dann sind wir am Altausseer See, mit über 700 Meter Höhe auch ein Bergsee. Das Wetter zeigt sich jetzt wieder von seiner schönsten Seite, wolkenloser Himmel und kräftiger Sonnenschein. Es gibt abermals zwei Möglichkeiten zur Tauchganggestaltung, wir entscheiden uns, die Bootshütten zu unserer Rechten zu besuchen. Und tatsächlich finden wir dort eine Menge Motive, unter anderem große Schwärme von Jungfischen und mit Süßwasserschwämmen bewachsene Baumreste. Die Sichtweiten sind bei gut 10 Metern, solange andere Taucher den Abstand vom Grund nicht zu knapp gewählt haben. Fast 90 Minuten treiben wir uns im relativ flachem Bereich herum, bis die dort erreichbaren Motivangebote abgearbeitet sind. Der Versuch, nochmals ein Shooting am Rande einer Schilfzone hinter dem Steg an der Einstiegsstelle zu machen, muss abgebrochen werden. Das Wasser ist dort zu flach und der schlammige Boden nimmt bei jeder Berührung die Sicht.
Der Altausser See hat Potential für Tauchgänge an Steilwänden, wie wir bei einer nachmittäglichen Tour im Elektroboot feststellen. Wie es aussieht, ist dafür aber ein Boot nötig, um an die lohnenden Einstiegsstellen zu gelangen. Auf jeden Fall sollte die Sonne scheinen, um die dunklen Wasser in der Tiefe noch zu beleuchten. Und, der See ist wirklich frisch, unterhalb von 5 Metern fiel bei einer deutlichen Sprungschicht die Wassertemperatur auf 8°C von 16°C an der Oberfläche.
Fazit
„Dive to the Top“, das Motto ist Programm. Bei jährlich nur zwei Veranstaltungen können nicht immer alle Anmeldungen berücksichtigt werden, möglicherweise muss man sich auf eine Wartezeit einstellen. Die Organisation ist vom Feinsten, ebenso die Unterkunft und die Verpflegung. Was an Vorbereitung gemacht werden kann, Harald Hois hat alles bedacht und führt eine erstklassige Regie der Veranstaltung. Uns hat es gefallen und Helidiving fehlte auch noch nach über 28 Jahren Tauchpraxis als Logbucheintrag.
Beitrag erstellt 9.2001