Freedive Safari mit der MY BLUE

Mit der My Blue eine Safari speziell für Freediver

My Blue

Was treibt einen erklärten Alteisenfan mit üblicherweise Mischgas im Tank an das andere Ende des Regenbogens, dem Tauchen befreit von allem Ballast außer dem, der sich im Kopf festgesetzt hat? Trimix versus eigene Atemluft, das ist ein reizvolles Thema, zumal die persönliche Freitauchausbildung ein Feuer entfachte, das dringend neue Nahrung brauchte. Das Angebot des Tauchreisveranstalters Omneia auf der My Blue eine Safari speziell für Freediver zu veranstalten, stieß deshalb auf großes Interesse.

Treffpunkt Port Ghalib. Vom Airport Marsa Alam sind es nur wenige Minuten Fahrt zur Marina. Im Sonnenlicht des Nachmittags erwarten drei Safariyachten der Blue Flotte in ihrem besonders strahlenden Weiß, dank eines speziellen Acryllacks, den ankommenden Gästen entgegen. Die My Blue ist unverkennbar nicht nur hier die größte und modernste Yacht, sondern auch vor den Küsten Ägyptens. Ein idealer Ausgangspunkt für alle denkbaren Tauchaktivitäten. Was ist an einer Freitauchsafari anders, als bei den Klassikern mit Gerät. Ich bin gespannt.

Auf alle Fälle ist weniger Equipment an Bord, die Flossen sind länger und verschiedene Oberflächenbojen für Grundseile und Tauchermarkierungen verändern das Bild auf dem geräumigen Tauchdeck. An ein paar Flaschen sind Jackets und Regler angebracht, für die ambivalenten Safarigäste. Dazu zähle auch ich, denn einiges an Fotos aus der salzig nassen Unterwelt wäre freitauchend im einwöchigen Zeitrahmen nicht zu schaffen. Personell gibt es für den Trip tief in den Süden eine absolut kompetente Coach, Doris Hovermann, erfahrene Tauch- und Freedive – Ausbilderin mehrerer Verbände und Mitglied der deutschen Apnoe – Nationalmannschaft. Das rockt. Mit an Bord ist die Reiseveranstaltern Monika Hofbauer, deren Freedivepassion bereits einige Male mit speziellen Freitauchsafaris erfolgreich umgesetzt worden war.

Gut, den materiellen Unterschied nimmt man schnell wahr, doch über was reden die zum Freitauchen angereisten Gäste? Gibt es da Unterschiede zu den Freunden gepresster Atemgase in Flaschen?
Nach einer halben Stunde wird mir klar, es gibt diese Unterschiede. Schon bei den Gesprächen. Man redet übers Freitauchen, über Vorbilder, wie lange schon mit angehaltenem Atem die Unterwasserwelt besucht wird, wie das Training aussieht. Über persönliche Tiefen, Strecken und Statikzeiten höre ich hier nur etwas auf persönliche Nachfrage. Erstmal.
Yogapraktiken sind den meisten geläufig, sie wenden Sie selbst häufig zur Vorbereitung einer Wasserzeit zur Entspannung an, für die Atemtechnik und um den Körper beweglich zu halten.
Mir fällt auf, dass die Gäste, von denen sich die wenigsten schon von anderen Gelegenheiten kennen, rasch ins Gespräch kommen. Es gibt keinen laut tönenden Capo, der alles besser weiß und unzählige (meist selbst verschuldete) kritische Situationen in letzter Sekunde souverän in den Griff bekam, unter dem Motto “Gerätetaucher” auf Safari. Freitaucher kennen sich besser, mental und sportlich, strahlen Gelassenheit aus. Und wie beim Golfspielen, auch wenn man technisch alles beherrscht, jede Wasserzeit hat ihre eigenen Gesetze, oft kann man schon gezeigte Leistungen locker wieder erreichen, dann kommt ein Tag, an dem nichts so richtig klappen mag. Das macht es immer ein wenig spannend.

Donnerstag 21. September, Port Ghalib 22:30

Ich sitze auf dem Vordeck. Von ein paar Lokalen an der Pier trägt der Wind arabische Popmusik heran. Der Anleger ist in stimmungsvolles Licht getaucht, am wolkenlosen Himmel haben sich die Lichtzeichen der Unendlichkeit ausgebreitet. Die Crew hat alle Vorbereitungen zum Ablegen routiniert und unaufgeregt erledigt, die Zodiacs sind an Bord, die Leinen eingeholt. Mit langsamer Fahrt gleitet die My Blue zum Ausgang des Hafens und mit Kurs nach Süden werden die erleuchteten Fenster, die Laternen an der Mole und die Neonreklamen immer kleiner, bis sie endgültig eins werden mit dem schwarzen Horizont. Wir sind auf Kurs für das 180 Kilometer entfernte erste Tauchziel, dem weitläufigen Riff Shaab Sataya in der Region Fury Shoals. Der Sound der starken Schiffsdiesel begleitet uns bis in die Morgenstunden.

Freitag, 22. September Shaab Sataya / Fury Shoals

Mein positiver Neid gilt den “nur” freitauchenden Gästen der Safari, sie haben ihr Equipment mit wenigen Handgriffen für den Einsatz vorbereitet in den Ausrüstungskörben untergebracht. Die sind fast leer. Maske, Schnorchel, Bleigurt, Lanyard, Kopfhaube, Neoprensocken, eine Flasche mit Gleitmittel für das einfachere Anziehen des Anzugs. Fertig. Die Flossen stecken in Halterungen auf der Plattform, die Anzüge hängen auf Bügeln am Trockengestell. Die großzügigen Dimensionen der My Blue empfindet jeder Gast auch am Tauchdeck als äußerst angenehm.
Für mich fällt die Entscheidung, wie ich unter Wasser gehe, erst nach dem Briefing von Moni Hofbauer. Es sollen die Apnoetaucher im Vordergrund stehen und in ihrem Element auf Fotos festgehalten werden. Zwei Aktivitäten kennzeichnen deren Wasserzeit: Tiefentraining an der Boje und Tauchen entlang der Riffe, durch Höhlengänge und Spalten. Je nachdem wo die My Blue festgemacht hat, sind die von den ausgebrachten Bojen zu erreichenden Maximaltiefen unterschiedlich. Zum Eintauchen sind zwei Bojen im Einsatz, deren Grundgewicht in knapp 15 Meter Tiefe über dem Grund hängt. Das wird mein erstes Motiv und ist eine gute Gelegenheit, das Geräteequipment, vor allem die Bleimenge zu checken. Über Jahre habe ich für meine Aktivitäten immer einen Stahltank vorbestellt, diesmal war es mir nicht so wichtig. Buchen wir es auf das Konto Leichtsinnsfehler. Bevor ich das Gefühl habe, mit einer schusssicheren Weste das Element wechseln zu können, muss ich mir zweimal Blei nachreichen lassen. Dass diesmal die Kameraausrüstung fast abtriebsneutral ist, hatte ich auch nicht so richtig überdacht…
Völlig ungewohnt komme ich als erster aus dem Wasser und das wird sich in dieser Woche auch nicht ändern, solange ich mit Gerät unterwegs bin. Die für die Freitaucher im Zeitmanagement des Tages eingeräumten Wasserzeiten sind meist doppelt so lang.
Am Nachmittag soll sich das aber ändern. Falls die Späher vom Zodiac aus die in der Nähe häufig anzutreffenden Delfine ausmachen, soll das zum nächsten Programmpunkt werden – absolut freitauchend.
Die Ersten werden die Letzten sein, steht zu Beginn des gut zwanzigminütigem Zodiacritts als Überschrift für mein Tun. Mit der Nachricht, dass die Tiere gesichtet wurden, ziehe ich sofort meinen Apnoeanzug an. Nun gut, als anziehen kann man das nicht korrekt beschreiben, es ist eher ein Versuch mit vielen Etappen. Was in Deutschland einigermaßen ohne Schmiere zur zweiten Haut wird, klappt unter den Bedingungen im Süden ganz und gar nicht. Die silberne Pelle entwickelt viele Gegenstrategien und die routiniert mit Seifenwasser gedopten Anzüge der anderen Freitaucher verwandeln diese in homines aquae (Wassermenschen) – in vergleichsweiser Rekordzeit.
Das erste Zodiac hat bereits abgelegt, während ich noch aussehe wie ein faltiger Seelöwe vor der Häutung. Das zweite Zodiac hat bereits die Nabelschnur zur My Blue gekappt, als man mich in letzter Sekunde entdeckt. Noch einiges entfernt vom korrekten Dresscode werde ich noch an Bord genommen. Rike aus Hamburg ist im doppelten Sinn auf das Kommende gespannt. Beim ersten Wasserkontakt am Morgen gingen ihre nagelneuen Carbonflossen zu Bruch. Aber wie es aussieht, haben zwei Crewmitglieder erfolgreich das Schulfach “Do it yourself” belegt und schaffen es tatsächlich mit Kleber, zugeschnitten Kunststoffplatten und Verschraubungen im aktuell hochmodernen Industriedesign, Rikes Tauchantrieb zu tunen.
Die Delfine sind wirklich noch da, eine Gruppe von etwa 30 Tieren. Streichelzoo ist nicht angesagt, sie ziehen immer wieder flott an den Freitauchern vorbei und werden eins mit dem Blaugrau der die Sichtweite begrenzenden Wassermasse der von weißem Sandboden bedeckten, 10 Meter tiefen Lagune. Das Spiel dauert rund 45 Minuten, dann können die Zodiaccrews auch keinen Hinweis mehr auf die Position der Tiere geben. Egal, mit der GoPro habe ich genügend Szenen zum Beweis abgespeichert. Ach ja, auch hier war ich wieder untergewichtig. Wenn das im richtigen Leben auch so einfach wäre…. Die Köche der My Blue sind jedenfalls nicht sehr hilfreich…
Die Möglichkeit zum Dämmerungs- und Nachttauchgang nehme ich nicht wahr, ich muss neue Strategien entwickeln für meine beiden Equipments. Wie immer, jede neue Safari fordert von den eigenen Standards abweichendes Nachjustieren verschiedener Details, bis alles passt.
Und ich lerne dazu, das betrifft auch die Freediver, die im besonders salzhaltigen Roten Meer die optimale Bleimenge je nach Profil des zu erkundenden Riffs anpassen müssen.

Samstag 23. September Mahali Riff / St. Johns

Wir haben nach einer vierstündigen Nachtfahrt St. John’s und das Mahali Riff erreicht. Der Name verspricht, einen Spielplatz unter Wasser anzutreffen. Ergs, Spalten, Durchbrüche zwischen drei und 9 Metern bieten reichlich Kulisse und Erlebniswelten.
Doch bevor es unter Wasser geht, bietet Doris Hovermann zum Start in den Tag eine halbe Stunde Yoga an. Das Oberdeck ist praktisch ausgebucht und fast alle Gäste haben sich eingefunden, Entspannungsübungen zu machen, die auch aber nicht nur dem Apnoetauchen zugutekommen.
Für die erste Wasserzeit werden drei Bojen für das Tieftauchen ausgebracht, die bis 30, 40 und 50 Meter hinabführende Grundseile haben. Es soll aber nicht heißen, dass diese Tiefen tatsächlich erreicht werden, es sind Optionen und jeder kann im Team nach seinen Möglichkeiten aktiv werden. In der Tagesrückschau haben zwei Gäste tatsächlich ihre persönlichen Bestleistungen gesteigert.
Am frühen Nachmittag ist dann der Besuch des Spielplatzes angesagt. Das versprochene Ambiente fordert wieder den gerätetauchenden Fotograf auf den Plan. Ich kenne die Situation unter Wasser nicht und gebe mich der vagen Hoffnung hin, an einer nahe zur My Blue gefundenen, fotografisch interessanten Spalte, den Großteil der Freediver ablichten zu können. Die Hoffnung stirbt zuletzt und bevor sie ganz den Geist aufgibt, kommen tatsächlich drei Taucher durch den Spalt auf die Kamera zu. Meine einzige Chance hier, heute und jetzt.
Nach 60 Minuten bin ich dann wieder der erste….. zurück an Bord.
Die Nachgespräche der Freitaucher zeigen deren Probleme, Orientierung und Tarierung. Wieder was gelernt, für dynamische Aktivitäten im geringen Tiefenbereich dieses Tauchplatzes sind 1, 2 Kilo Blei mehr vorteilhaft.
Den Tag mit Wasseraktivitäten schließt der obligatorische Dämmerungs / Nachttauchgang für Gäste mit Schnorchel oder Flasche ab.
Nach dem Abendessen legt die My Blue ab, um 4 Stunden später erneut bei Sataya festzumachen. Der Abstecher nach St. Johns war eigentlich nicht geplant und ein Zuckerl für die Gäste. Wegen eines Seemanövers in der Region mussten aber alle kommerziellen Boote das Gebiet verlassen.

Sonntag 24. September Shaab Sataya / Fury Shoals

Noch drei Monate bis Weihnachten. Und Wahltag in Deutschland. Halbzeit der Wiesn in München.
Hier sind das absolut keine Themen, Deutschland ist weit weg und alle genießen den Morgen, der diesmal etwas früher mit Yoga und dem entsprechend zeitlich nach vorne gerücktem Tagesprogramm beginnt. Halt, nicht alle sind ganz glücklich. Der steife Nordwind drängte zur nächtlichen Fahrt den nicht ganz Seefesten einen Dialog mit ihrem Innersten auf. Vielleicht sollte dieser Aspekt bei den Yogaübungen auch noch berücksichtigt werden. Weitere Opfer rekrutieren Wind und zu intensiver Genuss der Klimaanlage in der Kabine bei einigen Gehörgängen, die beim Probedruckausgleich unbeeindruckt die Pforten geschlossen halten. Jetzt kommen Hausmittelchen zum Einsatz, als Art Schlüssel, um die Gehörgänge hörig zu machen.
Am Abend dann ist klar, dass alle erfolgreich auf die Tube gedrückt haben.
Das Training an den 3 Bojen steht unter dem Motto “bewegtes Leben”. Der Wind lässt die Trainingsinseln mit ihren Ariadnefäden in die Tiefe schaukeln, Wippen, tanzen. Spiegelglatt geht anders. Freitauchen ist Sport, heute Morgen ganz besonders. Aber siehe da, alle kommen ohne mit den Bedingungen richtig gehadert zu haben, aus dem Wasser.
Nach dem Mittagessen mit Salaten, Gemüse, Pommes, Nudeln, Fisch in Dillsoße und frittiertem Hühnchen wird die My Blue umgesetzt, um auf kurzem Weg einen zweiten Anlauf zum Tauchen mit Delfinen machen zu können. Dass es wohl ein Ungleichgewicht zwischen der Anzahl der Tiere unter Wasser und der Menge auf Zodiacs verladener Hobbyschnorchler mit deutlich angesetzten Attributen einer Wohlstandsgesellschaft geben dürfte, war schnell klar. Die My Blue entsandte von 24 möglichen Interessenten nur 6 deutlich sportlichere Aktivisten.
Nach der Schlappe vom Freitag, bei der ich wegen Zweithautproblemen fast das Taxi zu den Delfinen verpasst hatte, sitze ich als erster im Zodiac und werde mein Duschgel ins Abendgebet einschließen. Innerlich wie äußerlich aalglatt fühle ich mich gestärkt, Szenen mit den Delfinen zu drehen. Und sie gelingen, trotz Rummel, wie auf dem Jahrmarkt. Nach insgesamt 45 Minuten und 4 Ansätzen jeweils vom Zodiac aus von neunen Positionen den 8 Tieren zu begegnen, ziehen wir uns zurück. Ich selbst war nur für zwei wundervolle Sessions unter Wasser, denn um dem kleinen Film die nötigen Schnittbilder zu bieten, musste auch über Wasser gedreht werden.
Wir alle sind zufrieden.
Dämmerung und Nacht ziehen wieder die Unentwegten in die Tiefe, da gibt es keine Unterschiede zwischen Apnoe- und Gerätetauchern.
Morgen haben wir am Vormittag noch einmal die Chance, den Delfinen zu begegnen, dann heißt es weiterziehen zum nächsten Tauchspot.

Montag 25. September Gota Sataya / Fury Shoals

Der Tag beginnt früh. Sehr früh. Das erste Briefing für die Gerätetaucher ist um 5:45 Uhr, Yoga steht um 6:15 Uhr auf dem Plan. Um 7:00 Uhr startet das Apnoebriefing mit Moni und Doris. Die Bedingungen haben sich verändert. Der Nordwind hat weiter aufgefrischt, das Wasser ist sehr bewegt und die ausgebrachten Freitauchbojen fürs Tieftauchen verschwinden immer wieder hinter Wellenkämmen.
Monika skizziert auch noch den weiteren Tagesverlauf, nach einem frühen Mittagessen um 11:30 Uhr legt die My Blue ab, um nach etwa zwei Stunden weiter Richtung Norden das nächste Tauchziel zu erreichen. Mit Hinweis auf das zu erwartende unruhige Meer rät sie diesbezüglich empfindlichen Gästen, sich gegen Seekrankheit zu wappnen.
Wegen Wind, Welle und Strömung werden die Taucher mit dem Zodiac zu den Bojen gefahren. Andere können im Riff schnorcheln, auch sie werden mit dem Schlauchboot zum Startplatz der Exkursion gebracht, die sie dann zurück zur My Blue führt. Der Bootsservice erspart Ihnen, erst einmal gegen Wind und Welle anschwimmen zu müssen. Die dritte Möglichkeit des freitauchenden Morgens ist der Besuch der – vielleicht – wieder anzutreffenden Delfine. Dafür entscheiden sich letztlich nur wenige Gäste und werden trotz in großer Menge einfallender, vollbesetzter weiterer Zodiacs mit der Begegnung einer etwa 60-köpfigen Delfingruppe, darunter 6 Tümmler, belohnt.
Wie stets im Leben, kann man nur rückblickend sagen, dass ein Plan geklappt hat. Mein Plan für den heutigen Morgen war, den Delfinen noch einmal einen Besuch mit der Kamera abzustatten. Doch eine ziemlich durchwachte Nacht, weil der bedauernswerte Kabinenmitbewohner von der Rache des Pharao heimgesucht worden war (ein singuläres Ereignis), ließ meine Augen brennen und zu diesem Zeitpunkt war an das Einsetzen der Kontaktlinsen nicht zu denken. Wer sich für die Delfine entschieden hatte, kam vollauf zufrieden zurück. Geht für mich aufs Konto “Pech gehabt”.
Dass die My Blue fliegen kann, vermittelt der Eindruck, auf dem Weg zum Riff für den Nachmittag, Lahami Ham Ham. Angekündigt sind 2 Stunden Fahrt, nach 70 Minuten sind wir schon am Ziel. Trotz kräftigem Gegenwind von Norden.

Und auf dem Weg, da ist sie wieder die Frage aller Fragen: Hör ma, die Fotos, die du da geknipst hast, können wir die haben? Kannst ja in Dropbox hochladen, oder hast keinen PC dabei, dann ham wirs ja gleich hier?
Ich habe schon darauf gewartet. Diesmal hat es ziemlich lange gedauert. Wie immer kann ich der Bitte aber nicht nachkommen. Das hat nichts mit Ignoranz oder Arroganz zu tun, es hat was mit dem zur Aufnahme verwendeten Dateiformat zu tun und dem Faktor Zeit.
Mal kurz zur Erklärung, im Gegensatz zum gebräuchlichen jpg Format, mit dem die Kameras der Hobbyfotografen in vielen Details von der Kamerasoftware beeinflusste Ergebnisse liefern, arbeite ich mit einem RAW Format, bei dem ein “nacktes”, von allen Softwareeinflüssen freies Bild abgespeichert wird. Erst nach individueller Nachbearbeitung wird aus dem Rohformatbild ein in allen Einzelheiten der Schärfe, Farbkorrektur, Lichter- und Schattenzeichnung fertiges Ergebnis. Und dann müssen noch Retuschen gemacht werden, weil zu lange Bleigurte wie schwarze Schlangen vom Körper abstehen, die Enden von Maskenbändern nicht fixiert sind, eine Actioncam unschön für das Bild am Body baumelt. Im Rahmen der Reportage werden erst in der Redaktion am großen Bildschirm die Entscheidungen getroffen, welche Bilder für die Veröffentlichung ausgesucht werden. Dann folgen viele Stunden Arbeit, bis das Ergebnis den hohen Qualitätsansprüchen genügt. Und dann ist jeder frei, diese im Onlinebeitrag eingebundenen Fotos für private Zwecke herunterzuladen.
Ich hoffe auf euer Verständnis.

Lahami Ham Ham ist wie Moni es so schön ausdrückt, eine Art Spielplatz. Gänge, Torbögen, Durchbrüche und Ergs sollen die Freitaucher von den Tiefenbojen weglocken. Viele schließen sich diesem Vorschlag an, nicht nur am Seil sein taucherisches Heil zu suchen. Ich kenne den Platz nicht, habe die Vision, Apnoisten abzubilden, die erkennbar durch einen Durchbruch im Riff, einem Torbogen oder kurzen Gang tauchen, das Dunkelblau des Meeres im Hintergrund. Visionen kann man haben, aber davon leben nur Gurus. Für dieses Berufsbild ist mein Dreitagesbart zu kurz. Angesichts einer unlösbaren Menge X kann ich auch keinen Versuch starten, noch an Bord für ein paar interessierte Models Regieanweisungen zu geben. Flucht nach vorn ist angesagt, als erster mit Gerät im Wasser sein, eine Location nahe zur My Blue suchen, die möglichst viele Freitaucher fast automatisch passieren, die beste Fotoposition finden, hoffnungsvoll warten. Zwei Dinge dazu, was ein Taucher mit Gerät als Eindruck einer Riffformation wahrnimmt, unterscheidet sich sehr von dem, was Freitaucher von oben erkennen und als Möglichkeit zuordnen. Wind, Welle und Strömung an der Oberfläche nehmen zudem Einfluss auf die Gestaltung der Tauchaktivitäten.
An sich habe ich mein Motiv rasch gefunden, die Parameter fürs Bild hätten gepasst, wenn der dunkelblaue Hintergrund nicht durch eine starke Gegenströmung zum K.O. Faktor wurde. Also umgekehrt, dann könnten die Freitaucher mit der Strömung durch den kurzen Tunnel treiben. Selbst ich habe ich viel damit zu tun, mich nicht von der immer stärker werden Strömung aus meiner Fotoposition wegdriften zu lassen. Und ich warte in 9 Meter Tiefe. Schussbereit. Die Zeit vergeht. Auch eine Form von Zeittauchen. Nicht immer, manchmal wird der Geduldige belohnt. Wie aus dem Nichts sind drei Freediver am Eingang meines Zeittunnels. Einer/e nach dem / der anderen verwirklichen mein Wunschdenken, als stünde eine wasserfeste Sprechblase über meinem Kopf. Tino beweist zudem besondere Lebensfreude und zieht auf dem Rücken liegend unter mir hindurch.
Ich fühle mich fotografisch gerettet, da erscheint Doris und krönt mit zwei Durchgängen mein Shooting. Danke allen, die an mich gedacht haben…
Der Montag ist aber noch nicht fertig. Ein Programmpunkt der besonderen Art steht noch an: Landgang, Snak und Sonnenuntergang auf Paradise Island. Nach einer guten halben Stunde sind wir am Ziel, die My Blue wird festgemacht. Das flache, langgezogene Eiland hat einen wunderbaren Sandstrand, der in lockeres, flaches Buschwerk übergeht. Die Crew bringt Matten, Gebäck und Getränke an Land, dann folgen die Gäste, die die letzten Meter vom Zodiac an den Strand durchs Wasser waten. In Gruppen oder für sich allein genießen wir den Sonnenuntergang hinter den Bergen am nicht allzu fernen Land. Die My Blue liegt still vor der Insel und mit dem Versinken der Sonne gewinnen die blauen Lichter an der Safariyacht mehr und mehr an Kraft. Der Halbmond steht über dem Schiff und bald schon erkennen jene, die nicht nur einen Blick für die blaue Tiefe haben, den kosmischen Highway weit, weit über ihren Köpfen.
Deep down heißt es für den kommenden Tag und dafür werden nach dem Abendessen wieder die Maschinen angeworfen, die unser schwimmendes Tauchresort drei Stunden weiter nach Norden stampfen.

Dienstag 26.9. Gota Wadi Gimal

Neuer Tag, neues Glück, neues Riff. Mit der aufgehenden Sonne werden wir aus dem Schlaf geschaukelt. Während das kleine Grüppchen Flaschenatmer sich zum unterseeischen Morgengrauen bereits verkrümelt hat, schleichen Yogaschüler mit Isomatten unterm Arm aufs Oberdeck. Zeit für einen den Aufwachprozess begleitenden löslichen Kaffee. Während ich auf das nahe Riff schaue, das sich nur wenige Meter parallel zur My Blue im Wasser abzeichnet, geht mir mein Konsum von mittlerweile einigen Litern gefriergetrockneter, dunkelbrauner Flüssigkeit durch den Kopf. Irgendwie ist mir diese Art von Kaffee über die Jahre zum Synonym für Ägypten geworden. Zuhause würde ich nicht im Traum auf die Idee kommen, mich derart zu dopen, ebenso wenig käme der Genuss von Tomatensaft in Frage, der ausschließlich zum Gebrauch an Bord eines Flugzeugs vorgesehen scheint. Ich könnte ein Quiz erfinden, ordne ein Getränk einem Anlass zu… Bevor ich eine gedankliche Machbarkeitsstudie auf den Weg bringe, welchem Sender ich diese Quizidee verkaufen könnte, schickt mich die Schiffsglocke auf direktem Weg ins Briefing.
Gota Wadi Gimal ist mit seinen Steilwänden der ideale Ort für das Tieftauchen von den Bojen aus, die Grundseile hängen senkrecht im Strömungsschatten. Es gibt zudem mit verschiedenen Korallen überzogene Blöcke bis etwa 10 Meter Tiefe. Hier kann ich die Produktion der UW- Fotos auf Apnoetaucher an der Boje und im Ambiente des Riffs konzentrieren. Die Wege sind kurz, ideal für mich und die Freediver. Ich habe wieder keine Regie und Rollenverteilung gemacht, im Gegensatz zu mir, sind die anderen Gäste an Bord im Urlaub. Ich glaube jedoch eine Parallele zwischen dem Sternzeichen Widder und Apnoetauchern ausgemacht zu haben. Beachtet man sie nicht, werden sie neugierig und kommen näher. Danke Lars, dass du zu mir abgetaucht bist.
Ich habe nur Augen für meine freitauchenden Motive, dass ich den Longimanus gar nicht bemerke, der sich kurze Zeit das ungewöhnliche Treiben näher angesehen hatte.
Dass Freitaucher tatsächlich anders ticken, als Scubadiver, zeigt sich beim Abendessen. Vier Gäste haben heute ihre persönlichen Bestmarken beim Tieftauchen neu definiert. Rike, Andreas, Lars und Frank geben zur Feier ihres sportlichen Erfolgs einen Sekt aus und alle freuen sich mit ihnen, gratulieren und spenden Beifall. Ansonsten sind die Freitaucher im Gegensatz zu den meist trinkfesten Gerätetauchern alkoholisch wirklich sehr zurückhaltend.
Und wieder geht es nach dem Abendessen für ein paar bewegte Stunden weiter Richtung Norden.

Mittwoch 27. September Elphinstone und Abu Dabab 2 und 3

Kurz nach Mitternacht macht die My Blue am Elphinstone Riff fest und bald ist in der Kabine nur noch das sanfte Rauschen der Klimaanlage zu hören und das entfernte Brummen des Generators. Es wird still an Bord für eine kurze Nacht. Der letzte Tauchtag entfaltet die Morgendämmerung, die die Gerätetaucher um 5:15 Uhr zum Briefing erwartet. In aller seit Jahrzehnten standhaften Liebe zu jeglichen Tauchsportaktivitäten gibt es Uhrzeiten, die mein vegetativer Wecker auf freiwilliger Basis nicht einzustellen erlaubt. Vielleicht wurde ich auch deshalb nicht Bäcker oder Landwirt. Traumlos lasse ich die halbstündige Yogazeit mit Doris unbesucht und schaffe es kurz vor 7:00 Uhr gerade noch vor Torschluss zum Frühstück. Das ist ein Novum, denn sonst war ich eher einer der ersten, die sich zum Stehkaffee im Salon trafen. Mein Blick hinaus aufs Riff, das vom starken Nordwind schaumgekrönte Brecher abbekommt, die Menge der Zodiacs, die sich bemühen Taucher ins, schwieriger noch aus dem Wasser zu bekommen, macht mich wie stets nachdenklich, ob das denn um jeden Preis wirklich nötig ist. Zweifellos war die kleine Gruppe bettflüchtiger Gerätetaucher der My Blue um diese Uhrzeit allein im Riff, denn unter diesen Umständen waren die Apnoetaucher beraten worden, nicht ins Wasser zu gehen… Ich denke ein Jahr zurück, als ich mit meiner Buddy hier einen wundervollen Early Morning Dive hatte, ohne Welle und Strömung mit allen Attraktionen des Riffs und vielen schönen Erinnerungen.
Wie auch immer, der frühe Start in den Tag ist dem nach europäischen Maßstab nicht erklärbare und unantastbare Erlass des Hafenmeisters von Port Ghalib geschuldet, bis wann man dort festmachen darf. Bis 16:00 Uhr ist die augenblickliche Deadline, die sich aber stets ändern kann. Wenn sich was in Port Ghalib bewegt, dann sind es Zeitfenster bis wann man an- oder ablegen darf. Fortschritt im Orient…
Die erste Wasserzeit nutzen 19 Freitaucher, die in die Lagune zwischen den Riffen Abu Dabab 2 und 3 gebracht werden. Es gibt an diesem Platz keine Bojen fürs Tiefentraining, unter der My Blue und in der Lagune ist der Sandgrund maximal 15 Meter tief. Wrackfreunde haben die Gelegenheit, die abgefackelten Reste der “Heaven One” anzusehen. Das Feuer damals war gründlich, nur wenig ist übrig geblieben. Zu Schaden kam seinerzeit niemand, die Gäste waren untergetaucht, als ein Kurzschluss mit der Yacht seinerseits kurzen Prozess machte.
Während die Taucher im Wasser sind, nutze ich die Zeit, meine Ausrüstungen außer Dienst zu stellen und zum Verpacken vorzubereiten. Auch dieses Mal lasse ich einiges makelloses Material zur Verfügung der Crew zurück. Moni übernimmt die Aufgabe, die Sachen weiter zu geben. Tauchequipment ist für Ägypter unglaublich teuer. Bis heute ist die Situation so, dass ein Verdienender bis zu 8 Familienmitglieder ernähren muss. Da bleibt kein Pfund übrig für andere Dinge.
Quintessenz: Mein Gepäck wird leichter und mein Herz auch.
Und da gibt es noch einige leuchtende Augenpaare, als wäre Bescherung gewesen…
Definitiv letzte Gelegenheit einen Mythos zu entzaubern bietet sich am letzten Tauchplatz Shaab Shuna. Eingeweihte wissen schon, worum es geht. Den sagenumwobenen Dugong, eigentlich eine Dugong, die in der flachgründigen, mit Seegras durchsetzten Sandfläche der Lagune zuhause ist. Oder auch nicht. Vielleicht. Aber im Gegensatz zum Ungeheuer von Loch Ness, gibt es von der Lady Seekuh immer wieder Bilddokumente, auch wenn Rainer resigniert feststellt, dass es ihm bei 25 Tauchgängen dort noch nie gelungen sei, ihr zu begegnen. Karma halt oder wie die Stones bei ihrer aktuellen Tournee unter dem Jubel des Publikums intonierten: You can’ t always get, what you want. Recht haben sie die aufrecht gealterten Rockgesteine.

Dass Neptun sich ein paar milde Gaben organisierte, soll nicht unter den Tisch gekehrt werden und ihm gegönnt sein. Mein Verlust ist eigentlich harmlos, solang ihm nicht die Bleitasche mit den 4 Kilo Ballast direkt auf den Fischschwanz gefallen ist. Wäre blöd gelaufen. Musst halt aufpassen alter, geschuppter Knabe. Das muss er gehört haben, denn überraschend steckte die Tasche im Jacket, als sei nichts gewesen.
Dirk hatte sich von seiner GoPro zu verabschieden, beim vorletzten Schnorcheln. Das wäre aber nicht nötig gewesen Neptun, du hast schon X – Tausend Actioncams einkassiert und noch kein einziges Video aufs youtube hochgeladen.

Nachgedanken

Mein zweiter Aufenthalt, meine zweite Reportage von der My Blue, meine zweite Safari mit ihr hat jetzt ihren Platz im großen Gedankenspeicher und im Magazin. Da ist es beruhigend, dass das Internet nichts vergisst, wenigstens in diesem Fall ein positiver Aspekt. Ich schaue vom Salon auf dem Oberdeck hinüber zur Seekarte, auf der die letzten 7 Tage als eine kräftige rote Linie Erlebnisse, Begegnungen, wahr gewordene Träume nüchtern dokumentiert. Ich habe wunderbare Menschen kennen gelernt, führte interessante Gespräche, habe wieder viel Neues erfahren. Der eine oder andere war überrascht, dass es doch auch eine kleine Gruppe von Gerätetauchern unter den Gästen gab. Das erforderte in der Planung des Tagesablaufs gruppenspezifische Briefings zu unterschiedlichen Zeiten. Und irgendwie blieben die Scubadiver mehr unter sich, während sich die Freitaucher an den Tischen zu den Mahlzeiten immer wieder neu zusammenfanden und sich austauschten.

Nachtrag

Monika Hofbauer ist mittlerweile nicht mehr Miteigner der MY BLUE. Die in der Safari geschilderte Safari kann nicht mehr auf dieser Safariyacht gebucht werden.

Für alle Freunde und Interessenten an einer Safari mit den Yachten von BLUEPLANET:

BLUEPLANET LIVEABOARDS www.blueplanet-liveaboards.com/