Editorial September 2024

Sackgasse Flaschentüv

Editorial Flaschentüv

Liebe Leserinnen und Leser,

ich war eben positiv erstaunt, dass mein erster Besuch im Supermarkt meiner Wahl nicht durch saisonal unpassende Produkte bereits im Eingangsbereich die Stimmung sinken ließ. Unglaublich, da versperrten weder Lebkuchen, Spekulatius oder Marzipankartoffeln (neue Ernte 2024 und 100% vegan) den Weg. Das tat gut, denn mein Stimmungsbarometer ist aktuell eher gewittrig.

Was verdüsterte meinen Horizont?

Es fing damit an, dass ich den befreundeten Chef meiner bevorzugten Tauchbasis in Kroatien nicht  mit einem abgelaufenen Flaschentüv konfrontieren wollte. Das Jahr zuvor wäre das Flaschenpaket schon fällig gewesen, musste aber in Kroatien nicht gefüllt werden – weil mir ein falsches Wing System verkauft worden war. Das offenbarte sich erst beim einzigen Checktauchgang vor Ort. Statt einer Blase für ein Doppelgerät, war eine Singleblase geliefert worden und eine ersatzweise einsetzbare Blase gab es natürlich nicht. Also blieb ich auf dem Trockenen….

Ganz ehrlich, ich habe meine technisch begründeten Probleme zum Thema Flaschentüv, denn ich weiß konkret, dass die Konfiguration der Ventilgewinde meiner Flaschen zu 100% stimmig ist und aufgrund von selbst verantworteter Füllvorgängen die Tanks wie neu zu bewerten sind.

Aber, weil die Prüfung der Flaschen im Wasser gemacht wird, das heißt, all das, was man als Taucher tunlichst vermeidet, die Flasche innen feucht werden zu lassen, ist mit dieser fast hoheitlichen Maßnahme ad absurdum geführt. Natürlich müssten die Flaschen zuverlässig getrocknet werden, bevor das Ventil wieder montiert wird, doch es gibt so gut wie keinen Betrieb, der das technisch unterstützt auch tatsächlich macht. Ein, zwei Tage die Tanks „offen“ stehen zu lassen, soll die Feuchtigkeit vertreiben…… Mittelalter hoch drei….

Ich ließ meine Flaschen in der Vergangenheit bei der Firma SCUBA Sicherheitstechnik kontrollieren, die selbst spezielle Flaschentrocknungsanlagen gebaut hatte. Hier war das kleine Unternehmen die Nummer 1 in Deutschland. Aus persönlichen Gründen stellte der Geschäftsführer aber den Betrieb ein und verkaufte die Trocknungsanlagen an die Fa. Rehn nach Hamburg. Das wars dann mit professionellem Flaschentüv auf kurzem Weg, den man mit gutem Gewissen in Auftrag geben konnte.

Seit vielen Jahren fülle ich meine Flaschen exklusiv selber mit einem bestens gewarteten BAUER Kompressor. Da wird nicht mit der Filterstandzeit jongliert, Kondensat wird peinlich genau abgelassen. So kann ich blind unterschreiben, dass die von mir gefüllten Flaschen innen knochentrocken sind und es keine Rostbildung gibt.

Fragen Sie mich nicht, wie schwer die Entscheidung fiel, bestens gewartete Pressluftflaschen, die objektiv und subjektiv keinen Eingriff erfordert hätten, gegen teures Geld in einen schlechteren Zustand versetzen zu lassen, nur damit ein offizieller Stempel auf der Flaschenschulter „Probleme“ aus dem Weg räumt.

Und jetzt kommts. Ich gebe die Flaschen in einem regionalen Tauchsportgeschäft termingerecht ab. Zwei Wochen später hätte ich sie wieder in Empfang nehmen können nach Zahlung von € 255,00.
Deal.
Das passt terminlich zur organisierten Reise nach Kroatien für diverse Wracktauchgänge.

Einige Tage später erreicht mich eine Nachricht, dass sich die Rückgabe der Flaschen vom TÜV vom 27. August auf den 10. Oktober verschiebt. Frei nach dem österreichischen Liedermacher Wolfgang Ambros: Zwickts mi, i glab i tram….. (Zwickt mich, ich glaube, ich träume)

Wären es banale Singletanks, hätte leihweise die Lücke gefüllt werden können. Bei Flaschenpaketen für das technische Tauchen gibt es dieses Angebot nicht. Punkt.

Der Tauchshop verabschiedet sich zwischenzeitlich für 4 Wochen in Urlaub und ich sitze neben einer geplatzten Produktionsreise auch noch auf ein paar Hundert Euro Anzahlungen für Unterkunft und Tauchgangservice.

Ich glaube, das Thema Flaschentüv ist für mich persönlich und mein eigenes Equipment erst einmal durch. Ich hätte jetzt gern einen Lebkuchen, damit wieder alles zusammen passt….

 

Herzliche Grüße, Ihr

Michael Goldschmidt