Editorial September 2020

Von zielloser Dynamik und blind vorauseilendem Gehorsam

Liebe Leserinnen und Leser,

ich bin wütend und ratlos zugleich. Ein Zustand, der nicht unbedingt gesund ist. Er wird aber von immer schrägeren Anweisungen verschiedener entscheidungsbefugter Politiker ausgelöst. „Herr schick Hirn“ ist das aktuell meistbemühte Stoßgebet – sogar auch von nur Mariginalgläubigen.

Leider kommt der hingebungsvolle Wunsch an die höhere Instanz über den Wolken nicht zu Gehör und alle anbetungswürdigen Götter und Propheten scheinen sich angesichts des peinlichen Chaos auf Erden vom dort herrschenden Schlamassel abzuwenden und lieber eine Partie Bridge oder Poker zu spielen. Im Grund haben sie Recht. Hut ab. Das würde ich auch, aber ich stecke genau wie Sie im selben Schlamassel.

Ganz ehrlich, der 399 vor Christus von Sokrates geäußerten Satz: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“, ist unendliche Galaxien weit entfernt vom geistigen Habitus vieler moderner Politiker, die mangels eigener philosophischer Begabung und in dem ihnen übertragenen Fachgebiet mangelnder Kompetenz, trotz millionenschwerer Berater, einen Unfug nach dem anderen postulieren und ihn zu geltendem Recht machen.

Beträfe es nur wenige im Hintergrund, wärs unauffällig. Hier betrifft es die gesamte Bevölkerung eines Landes. Und Schlechtes dem, der Schlechtes denkt, keinesfalls steht hinter den nach außen getragenen ministeriellen Entscheidungen nicht auch eine Gruppe von Lobbyisten, die wie auch immer lukrativ und ganz harmlos in die Entscheidungsfindung eingriffen. Pharma- und Chemiekonzerne sind da ganz weit vorn, Politiker wirksam als Marionetten zu benutzen. Und das ist unbestritten, so kann man seinen Gedanken freien Lauf lassen und das Ensemble des politischen Marionettentheaters beliebig zusammenstellen.

Dass politisch, nicht wirklich medizinisch, die Freizeit- und Urlaubssaison derart gegängelt wurde, dass sogar unter denen, die den eingehämmerten Slogan „bleib zuhause“ tiefst verinnerlicht als Sackgasse empfinden mussten, war absehbar für sensibilisierte Daheimgebliebene, aber in der gesamten Dimension war es für die wunderbaren Politiker mangels Weitsicht völlig überraschend.

Alle Urlaubsdestinationen, die mit dem Auto oder dem Flugzeug erreichbar sind, wurden bis zur letzten Minute madig gemacht. Dazu die völlige Ungewissheit, was sich die Politik einfallen lässt, um nach einer anfangs unkomplizierten Freigabe Ziele wie Spanien – dort die Balearen und Festland, Italien, Kroatien und andere mehr nicht wieder zu boykottieren. Was ist mit Ägypten, Indonesien, den Malediven, der Karibik?

Dass Deutschland mit seinen Maßnahmen in vielen Bereichen kurzsichtigst handelte und bei den Entscheidungsträgern nicht wirklich darüber nachgedacht wurde, welcher enorme, hochpotentiale Druck im Freizeitbereich auf Seen und Küsten entsteht, ist mittlerweile unbestritten. Wenn man sich an den eingehämmerten Slogan „bleib zuhause“ brav hielt und zuhause blieb, als Tagestourist nun nach der „Lockerung“ versuchte, an den See, die Küste zu kommen, der lief im totalen Chaos auf.

Verlierer sind besonders in den Küstenregionen die Anwohner, in denen schließlich vielerorts lediglich gebuchte Gäste bevorzugt an den Strand dürfen. An den Seen kommt man am besten noch vor Sonnenaufgang an, um ein Plätzchen zu ergattern. Danach kommen der Verkehrskollaps und Tausende Tagesausflügler, die sonst in Ägypten, auf den Balearen in Kroatien oder Österreich im Urlaub wären. Ihnen kann man keine Schuld an den verkehrschaotischen Zuständen geben, das wurde in all den viralen Anordnungen und Entscheidungen völlig ausgeklammert. Da wurde in so vielen Bereichen nur eindimensional gedacht. Ein absolutes Armutszeugnis für die dafür verantwortlichen Entscheidungsträger. Zur Krönung: Stellte im konkreten Fall eine Kommune fest, dass ein Badesee völlig überlaufen wird (aktuell verständlich) und Fahrzeuge nach Überfüllung eines Parkplatz wild irgendeine Abstellfläche einnehmen, die Polizei daraufhin über 300 Knöllchen verteilte (finanziell gut für die Kommune), wird dieser Badesee gesperrt. „Problem vom Tisch“. Dadurch wird der Druck auf andere Gewässer in der Nähe noch größer. Statt Knöllchen hätte die Kommune ein paar Mitarbeiter aufbieten können, die die Situation vor Ort regelt. Diese Kreativität in bürgernaher Problemlösung blieb total auf der Strecke. Unglaublich!

In Österreich läufts nicht anders, oder doch? Zumindest wird es für Kurz – Fan Söder schwierig, dessen Vorgehen mit freundlich zeitlichem Versatz zu folgen nach der Art: Es war meine großartige Idee….

Zumindest besetzen Wildcamper seit Wochen die Parkplätze an vielen Seeufern in Austria und werden behördlich deswegen nicht belangt. Ein gewichtiger Grund, auch für mich, die Seen in Oberösterreich nicht anzusteuern, nicht für einen Tag oder für länger, wie bis 2019 üblich.

Und den Tripp nach Kroatien, der latent noch am Plan war, nach so vielen für 2020 undurchführbaren Reisen, hat Österreichs grüner Gesundheitsminister Anschober jetzt, hier und heute (22. August) allem den Gar ausgemacht. Der gute Mann muss vor seiner unglaublich mittelalterlichen Entscheidung, von allen nach / durch Österreich Reisenden an der Grenze einen Fragebogen ausgefüllt zu bekommen, einen billigen Mittelalteractionfilm gesehen haben. Da rollt täglich eine Kutsche an eine Grenze, der Kutscher übergibt an den die Landesgrenze bewachenden Knecht ein Pamphlet und weiter geht’s.

Anschobers Dekret, dass alle vor dem Grenzübertritt von Kroatien kommend einen Fragebogen ausfüllen müssen, erinnert an 70 Jahre zurückliegende Praktiken der Sowjets, wollte man nach Berlin. Und das waren täglich vielleicht 3 Personen. Also Herr Anschober dachte sich was aus. Wollte ganz wunderbar sein, besser als sein Chef und Kanzler, naja Kurz ist in der anderen Partei. Fühlt sich das nicht irgendwie wie eine billige Komödie an?

Nachdem Anschobers Dekret unmenschliche Zustände in Slowenien erzeugte, bis zu 18 Stunden Wartezeit vor der Grenze und maximal 50 Fahrzeuge pro Stunde, die den Karawankentunnel passieren konnten, erwirkte der Landeshauptmann von Kärnten, den Blödsinn zu korrigieren.

Schade, dass hier kaum Medien vor Ort waren, die zeigten, dass ganz normale Urlauber mit ihren Familien unvorbereitet ohne Reserven für Trinkwasser, Essen, Treibstoff mit ihren Kindern in eine unsägliche Notsituation von bis zu 18 Stunden gebracht wurden, die Notdurft musste auf der Straße verrichtet werden. Und das sind Impressionen zu EU 2020 Bürgen, nicht von illegal auf den Weg gebrachten und in Gummibooten Anlandenden.

Liebe Leserinnen und Leser,

ich bin wütend und ratlos zugleich, Ihr

 

Michael Goldschmidt