Editorial November 2021

Kein Tauchen im Mondsee

Liebe Leserinnen und Leser,

blättere ich durch die Seiten im Wochenkalender für den Monat Oktober und zähle die wirklich nicht im Office verbrachten Tage zusammen, komme ich auf die Zahl 5. Zugestanden hätten mir 10, die Wochenenden eben.

Aber seit 1999 schläft die Redaktion von UnterWasserWelt eigentlich nie. Das erinnert mich an den großen Journalist Helmut Markwort, der u.a. den FOCUS gründete und lange Zeit auch als Chefredakteur vorstand. Markwort, ein wirklich sympathischer und seinem Beruf tief verbundener Journalistenkollege, dem ich mehrfach begegnete, hatte seinerzeit im Büro hinter einer Regalwand verborgen ein einfaches Bett stehen, um, wenn es darauf ankam, rund um die Uhr erreichbar zu sein.

So komme ich mir manchmal auch vor. Stets abscannen, was speziell auch im Newsbereich an Meldungen aufläuft, um, wenn erforderlich geradlinig zu reagieren. Deshalb gibt es auch an Wochenenden und Feiertagen immer wieder Updates.

Der 26. Dezember 2004 wird mir in diesem Zusammenhang besonders in Erinnerung bleiben. Es ist der zweite Weihnachtsfeiertag, wir sitzen mit Freunden zusammen beim Mittagessen, die traditionelle Weihnachtsgans steht auf dem Tisch, eine wunderbare Stimmung entspannt von der Hektik und Terminen der „ruhigen“ Weihnachtszeit. In den Radionachrichten, die zwischen Weihnachtsmusik im Hintergrund zu hören sind, wird von einem Seebeben berichtet, einem Tsunami, der die Malediven, die Philippinen und Indien völlig unvorbereitet traf.

Was ein Tsunami ist, war mir in diesem Moment nicht umfassend klar. Dass hier etwas geschehen war, das meine Anwesenheit in der Redaktion erforderte, war augenblicklich keine Frage mehr. Ende Dezember 2004 war die Informationstechnologie immer noch in dicken Hausschuhen unterwegs und Google kugelte abseits von Mainstreamanfragen mehr, als es passende Treffer generierte. Also musste ich selber kreativ sein und eigene Kontakte erreichen.

Dass das alles andere als einfach war, muss ich sicher nicht betonen. Aber ich hatte Glück, denn ich wusste von einer Reisegruppe von Tauchern, die in Thailand die Weihnachtstage verbrachte und ich wusste, wer in Deutschland als Veranstalter den Kontakt zu ihnen hielt. Weil wir uns persönlich kannten, konnte rasch und unkompliziert eine Informationsbrücke aufgebaut werden und so berichtete UnterWasserWelt bereits am späten Nachmittag des 26. Dezember mit direkten Meldungen von der Situation in Thailand. Am Feiertag, besonders für Tauchsportmagazine.

Die Meldungen wurden an den folgenden Tagen mehrfach aktualisiert, bis sich die Katastrophensituation für die Überlebenden entspannte. Das Naturereignis kostete 230.000 Menschen das Leben.

Heute frage ich mich, ob es mir immer noch Antrieb ist, unserem Tauchenmagazin UnterWasserWelt so intensiv verbunden zu sein, ein modernes Erscheinungsbild zu pflegen, so viele Themen selbst und mit unseren Autoren zu produzieren. Für Sie alle, ohne Abokosten, einfach die Seite, den Artikel aufrufen.

Ganz ehrlich, die virus- und poltischbedingten Veränderung der Gesellschaft, ohne Ausnahme auch der Taucherkommunity, hin zum äußerst ausgeprägten Egoismus in allen Bereichen, das gefällt mir ganz und gar nicht. Ich habe aktuell ein Wochenende am Attersee verbracht. Was bis 2019 kein erwähnenswertes Thema war, ist mittlerweile schon eine richtige Ausnahme.

Die Auswirkungen des Egoismus der Taucher am Attersee, die 2020 lange Zeit mit ihren Wohnmobilen die Parkplätze an den Taucheinstiegen blockierten, sieht man hier und da mit begrüßenswerten Hinweisen, auf die Parkzeiten, die keine Übernachtung ermöglichen. Vielfach war Ruhestörung der Grund.

In Nussdorf war es bislang unkompliziert möglich, von einem Steg, den sich ein Bootsverleih und die Wasserrettung teilen, abzutauchen. Vom Ende des Stegs sind die Unterwasserattraktionen durch Leinen markiert, so das Hausboot und davon ausgehend viele weitere mehr. Auch eine neu geschaffene Attraktion der Pfahlbauten ist dort zu finden. Jetzt prangt dort eine große Verbotstafel für Gerätetaucher. Da muss wohl 2020 der Punk abgegangen sein, von Tauchern verursacht, die statt Karibik nach langer Zeit wieder in den See mussten und Sensibilität und Anstand vermissen ließen gegenüber jenen, die den Steg und Bootsverleih betreiben.

Und da sind noch die Kollegen aus Tschechien und Polen, die an anderen Tauchplätzen rücksichtslos zwischen den Hecken, die Parkplatz und Seeufer abtrennen, die Durchgänge rückwärts zuparkten, um für sich auf allerkürzestem Weg Zugriff zum Equipment zu haben, wo die anderen bleiben – mir doch egal…..

Und am Kohlbauernaufsatz, auch sehr elegant, da parkt ein Kleinbus mit Großraumanhänger rückwärts am Zugang zum Tauchplatz. Da bleiben den Tauchern nur noch schmale Durchgänge zwischen Felsen, da darf man dann durchtänzeln. Ein Doppelgerät mit Transportkarre ans Ufer zu bringen ist ausgeschlossen. Dafür hat die lokale Egobande einen Pavillon aufgebaut, Biertischgarnituren hineingestellt und genießt egoman provokant diesen Tauchplatz am 30.10.2021 mal so für sich. Was die anderen machen –  am Arsch vorbei führt auch ein Weg.

Und dann ist es am Attersee grad auch nicht so einfach, für „nur“ eine Nacht Quartier zu machen. Wohl um die Defizite auszugleichen, geht unter 2-3 Nächten gar nichts und schaue ich auf die Zimmerpreise, dann bewundere ich auf der einen Seite das ausufernde Selbstbewusstsein der Beherbergungsbetriebe, zugleich aber auch die Ahnungslosigkeit, wie sie im Wettbewerb mit wirklich guten Häusern diese Preise begründen möchten.

Wie auch immer, das Attersee – Wochenende hatte seine schönsten Momente am Mondsee, auch kulinarisch….

 

Herzliche Grüße

Ihr

Michael Goldschmidt