Editorial Dezember 2019….. auf der Flucht

Wie weit kann man 24 12 hinter sich lassen?

Editorial Dezember 2019

Liebe Leserinnen und Leser,

alle Jahre wieder, Weihnachtsfeiern drohen, bedenklicher Glühweinmissbrauch steht im Raum, Fackelschwimmen als floating event mit anschließender – Glühweingabe – aus der Clubkasse finanziert und von Lebkuchen gedeckelt, die es schon seit August zu kaufen gibt…. Die staade Zeit (bayerisch….), also für die Ausländer – die stille Zeit – bringt wie immer Unruhe ins tägliche Leben, den letzten Monat im Jahr.

Immer mehr leisten sich, weil finanziell gepolstert und nicht rührend emotional an irgendwelche Angehörige gefesselt, vom Tannengrün umwehten Supergau Abstand zu gewinnen, packen statt Geschenkkartons die eigenen Koffer.

Flucht ist das Thema, die Überschrift. Und das kann ich verstehen. Sämtliche Sparten gefühlsproduzierender Unternehmen drehen seit Jahren an der Weihnachtsschraube, und die staade Zeit fängt immer früher an. Deshalb meide ich den örtlichen REWE Markt ab Mitte August, denn da rotzt mich bereits die volle Angebotsbreitseite von Kunststoff – Lametta just beim Betreten des Ladens an. Noch bevor die Schultüten kurz aufflammen. Beim EDEKA in der Kreisstadt verengen traditionell im neuen, modernen und weitläufigen Laden die Paletten mit Weihnachtsgebäck den Zugang zu Regalen, die man nur noch als ausgebildeter Höhlentaucher aufsuchen kann. Vielleicht könnte ich hier ein neues Brevet entwickeln, das dem Bergwerktauchen ähnlich wäre und dem Tauchen in Island in der Silfraspalte nahe käme – nur wärmer und süßer. Lebkuchenschluchttauchen bei EDEKA in Ebersberg. Wer den Termin zur staaden Zeit verpasst – Ostern gibt’s schon eine neue Chance, hier zwischen Wänden aus häslichem Süßkram und leider nicht aus alten Galeonen geborgenen spanischen Weinflaschen das Gefühl der Enge voll auszuleben.

OK, es geht ja a bisserl um das Thema Weihnachtsflucht. Da muss ich Ihnen aber auch reinen (Glüh-) Wein einschenken: Das funktioniert nicht. Außer Sie buchen einen open end Trip in ein IS Lager. Da sind Sie diesbezüglich sicher. Allerdings ist da dann nicht so klar, wann die Feiertage zuende sind. Ein mehrmals tägliches Sylvester mit nicht vom Bundesamt geprüften Knallkrörpern ist dafür absolut sicher.

Also wohin dann? Rotes Meer? Geht, ist aber schon recht frisch im Dezember. Und man kann machen was man will, am 24.12. gibt’s irgendeine Weihnachtsüberraschung. Die Jungs an Land oder dem Safariboot meinen es ja gut und gehen nicht vom worst case aus, dass man den ganzen Schmus hinter sich lassen wollte. Dafür sorgen die liebmeinenden Basenleiter oder Skipper.

Also ab auf die Rückseite des Monds, doch da haben die Chinesen die Hand drauf und noch kein touristisches Infrastrukturmodell entwickelt. Zumindest sind sie da schon gelandet. Keine Ahnung, was sie jetzt uneinsehbar für Produktionsstätten dort aufbauen werden.

Die Malediven. Ja, die Malediven. Staatsreligion 99% Islam, mehr geht nicht, Spitzenreiter weltweit. Und da flattert mir gerade – imailig natürlich – der Newsletter der deutschen PR Agentur für die Malediven auf den Schirm.

Die Malediven wurden seinerseits ja von den Tauchtouristen aus Deutschland überhaupt entdeckt und Schritt für Schritt zu einem tauchtouristisch orientierten Land entwickelt. Was hatte der Inselstaat bis dahin? Nichts außer der Abhängigkeit von korrupten Staaten mit militärischen Interessen und Geldwäschern mit organisierten organisierter Banden. Da hatte der diesbezügliche nationale Klassiker aus Europa die Nase ganz weit vorn. Darauf dürfen sie eine Pizza wetten.
Jetzt strahlen die Malediven im Hochglanz unglaublicher Luxusresorts und für den Normaltaucher bleiben nur ein paar Krümel. Wenn ich Krümel möchte, dann schau ich mir die Sesamstarße an und habe Spaß. Dazu muss ich mir nicht teure Enttäuschungen mitten im Indik abholen.
SHAVIYANI-ATOLL – Marriott International präsentiert das JW Marriott Maldives Resort & Spa, das erreichte mich heute unter anderem als Pressenews.

Pressetext weiter: Das beeindruckende neue Resort verfügt über 60 geräumige Villen, je ab ca. 233 Quadratmeter groß, die jeweils über einen privaten Pool und eine sonnige Terrasse verfügen. Besonderen Luxus bieten die Duplex Overwater-Pool-Villen sowie die eingeschossigen Overwater-Pool-Villen….

60 Villen mit je 233 Quadratmeter Grundfläche müssen klimatisiert werden. Die Bausubstanz ist im Vergleich zu den hier geltenden Maßstäben mehr als jämmerlich. Der Strom für die dafür erforderlichen Generatoren wird aus Diesel produziert. Da geht richtig was ab. Diesel generell ist ok als Treibstoff in modernen KFZ mit aller Technik zum Umweltschutz wie hier in Deutschland. Dort, im „Paradies“ geht alles volles Rohr in den blauen Himmel zwischen den Palmen. Schlechtes dem, der Schlechtes denkt. Doch wer die „Kohle“ hat, dem ist das doch total egal.

Also, wohin jetzt mit vielleicht gutem Gewissen, dem weinerlichen Ambiente und seinem Höhepunkt zu entfliehen? Vielleicht mal auf kurzem Weg in sich selbst? Nicht mit einem Flugticket in der Hand und dem Tauchrucksack auf dem Rücken in der Schlange am Airlinecounter zeigen, wie cool man ist? Das ist ja auch nur Mainstream in dieser Gruppe. Dazu will man aber gar nicht gehören. Langsam wird’s eng mit Flucht und Individualität.

Bleiben Sie entspannt, richtig gute Lebkuchen, nicht die, aus dem Supermarktcanyon, schmecken wunderbar. Dominosteine schmelzen unter südlicher Sonne schnell und werden ungenießbar. Seien Sie ehrlich, einen Hauch vom 24 12 können Sie auch nicht außen an der Tür Ihres Jets nach irgendwo hängen lassen. Das alles macht man ehrlich mit sich selbst aus. Ohne Flucht.

Herzliche Grüße, Ihr

Michael Goldschmidt