Der Intan Schatz

Intan Schatz

Über Jahre hinweg fanden Fischer im Südchinesischen Meer immer wieder einmal in ihren Grundnetzen Scherben und Bronzegegenstände – und diese stets im gleichen Fanggebiet. Aus Budgetgründen kam jedoch seitens des Staates eine genaue Ortung oder sogar die Bergung dessen, was „da unten liegen“ mußte, nicht in Betracht. Daraus entwickelte sich dann so langsam eine Unternehmung, die zur Bergung des Intan Schatz führte.

Im Frühjahr 1996 traten Regierungsvertreter eines asiatischen Staates an die Seabed Exploration, eine Schwesterfirma der auf Schatzsuche spezialierten Firmen Seabed Invest im badischen Sasbach sowie der Jade Peilschiff GmbH, heran.Nach erfolgreichen Vertragsverhandlungen machte sich ein fünfköpfiges Spezialistenteam, bestehend aus einem Archäologen, dem Ozeanografen, Tauchern, einem Fotografen sowie einem Begleiter auf den Weg.

Vor Ort mußte zunächst ein 20 m langes und 7 m breites Bergungsschiff gekauft und mit dem nötigigen Equipment für die Expedition ausgerüstet werden.

Paralell dazu wurden in nächtelanger Arbeit Seekarten studiert, alle vorhandenen Informationen über die potentielle Fundstelle ausgewertet und vieles mehr – es waren und sind halt die vielen “Kleinigkeiten“, die eine solche Suche aufwendig, vor allem aber auch teuer machen.

Die Suche

Dann hieß es jedoch endlich „Leinen los. Mit an Bord: vier Taucher sowie die Bergungsleitung aus Deutschland, zwei Archäologen aus Australien und England sowie 20 einheimische Taucher. Für die Bergung selbst wurden zwei bis drei Monate veranschlagt.

Nach ersten Untersuchungen mit der Bodensonaranlagen und Seismik wurden letzte Zweifel beseitigt. Es handelte sich tatsächlich um ein Wrack. Schiffsform und Holzteile waren jedoch nicht mehr vorhanden. Man fand in 26 m Tiefe über eine Fläche von 55 m Länge und 45 m Breite unter etwa einem Meter Sand eine große Ladung Keramik und Bundmetalle. Unter der Sandschicht lag eine zerklüftete Tonschicht, sodaß die Ladung nicht weiter absinken konnte.

Das Schiff wurde mit vier Ankern direkt über der Fundstelle fixiert. Die ersten Tage vergingen nun wie im Flug – jedoch nicht mit der Bergung. Zunächst einmal mußten die einheimischen Taucher für dieses Unternehmen speziell geschult werden. Die Taucher hatten zwar schon hier und da bei Bergungen mitgearbeitet, das Thema Sicherheitsvorkehrungen war für sie jedoch ein Fremdwort.

So wurde unter anderem streng darauf geachtet, daß alle Taucher, außer der Luftversorgung von oben (Mittedruckkompressor mit Schlauchleitung), je ein Reservegerät mit Automat auf dem Rücken trugen. Auch mußten die Grund- und Auftauchzeiten strikt eingehalten und von einem extra dafür ausgearbeiteten Computerprogramm überwacht werden. In der Praxis sah es so aus, daß alle Taucher morgens 50 Min. Grundzeit und ca. 35 Min. Auftauchzeit in sechs und drei Meter einhalten mußten, sowie nachmittags eine etwas verkürzte Grundzeit von 40 Minuten und Auftauchzeiten von ca. 25 Minuten absolvierten.

Besucher am Wrack

Für die Taucher waren diese Auftauchzeiten nie langweilig, denn in kürzester Zeit gesellten sich zwischen der Ausgrabungsstelle und dem darüber verankerten Schiff tausende von farbenprächtigen Fischen hinzu. So tummelten sich direkt unter dem Schiff vor allem Sardellenschwärme und Papageifische, in der “nächsten Ebene“ waren große Schwärme Barakudas angesiedelt und auf dem

Meeresgrund begleiteten fünf etwa eineinhalb Meter große Zackenbarsche die Taucher. Zeitweilig hatte man auch Besuch von einem Leopardenhai.

Wasserschlangen

Sehr vorsichtig verhielt man sich gegenüber den unzähligen Schlangen (Wassercobras), deren Biß tödlich ist. Da diese Schlangen jedoch nicht aggressiv, sondern nur auf Futterjagd sind, genügte ein ruhiges und umsichtiges Verhalten, um sie nicht zu reizen.

Trotz des 29 Grad warmen Wassers trugen die Taucher immer ihren 4 mm-Neoprenanzug und darüber einen aus reißfestem Stoff geschneiderten Overall. Natürlich wurde nur mit festen Lederhandschuhen gearbeitet.

Nach den intensiven Schulungen der Taucher wurde nun mit der eigentlichen Arbeit begonnen. Nachdem man ein Planquadratnetz direkt über dem Meeresgrund ausgelegt hatte, wurde Planquadrat für Planquadrat sorgfältig von den Tauchern untersucht – stets überwacht von einem der tauchenden Archäologen.

Harter Job

Je zwei Taucher, ausgerüstet mit je einer Sanddedge, pumpten zunächst den Sand weg. Die Sanddredge funktioniert ähnlich wie ein Airlift, jedoch mit Wasser. Von Bord des Schiffes aus wird mittels einer Pumpe Wasser durch ein gepreßt. Dieses Rohr hat am Austritt des Wasserstrahls eine weitere Öffnung für den mit dem Sog zurückströmenden Sand. Dies ist eine schonende Methode, da der Taucher den Sanddurchfluß regeln kann und zudem keine noch so empfindlichen Porzellanteile beschädigt werden. Nachdem eine Stelle auf diese Art „gereinigt“ war, konnte mit der Bergung begonnen werden. Jeder Fundgegenstand wurde unter Wasser am Fundort in situ fotografiert. An Bord wurden die Funde exakt regisitriert, zum Teil gezeichnet und nochmals von allen Seiten fotografiert.

Wertvolle Ladung

Über 11.000 Teile wurden so im Jahre 1998 geborgen. Darunter befanden sich über 60 goldene Siegelringe mit Sanskriptschriftzeichen, Goldschmuck, über 100 Silberbarren mit chinesischen Schriftzeichen, jeweils 1 – 1,5 kg schwere, mehrere hundert Bronzegegenstände wie Bronzespiegel, Tierköpfe und Kultgegenstände, Tigerkrallen sowie etwa 800 Münzen mit Goldplättchen. Daneben barg man über 1000 seladonglacierte Keramikgefäße, die der Aufbewahrung von Lebensmitteln und Trinkwasser gedient haben sowie ca. 8000 Gefäße aus Ton (Opferschalen, Kannen und Becher).

Was man während der Bergung des “Intan-Schatzes” (so wird der Fund seitdem bezeichnet) nur erahnen konnte, wurde an Land dann tatsächlich festgestellt: Man hatte die Ladung des bisher ältesten gefundenen Schiffswracks im Südchinesischen Meer entdeckt und geborgen. Die Schlußmünze datiert in die Zeit 950 n.Chr.

Das Porzellan sowie die Keramiken stammen aus der Zeit der „Five Dynasties“, die von 907 bis 960 in China herrschte. Zur Zeit wird danach geforscht, aus welchen Öfen die seladonglacierten Keramikigefäße stammen.

Sensationeller Fund

Fest steht schon heute, daß es ein außergewöhnlicher Glücksfall für die Geschichtsforschung des Landes war, dieses Wrack zu finden und zu bergen. Und – neben dem finanziellen Erfolg bewies dieses Unternehmen vor allen Dingen auch eines: Schatzbergungen und Archäologie schließen sich nicht aus, sie ergänzen sich. Nur durch die hervorragende Zusammenarbeit von Archäologen, Tauchern, den Bergungsleitern sowie den örtlichen und überregionalen Regierungsvertretern konnte dieses Projekt überhaupt realisiert werden.

Story by Hartmut Samel 01.00