Das war die Messe boot 2023 rund um den Tauchsport

Nach zwei Jahren Zwangspause feierte die boot ein Comeback zwischen Hoffnung und Erwartung

boot reportage

Die Messe boot ist wieder da. Die Erleichterung war in Halle 12, der Taucherhalle, deutlich zu spüren. Nach über zwei Jahren konnten sich viele Labels, Reiseanbeiter und Tauchbasen endlich wieder auf der boot präsentieren, vor echten Messebesuchern und nicht nur über ihre Webseiten oder virtuelle Ausstellungen. Es wurden wieder Hände geschüttelt, es gab viele Umarmungen und wer sich hinter einer FFP2 Maske verbarg, zählte zu den ganz seltenen Exemplaren.

Als wir 2020 die erstmals vom Tauchsport belegte Halle 12 der Messe boot in Düsseldorf verließen, konnte keiner ahnen, dass es bis Januar 2023 oder 36 Monate dauern würde, bis wir in den Gängen und auf den Ständen Partner, Bekannte und alte Freunde wieder treffen konnten. Eine verdammt lange Zeit, die an niemandem spurlos vorbei ging.

Ausgemustert?

Auch unsere Redaktion UnterWasserWelt, wir sind im 25. Publikationsjahr, das muss man sich im Onlinebusiness mal auf der Zunge zergehen lassen, vermisst eine Reihe enger Ansprechpartner, weil sie aufgrund der Pandemie entweder ihren Geschäftsbetrieb einstellen mussten oder wegen Umstrukturierungen der von ihnen vertretenen Unternehmen dort nicht mehr tätig sind. In verschiedenen Fällen zogen im benachbarten Ausland angesiedelte Labels ihre Marketing- und Vertriebsstrukturen von Deutschland ab, wobei das größte Loch AquaLung hinterließ.

Über viele Jahre hatte AquaLung auf der boot die mit Abstand größte Ausstellungsfläche, war unübersehbar und demonstrierte so auch den weltweiten Führungsanspruch als Tauchsportlabel. Und 2023? Nichts, null, nada. Als hätte es Jaques Cousteau nie gegeben, dessen Aktivitäten als Begründer des Tauchsports in die Geschichte eingingen und dem Unternehmen AquaLung den Weg ganz nach oben bereiteten.

Woran liegts? Wie meist sind es Investoren, die ein Unternehmen aufkaufen und möglich schnell ihren Einsatz vervielfältigen wollen. So auch hier. Marketing und Messen kosten Geld, das wird nicht mehr ausgegeben, die Produkte verkaufen sich ja von selbst. Ein verhängnisvoller Irrtum.

Wie unsere vielen Gespräche auf der Messe zeigen, wird diese Rechnung nicht aufgehen. Die einst großen Franzosen haben sehr zufriedene Gewinner im einstigen Wettbewerb zu ihren eigenen Messeergebnissen lächeln lassen.

boot reportageAuftauchen  

Dass aber nicht nur die großen Hersteller von der Umorientierung der Händler bei der Suche nach neuen Lieferanten deutlich profitieren, zeigt das Label TECLINE. Das in Polen ansässige Unternehmen hatte sich bislang auf die Zielgruppe technischer Taucher konzentriert, hier standen Wingblasen, Backplates und Gurte im Fokus ihres Angebots. Und sie reagierten bereits früh auf die Entwicklungen bei Aqualung und ergänzten ihr Portfolio mit hochwertigen Atemreglern, unter anderem auch in 5 Farbvarianten, farbigen Tek – Gummiflossen und einer Anzuglinie. Der konsequente Schritt deutlich Farbe in der Tauchausrüstung zu zeigen, hat TECLINE viel Zuspruch und erfreulich viele Bestellungen des Handels eingebracht.

Zwei Worte noch zum Thema Herstellungsland und Farbe. Polen ist schon länger der Sitz von Herstellern wirklich hochwertiger Trockentauchanzüge, Wingsystemen, Lampensystemen und nun auch Atemreglern. Bislang war die Zielgruppe eher auf technische- oder ambitionierte Sporttaucher ausgerichtet, das ändert sich jetzt mit TECLINE. Und Farbe hält endlich wieder breit gefächert Einzug in die Ausrüstungsszene. Bei den Nass- und Halbtrockenanzügen besteht szeneweit allerdings noch erheblicher Nachholbedarf.

Nicht festgeklebt

Nachhaltigkeit, Umweltschutz usw., usw. hat natürlich auch Umdenkprozesse bei der Industrie ausgelöst. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf zwei Labels schauen, die das Thema verinnerlicht haben. Das eine Label ist schon viele Jahre bekannt und aktiv – SCUBAPRO – das andere ist nagelneu und präsentierte sich erstmals auf der boot – DYNAMICNORD-.

SCUBAPRO begann schon vor längerer Zeit auf Kunststoffverpackungen für ihre Produkte zu verzichten, nun wurde ein Material vorgestellt, das Neopren in Tauchanzügen ersetzt, nämlich  YULEX®, einem  pflanzenbasierten Schaumstoff aus Naturkautschuk. Es fühlt sich etwas anders an, als das gewohnte Neopren, hat aber neben den nachhaltigen Aspekten auch Vorteile bei der Wärmeisolation. Für ausführliche Details folgen Sie diesem Link in unserem Magazin.

Hinsichtlich der Nachhaltigkeit und dem Verzicht auf viele klassische Kunststoffe im Sortiment bewegte das brandneue Label DYNAMICNORD die in Halle 12 der boot anwesenden Aussteller des Wettbewerbs eher weniger. Wer ist das, was machen die, muss man sich jetzt ernsthaft auf einen Mitbewerber einstellen, den es vor wenigen Monaten noch nicht auf dem Radar gab? Nun, welcher Zeitpunkt könnte besser gewählt sein, als eine, als die Tauchsportmesse boot, um nicht nur ein paar Kleinigkeiten als Messeneuheit zu verkaufen.

Ich muss gestehen, dass ich in mehr als 35 Jahren von der boot journalistisch berichtend, noch keinen Start eines neuen Tauchsportlabels als Vollausstatter erlebt habe, dessen Konzept, Ausrichtung und Sortiment so durchdacht ist und den Umweltgedanken ganz natürlich integriert. Dazu höre und staune, es ist ein deutsches Label. Mehr zu DYNAMICNORD finden Sie hier in unserem Magazin. Dass auf dem Stand bereits Technik für den militärischen Einsatz gezeigt wurde, bis hin zu einem Tauchcomputer mit an der Maske anzubringenden Bildschirm, wen wundert es – nicht, wenn Jens Höner zum Entwicklungsteam von DYNAMICNORD zählt.

Appgetaucht

Für tauchende Freunde der Apple Watch Ultra, die mit einer zusätzlichen App zu einem multifunktionalen Tauchcomputer verwandelt werden kann mit rechnerischer Einsatztiefe von maximal 40 Meter, war der Stand von Liquid Sports der richtige Treffpunkt. Hier waren zusammengefasst die Produkte von BARE, Stahlsac, Zeagle, Atomic, XCEL und Oceanic ausgestellt.

Und Oceanic hat für Apple die App für die Watch Ultra entwickelt. Also steht da ein renommiertes Unternehmen der Tauchsportszene dahinter. Um die Apple Watch Ultra als Tauchcomputer nutzen zu können, steht allerdings eine recht amerikanische Denkweise dahinter, die in erster Linie auf Kurzzeit – User zielt. In USA ist der durchschnittliche Urlaubsanspruch nur 10 Werktage, entsprechend ist auch die Tauchtouristik ausgelegt. Also gibt es für die App Lizenzen für einen Tag, einen Monat oder für ein ganzes Jahr (79,00 €). Es muss sich zeigen, ob dieses Modell auch in Europa funktioniert. Auf jeden Fall lassen die Auswertungsmöglichkeiten und Logbucheinträge zu einem Tauchgang im iPhone keine Wünsche offen.

Computer genovese

Bei Cressi steht der Tauchcomputer Raffaello auf der Messe boot an vorderster Front der Messepräsentation. Das traditionsreiche Unternehmen aus Genua hat sich der Entwicklung eines Computers mit großem, rechteckigem Bildschirm gewidmet, im eigenen Haus. Wie alle anderen Tauchcomputern des Labels ist auch dieser made in Italy und besticht zusätzlich durch ein besonders gutes Preis / Leistungsverhältnis. Vorstellung des Raffaello im Magazin UnterWasserWelt

In der in Genua erfolgreichen Computersparte profitiert Cressi erneut von der enormen Marktschwäche von Suunto, die so gut wie keine Produkte mehr liefern. Offiziell wird das mit den Problemen der Chiplieferungen begründet, auffällig aber, dass das Problem mit dem Verkauf an einen chinesischen Investor Hand in Hand ging.

Und die Halle 12

Ja, da waren wir dann endlich wieder. Trainiert auf die Fragen derer, denen wir begegneten und die uns kennen: „Seit wann seid ihr da?“ „Wie lang bleibt ihr?“ Jahrzehnte alter Messe Smalltalk zur Einleitung…… Gut, das Übliche halt und irgendwie gut, als wäre nichts geschehen, vorher, die drei Jahre und so. Das funktioniert also noch.  Umarmung, heftiges Händeschütteln, mental löschen, dass das ja irgendwie auch die Qualität eines Neuanfangs hat. So tun, wie immer.

Und wir alle sind älter geworden, das ist nicht zu verheimlichen. OK, dass sich Youngsters keine Megayacht leisten können, das ist klar, die kommen aber nicht auf die Messe, die kauft der betuchte Papa für sie. Die Halle 12 der boot spiegelt ungeschminkt, dass das Tauchen auf dem besten Weg ist, rollatorgesteuert zu werden. Ausbildungsverbände, Vereine und Industrie haben lange Zeit die Nachwuchspflege sträflich vernachlässigt. Hier müssen dringend Initiativen entwickelt werden, die den Tauchsport auch zum Einstieg in eine langfristige Freizeitaktivität wieder attraktiv machen.

Die Halle mit dem neuen Tauchturm im Aktionsbereich zeigt sich modern, sympathisch. Von der Fläche her ist dieser äußerst großzügig bemessen. Da gibt’s luftleere Räume. Der Tauchturm, da bin ich eher verwirrt, als laut jubelnd. Mit ein paar Meter Abstand ist nicht mehr erkennbar, wie viele Taucher im Becken aktiv sind und was sie vorführen. Die nach innen gewölbten Glassegmente fächern das Bild auf und es wird zum Kaleidoskop. Dann kommt auch noch das Schwindelgefühl dazu, optisch ausgelöst.

Fazit der Messe offiziell

Mit fast 237.000 Besuchern aus über 100 Ländern und mehr als 1.500 Ausstellern aus 68 Nationen auf 220.000 Quadratmetern in 16 Messehallen meldet sich die boot Düsseldorf eindrucksvoll zurück. Drei Jahre pandemiebedingte Zwangspause konnten dem Düsseldorfer Wassersportevent nichts anhaben. Vielmehr zog es vom 21. bis 29. Januar wieder die komplette internationale Branche in die rheinische Metropole.

„Trotz der nicht einfachen Rahmenbedingungen hat die boot 2023 Erfolgsgeschichte geschrieben. Ein so positives Resultat hätten wir uns nicht träumen lassen“. boot Director Petros Michelidakis berichtet hocherfreut: „Die Gespräche mit den Ausstellern waren unfassbar gut, auch beim Tauch- und Trendsport brummten die Hallen.“

 

Michael Goldschmidt
Michael Goldschmidt