Aufsehenerregendes Gerichtsurteil nach tödlichem Tauchunfall auf Gozo verunsichert die Szene

Ende 2021 entschied ein maltesisches Gericht, dass ein Partner stets Mitschuld an einem den Buddy betreffenden Tauchunfall hätte

Im Januar 2020 hatte sich eine Gruppe von 6 Tauchern im Süden von Gozo bei Mġarr ix-Xini getroffen, um dort gemeinsam eine unspektakuläre Unterwasserexkursion zu machen, in dessen Verlauf ein Tauchunfall passierte. Die mit der Verhandlung betraute Richterin Simone Grech entwickelte kaum nachvollziehbare juristische Theorien. Ihr Urteil verkehrt objektiv betrachtet hinsichtlich Haftung und Mitschuld bei einem Tauchunfall die Realität ins Gegenteil.

Was war geschehen? Im Verlauf eines einfachen Tauchgangs erlitt Christine G. (35), Tauchlehrerin und AFM Soldatin auf Gozo, einen tödlichen Tauchunfall. Ihr Buddy, Arthur C. (60), hatte bereits viele gemeinsame Tauchgänge mit Christine problemlos absolviert, man kannte sich gut als Buddyteam. Er taucht seit Jahren mit einem Kreislaufgerät, Christine klassisch OC.

Gozo Malta TauchunfallAls sich die Gruppe gegen 8:00 Uhr trifft, wirkt Christine erschöpft. Darauf angesprochen räumt sie ein, dass sie eine Schicht von 20 Stunden hinter sich hätte. Arthur C. und weitere legen ihr nahe, den Tauchgang heute nicht zu machen, sie lehnt aber ab und besteht darauf.

Die Ausrüstung von Christine G. ist nicht perfekt, sie trägt einen Trockentauchanzug, der ihr zu groß ist und sie hat auch keine Ausbildung für den Umgang mit solchen Anzügen. Ihre Autorität als Tauchlehrerin will niemand in Frage stellen und so ist jetzt bereits ein zweiter Schritt hin zu einem möglichen Tauchunfall gemacht.

Obwohl keine großen Tiefen avisiert sind, hat Christine gewohnheitsgemäß eine Stage mit Nitrox 50 dabei, um Dekozeiten oberhalb 21 Meter Tauchtiefe zu verkürzen.

Unter Wasser bekommt Christine mehrere Probleme im Zusammenhang mit ihrer Ausrüstung. Der Inflator am Trockentauchanzug scheint nicht einwandfrei zu funktionieren, es fällt ihr schwer, sich zu tarieren, immer wieder ist ihr Auftrieb nur knapp kontrollierbar. Ihr Buddy Arthur C. hilft ihr, den Anzug zu entlüften. Sie befinden sich in 16 Meter Tiefe, Arthur signalisiert ihr, ob sie den Tauchgang nicht besser abbrechen sollen, sie lehnt ab.

Nicht nur, dass die übermüdete Christine für sich selbst die Situation falsch beurteilt, auch die mangelnde Erfahrung mit einem Trockentauchanzug verschließt ihr den Weg zur realen Gesamtbeurteilung der Lage. Dazu kommt, dass sie zu wenig Blei mitführt. Die Risikofaktoren für einen möglichen Tauchunfall werden immer deutlicher, die letztendlich davon Betroffene schiebt für sich alle Bedenken beiseite.

Nach einiger Zeit verändert das Team die Tiefe und sinkt langsam auf 28 Meter. Auch jetzt muss Arthur bei der Tarierung helfend eingreifen. Schließlich verheddert sich Christine mit einer Flosse in einem Fischernetz. Erneut muss Arthur ihr helfen. Und wieder lehnt es Christine ab, zu diesem Zeitpunkt den Tauchgang zu beenden.

Nach etwa 70 Minuten schlug Arthur vor, umzukehren. Christine folgte ihm auf dem Weg zurück zur Einstiegsstelle in der Bucht, verlor dabei erneut die Kontrolle über ihren Auftrieb. Nach dieser Tauchzeit war natürlich aus dem Pressluftgerät einiges an Atemgas verbraucht worden, das Gewicht fehlte nun zusätzlich in geringerer Tiefe. Arthur versorgte sie mit zwei Kilo Blei von seiner eigenen Ausrüstung.

Sie setzten den Weg zurück zum Einstieg fort, er signalisierte ihr, bei ihm zu bleiben, da schoss Christine unkontrolliert zur Oberfläche. Arthur machte einen kontrollierten Notaufstieg. An der Oberfläche angekommen sah er am Ufer eine Gestalt in einem schwarzen Trockenanzug, die mit dem Rücken zu ihm an Land stand. Er nahm an, dass es Christine sei, fand aber bald heraus, dass er sich getäuscht hatte.

Die wieder an Land befindliche Gruppe wartete noch etwa 5 Minuten, um dann mit eigenen Suchmaßnahmen zu starten und die Rettungskräfte zu alarmieren. Kurze Zeit später wurde  Christine leblos, mit dem Gesicht im Wasser treibend, aufgefunden. Die feststellbaren Merkmale deuteten auf eine Lungenverletzung hin, die durch den unkontrollierten Notaufstieg zum tödlichen Tauchunfall führten.

Untersuchungsergebnisse

Später wurde im pathologischen Gutachten bescheinigt, dass sie einen natürlichen Tod gestorben sei, nämlich Ertrinken im Meerwasser und einem Atherom der Koronararterie. Nun, es ist bekannt, dass sich viele Pathologen, die kein spezifisches Hintergrundwissen zum Thema Tauchunfall haben, es sich „leicht“ machen, die Leiche rasch vom Tisch zu schieben. Es wird „Ertrinken“ attestiert, damit ist die Anfertigung eines differenzierten Gutachtens nicht erforderlich. Bei „Atherom der Koronararterie“ hätte es möglicherweise mehr hinschauen benötigt.

Ein Experte für Tauchausrüstung berichtete, dass Christine G. Probleme hatte, ihren Auftrieb zu kontrollieren, da der Inflator des Trockenanzugs nicht funktionierte und Bleigewichte fehlten.

Das trug möglicherweise dazu bei, „was schließlich passierte“. Und ihr Buddy wurde beschuldigt, ihren Tod unfreiwillig herbeigeführt zu haben.

Die Verhandlung

Bei der Urteilsverkündung erklärte das Gericht unter dem Vorsitz von Richterin Simone Grech, die Staatsanwaltschaft müsse einen Zusammenhang zwischen seinem Verhalten und ihrem Tod nachweisen.

Nach allen vorgebrachten Beweisen war das Gericht davon überzeugt, dass der Angeklagte tatsächlich fahrlässig gehandelt hatte.

„Zu viele Annahmen“

Während des gesamten Tauchgangs deuteten verschiedene Faktoren darauf hin, dass sie Auftriebsprobleme hatte, und der Tauchgang wurde trotzdem fortgesetzt.

Obwohl C. ihr half, wie er es die meiste Zeit tun musste, scheiterte er in der letzten Phase.

Er nahm an, dass sie nach dem Auftauchen zurück ans Ufer schwamm.

Zuletzt sah er, wie sie ihre Arme um eine Stage mit Nitrox 50 schlang, stellte aber weder Augenkontakt mit ihr her, noch überprüfte er ihre Luftzufuhr.

Es gab auch eine Diskrepanz in der Tatsache, dass G`s. Versorgung anders und begrenzt war, da er ein Rebreather-System mit geschlossenem Kreislauf hatte.

Diese Diskrepanz blieb während des gesamten Tauchgangs bestehen und beeinflusste das Endergebnis.

Das Gericht stellte fest, dass der Angeklagte in der 77. Minute des Tauchgangs viele Vermutungen angestellt hatte, ohne tatsächlich Kontakt mit seiner Buddy aufgenommen zu haben.

Obwohl G. Tauchlehrerin war, entband das ihren Buddynicht von seinen Pflichten.

Er habe zu viele Annahmen getroffen, als klar war, dass es ein schwieriger Tauchgang für das Opfer war, stellte das Gericht fest.

Tatsächlich hatte er eine größere Pflicht, dafür zu sorgen, dass sie in Sicherheit war, als nur davon auszugehen.

Dieser Tauchunfall hätte leicht vermieden werden können, wenn der Angeklagte mehr Vorsicht und Umsicht gezeigt hätte, sagte Richterin Grech.

„Fahrlässigkeit des Opfers“

Das Gericht konnte die Fakten des Mitverschuldens des Opfers nicht ignorieren, das nach einer langen Arbeitsschicht müde war, aber dennoch darauf bestand, den Tauchgang anzutreten.

Sie trug einen Trockenanzug, der nicht ganz zu ihrer Größe passte, und war für die Verwendung eines solchen Anzugs nicht ausgebildet.

Außerdem wollte sie, selbst nachdem sie Probleme mit dem Auftrieb hatte, weitermachen.

All dies entlastete den Angeklagten jedoch nicht, schloss das Gericht, erklärte ihn für schuldig am Tauchunfall und verurteilte ihn zu einer zweijährigen, auf vier Jahre ausgesetzten Haftstrafe, wobei es sich überzeugt zeigte, dass dieser Fall keine effektive Freiheitsstrafe verdiene.

Außerdem wurden dem Angeklagten zwei Drittel der Gerichtsgutachterkosten in Höhe von 1.114,55 Euro auferlegt.

Feedback

Dieses Urteil zu einem Tauchunfall muss man sich mehr oder weniger auf der Zunge zergehen lassen. Vieles wurde nicht berücksichtigt, gutachterlich betrachtet. Um vor diesem Hintergrund juristisch unbehelligt tauchen zu gehen, bleibt lediglich das Solotauchen übrig. Tauchausbildung findet am besten nur noch auf dem Trockenen statt. Ja, das klingt zynisch, spiegelt aber die Einschätzung des Gerichts und die daraus zu ziehenden Konsequenzen. Allerdings ist die betroffene Tauchszene auf Malta intensiv bemüht, dieses Urteil zu revidieren. Über 170.000 Tauchgäste jährlich auf Malta und Gozo dürfen nicht unter den Bann und die Auswirkungen dieses realitätsfernen Urteils fallen. Richterin Grech erlaubt sich von der Realität des Gerätetauchens zudem kaum Ahnung zu haben. Und Arthur hat alles richtig gemacht!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Michael Goldschmidt
Michael Goldschmidt