Abschied von Hans-Peter Klinke

Ein Nachruf mit schönen Erinnerungen

Nicht selten gelingt es der Süddeutschen Zeitung mich wirklich zu berühren, ich mag die Reportagen, die Schreibe der Autoren. Auch wenn mir grad die Coronifizierung der allermeisten Storys auf den Nerv geht, finde ich doch noch viele interessante Artikel und leider auch dies: Hans-Peter Klinke ist am 31. März verstorben.

Im schwarzen Rahmen die Meldung in den Todesanzeigen. Von seinem Sohn Daniel großartig formuliert. Auf den Punkt gebracht. Fabelhaft.

Doch das ändert nichts daran, dass sich auch für mich wieder eine Lücke in der Selbstverständlichkeit des Lebens aufgetan hat. Irgendwie war Hans-Peter in vielen Erinnerungen präsent, denke ich an die Unterwasserfilme zurück, die ich hinter der Kamera mit ihm als Autor für das Bayerische Fernsehen realisieren konnte. Er war genau genommen ein Pionier, der redaktionell durchsetzte, dass mit eigenen Mitarbeitern des Senders UW – Filme gedreht und produziert werden konnten und das Thema nicht ausgelagert wurde an freie Firmen. Und an dieser Stelle habe ich ihm auch heute sehr zu danken.

Als Sporttaucher war er schon früher aktiv als ich, nun gut, er hatte ja ein paar Jahre Altersvorsprung. Nach ersten Dreharbeiten zu Medizinthemen, sein hauptsächliches Arbeitsfeld, kamen wir ins Gespräch, stellten fest, dass wir beide unter Wasser zuhause sind und dann entwickelte sich eine fachlich und freundschaftlich wunderbare Zusammenarbeit bei einer Reihe von Produktionen weltweit.

Ob in den Kelpwäldern Kaliforniens, den Riffen der Malediven, auf der Suche nach Walhaien und dem größten Erfolg, das 45- minütige Feature zum Thema Tauchmedizin, für das wir beim Medizinfilm – Festival Medikinale den Preis für den besten  populärwissenschaftlichen Film erhielten, das und vieles mehr verband uns.

Natürlich gibt es viele Anekdoten, die die Erinnerung freudvoll präsentiert. Wo soll ich anfangen?

Ich bin mir sicher, dass du die kleinen Geschichtchen irgendwo da, wo du nun bist, lachend lesen wirst.

Da war die Sache mit dem Flug zum Interview von München nach Köln. Du hattest ausgemacht, dass du im Dienstwagen vom Sender zum Flugplatz mitfährst. Wer zum vereinbarten Zeitpunkt nicht da ist, das bist du lieber Hans-Peter. Das ist ungewöhnlich für dich. Die Zeit verstreicht, doch wir warten, denn ohne dich brauchen wir nicht nach Köln fliegen. Gefühlt in allerletzter Sekunde tauchst du auf und ab zum Airport. Ich frage dich, was denn das Problem gewesen sei. Und Hans-Peter: Die einzige mir grad  passende Jeans hatte meine Frau in die Waschmaschine getan, die musste erst einmal raus und trocken gelegt werden…

Für Überraschungen warst du auch immer gut. Du suchtest immer nach besonderen Bildeffekten für die Unterwasserfilme. Das habe ich immer begrüßt und unterstützt, ob Farbfolien vor den Unterwasserlampen der Taucher im Bild oder anderes. Wir waren einfallsreich. Vor einer Produktion auf den Malediven fragtest du mich, was ich von Unterwasserfackeln halte. Die Phosphorfackeln brennen ja tatsächlich unter Wasser, sind aber sehr, sehr heikel. Die gab es nur im militärischen Umfeld und Jaques Cousteau hatte diese hin und wieder in seinen legendären Filmen eingesetzt. Ich hielt mich bedeckt mit einem Statement, buchte das auf Flausen in Hans-Peters Kopf. Aber weit gefehlt.

Anfang Mai 1997 fliegen wir auf die Malediven für eine Tierfilmproduktion. Stattliches Gepäck für die Dreharbeiten, für das weder Zollpapiere vorliegen noch eine Drehgenehmigung, steht neben uns am Einreiseschalter. Es sind 12 Zargesboxen, etwas viel für 2 Personen, die Tauchurlaub machen wollen. Ich bin leicht nervös, denn hier könnten wir entweder gleich abgewiesen werden oder in den Knast wandern. Hans-Peter gibt die Losung aus, wir sind nur reiche Touristen und wollen die Schönheit der maledivischen Unterwasserwelt im Video festhalten.
Wir kommen erstaunlicherweise ungeschoren ins Land. Die Sicherheitskräfte an den Monitoren der Durchleuchtungstechnik sind keine Spezialisten.

Bei diesem Dreh ist dein 50. Geburtstag. Den wolltest du etwas öffentlichkeitsscheu nicht in Deutschland verbringen. Aber einen Gag hattest du vorbereitet. Um Mitternacht, dein Geburtstag ist eingeläutet, gehst du für dich allein zum Tauchen. Für dich selbst die 50 Jahre zu feiern. Und was für ein Licht nimmst du mit? Himmel, du hast eine Kiste mit Phosphor – Unterwasserfackeln der NVA im Gepäck und da soll jetzt eine Licht spenden. Das hätte nie in den Flieger mitgenommen werden dürfen. Laut brüllend entzündet sich die Fackel und mit ihrem unglaublichen Feuer verschwindest du in seichter Tiefe.

Gut, ich war aber auch ein wenig – sagen wir mal – indiskret. Du wolltest ja nur, dass wir zwei dein Geburtstagsfluchtgeheimnis vor Ort kennen. Sonst niemand. Das konnte ich aber nicht so wirklich für mich behalten, das Geheimnis. Für einen guten Zweck, wurde ich schwach. Ich gab dem Basisleiter einen Tipp, denn so ein 50. Geburtstag sollte doch nicht einfach so vergehen, ohne wenigstens ein etwas festliches Abendessen.

So kam es zum Candlelight Dinner für zwei am Strand, Sand unter den Füßen und das Meer ganz nah. Sensationell dann der Hauptgang: Languste mit….. Spätzle. Das passiert, wenn der Basisleiter aus Augsburg stammt und den Köchen ein paar Sachen zeigt, die in der schwäbischen Küche führend sind. Nach den Dreharbeiten des Tages war dies ein würdiger und lustiger Abschluss des 8. Mai 1997.

Improvisation hattest du auch gut drauf. Dein Tauchanzug war bei dieser Produktion eine knallgelbe Motorrad Regenkombi. Die Idee war an sich nicht ganz schlecht, nach dem Tauchgang standst du aber dann wie ein Michelinmännchen, bis oben voll mit Wasser auf dem Dohni und das brachte uns alle immer wieder zum Lachen. Und du hast voll mit gelacht, Humor war deins und du konntest auch über dich selbst lachen. Ganz klar, die Zweckentfremdung machte die Kombi nicht lange mit und so mutiertest du mehr und mehr zum Fetzenfisch.

Für die Produktion über die Kelpwälder wolltest du auf jeden Fall einen Assistent für mich mitnehmen. Der Sender stellte sich quer. Daraufhin hast du mir zwei Dinge versprochen: Du fährst den Mietwagen und vor Ort wird ein Assistent engagiert. Beide Versprechen hast du gehalten. Sogar, nachdem du dir bei einem Sturz einen Tag vor dem Rückflug den linken Unterarm gebrochen, dies aber zunächst nur als schmerzhafte Prellung abgetan hattest. Du bist noch von Santa Barbara nach San Francisco zum Airport gefahren. Erst in München kam nach einer Untersuchung das wahre Ausmaß deiner komplizierten Verletzung an den Tag.

Ich könnte noch so viel erzählen, fast ein Buch. Hans-Peter, wir haben wunderbare Filme gemacht, wir haben uns immer ergänzt, du hast mir immer vertraut, wir haben viel und intensiv gearbeitet in den Produktionen und immer auch viel gelacht. Ein „geht nicht“ war für dich stets Anlass, deine große Überzeugungskraft einzusetzen. Fast immer hast du dabei gewonnen.

Jetzt muss ich zur Kenntnis nehmen, dass du nun einen anderen Weg einschlagen musstest und ein Abschied nicht möglich war. Viel zu früh. Und es gibt so viele, die dich vermissen, nicht nur Freunde, auch deine vielen Tiere, die dir immer am Herzen lagen.

Auf Wiedersehen Hans-Peter!

 

Michael Goldschmidt