Rob Stewart arbeitete zum Zeitpunkt seines Todes an seinem neuen Film „Sharkwater: Extinction“, der im Herbst 2018 in USA und Kanada in die Kinos kommt. Er tauchte auf den Florida Keys vor der Insel Islamorada unweit von Key Largo am Wrack der Queen von Nassau. Er hatte mit seinem Tauchpartner und Rebreather – Ausbilder Peter Sotis drei Tauchgänge an diesem 31. Januar 2017 in Tiefen bis 67 Meter durchgeführt und erreichte die Oberfläche desorientiert und unansprechbar.
Was passierte wirklich an diesem 31. Januar 2017 gegen 17:00 Uhr am Tauchplatz und auf dem von der Firma Horizon Dive Adventures gecharterten Schiffes „Pisces“ mit dem Kapitän Wilkerson?
Trägt man die mittlerweile bekannt gewordenen Fakten zusammen, die die letzten Minuten von Rob Stewart beschreiben, kann kaum von einem unvermeidbaren Ereignis gesprochen werden. Erstaunlicherweise gibt es in USA keine offizielle Untersuchung des Falls zur Klärung der Umstände und der Verantwortung. Ein weitreichend angelegter Zivilprozess, der von den Angehörigen des Filmemachers Rob Stewart angestrengt wurde, ermöglicht aktuell Einsicht in die Geschehnisse am späten Nachmittag des 31. Januar 2017 und den darauf folgenden 3. Februar, an dem die Leiche geortet und geborgen worden war.
Ohne voreilige Schlüsse ziehen zu wollen, was hier bekannt wurde, lässt an Qualifikation und Professionalität der beteiligten Personen mehr als zweifeln.
Wie es letztlich das damit betraute Gericht sehen wird, bleibt offen. In Deutschland wäre eine Anklage wegen unterlassener Hilfeleistung das Mindeste, was zum tödlichen Ausgang des Tauchgangs anhängig geworden wäre, aber auch die technische Überprüfung der rEvo Kreislaufgeräte hätte einen anderen Weg genommen.
Schauen wir auf die letzten Minuten von Rob Stewart. Er beendete gemeinsam mit Peter Sotis den Tauchgang mit dem rEvo Rebreather auf 67 Meter Tiefe, sie erreichen die Oberfläche nahe der „Pisces“. Sotis kommt noch aus eigener Kraft an Bord, ist dann aber sofort desorientiert und reagiert nicht auf Ansprache. Sotis Frau ist mit an Bord, sie ist Ärztin. Sie verabreicht ihm sofort Sauerstoff und sein Zustand bessert sich rasch.
Rob Stewart treibt noch im Wasser. Niemand kümmert sich um ihn. Kapitän Wilkerson behauptet, noch ein OK Zeichen von Rob Stewart bekommen zu haben. Zeugen gibt es dafür keine. Aber es gibt Zeugen, dass Rob Stewart drei Minuten desorientiert und nicht ansprechbar im Wasser trieb. Unfähig, sich selbst an Bord des Schiffs zu bringen.
Diese drei Minuten bestätigt auch der von ihm getragene Computer zum rEvo.
Niemand an Bord der „Pisces“ springt ins Wasser, um Rob Stewart an Bord zu holen, ihn zu retten. Es ist ohnehin eine delikate Situation, denn anstatt der für solche Unternehmungen behördlich vorgesehene Beteiligung professioneller Taucher, die das Projekt sichern, sind nur einige Taucher der freiwilligen Feuerwehr von Key Largo an Bord. Hier hat Horizon Dive Adventures illegal gehandelt, aber niemand scheint es zu interessieren. Und die Taucher der freiwilligen Feuerwehr scheinen auch nicht gerade sensibilisiert zu sein, Notfälle zu erkennen und entsprechend zu reagieren.
Vor Gericht heißt es lt. Kapitän Wilkerson, dass niemand an Bord der „Pisces“ angehalten sei, ins Wasser zu springen und einen Taucher an Bord zu holen, das müsse jeder für sich selbst entscheiden.
Diesen Satz muss man auf der Zunge zergehen lassen und für eigene Tauchaktivitäten in USA einen völlig neuen Selbstrettungsplan entwickeln lassen.
Kapitän David Wilkerson will trocken bleiben und keinen unansprechbaren, unorientierten Rebreathertaucher an Bord holen. Er macht mit der „Pisces“ ein Manöver („Williamson-Kurve“), das 10 Sekunden gedauert haben soll, um den im Wasser treibenden Rob Stewart anzusteuern, damit ihm eine Leine zugeworfen werden kann, die dieser zu ergreifen hätte und an der er sich an die Leiter des Bootes ziehen sollte. Das Manöver wird mit Wind und Strömung begründet. Seemännisch sicher nicht falsch, handelt es sich um einen ansprechbaren und guter Dinge im Wasser treibenden Schwimmer und Taucher…
Im Verlauf des Manövers verschwindet Rob Stewart unter Wasser und sinkt in die Tiefe. Ein – ich betone ein an Bord befindlicher – springt ins Wasser, unklar, ob er überhaupt eine Tauchmaske trug, und versucht Rob Stewart zu lokalisieren. Erfolglos.
Es ist wie es ist.
Nach einiger Zeit werden die Rettungskräfte der Küstenwache aktiv, die drei Tage lang ein Gebiet von 6000 km² absuchen, obwohl klar ist, dass Rob Stewart eher wie ein Stein in der Tiefe versank. 67 Meter tief.
3. Februar 2017 – 17:00 Uhr
Die offizielle Suche der Küstenwache nach Rob Stewart war eine Stunde zuvor eingestellt worden. Da wird mit einem ROV dessen Leiche unweit des letzten Tauchplatzes lokalisiert und im
Videobild festgehalten. Die Suche geht von der „Pisces“ aus, zu der die Anwälte von Horizon Dive Adventures geraten hatten.
Nach Aktenlage ist diese Aktivität mit Fragezeichen zu versehen. Was wurde verschleiert, wem wurde zugearbeitet, was muss, darf, soll nicht an die Öffentlichkeit?
Die Videobilder der Auffindung und Bergung von Rob Stewart sind nicht hilfreich für irgendwelche zur Klärung des Vorgangs beitragende Details, schlicht unbrauchbar. Der Operator des ROV war total unqualifiziert – oder tat er nur so?
Zur technischen Analyse des Rebreatherunfalls wäre es erforderlich gewesen, das Gerät unverändert an die Oberfläche und in die Hände eines unabhängigen Gutachters zu bringen. Der rEvo, den Rob Stewart trug, wurde aber von den „Bergungstauchern“ manipuliert, sein Atemgas zum Auftrieb der Leiche benutzt.
rEvo war und ist bis jetzt gerichtlich im Zivilprozess nicht involviert. rEvo erklärt, dass die Schuld am Tod von Rob Stewart allein bei Kapitän David Wilkerson und Horizon Dive Adventures läge.
Aber die letztlich technische Schuldbefreiiung von rEvo durch eine Untersuchung einer Navibehörde ist brüchig. Es wurde nur das geborgene Gerät von Rob Stewart untersucht. Dessen Funktion wurde als einwandfrei klassifiziert, obwohl vom Bergungsteam manipuliert. Keine Hinweise auf Probleme der Sauerstoffsensoren, keine Hinweise auf den Verbrauch des Atemkalks. Hier wünscht man sich wesentlich mehr an Hintergrund, um eine Tragödie wie diese zukünftig auszuschließen.
Trotzdem merkwürdig, dass zwei Taucher mit gleichen Rebreathern bei identischen Tauchprofilen des Tages die gleichen gefährlichen Probleme hatten.
Und auch der Bericht des Gerichtsmediziners zur Todesursache ist kaum greifbar: Sauerstoffmangel.
Er machte es sich – irgendwie – leicht.
Einer überlebte. Einer starb. Rob Stewart wurde nur 39 Jahre alt.
Recherche David Goodhue
Story Michael Goldschmidt