Ich komme diesmal durch die Hintertür. Der Fahrer des Transferbusses entlädt mich mit dem ganzen Gepäck 150 Meter zu früh am Haupteingang des zum Reiseziel benachbarten Hotels. Selten geschehen Dinge in Ägypten so schnell, wie in diesem Moment. Der Bus, dessen einziger Gast ich war, entschwindet auf der Schnellstraße Richtung Norden, das Gepäck im Empfangsgebäude Richtung Westen. Und im Süden wartet das Orca Diveclubs Resort Coral Garden auf mich.
Entlang des halbmondförmigen Sandstrands geht es bei 37° C wohltemperiert mit geschultertem Fotorucksack und einsatzbereit zusammengestelltem UW – Fotosystem eher schweren Schritts dem Ziel der nächsten Tage entgegen. Meine größeren Gepäckstücke bleiben zunächst an der Rezeption des Coral Sun Beach Clubs zurück.
Zwei Stunden später lokalisiere ich mein restliches Hab und Gut in den Räumen der Orca Diveclubs Tauchbasis. Das Equipment lasse ich gleich da, mit dem zweiten Gepäckstück ziehe ich um die Häuser. Weil der Küstenstrich nicht gänzlich eben war, wie er sich heute präsentiert, muss eine rustikal gepflasterte Rampe genommen werden, um zu den Reihenhäuschen des Resorts zu gelangen. Der Blick über den Strand, über das Meer entschädigt den kurzen Anstieg postwendend.
Die erhöht gebauten weiß / blauen Häuschen muten griechisch an, ein wenig Santorini – Erinnerungen werden wach. Architektonisch hat man in dem kleinen Resort weitgehend auf arabisches Chichi verzichtet und der sechseckige Grundriss des 25 m2 großen Wohnraums mit freundlich hellen Wänden in Orange und Gelb ist auch mal etwas anderes. TV und Klimaanlage haben eine Fernbedienung, ein Safe sichert was man dafür für nötig erachtet. Sogar eine befüllte Minibar gehört zum Mobiliar, nicht nur ein leerer Kühlschrank, wie vielfach sonst in ägyptischen Hotels und Resorts. Das Fenster neben dem Bett ist nach Osten ausgerichtet. Mit Blick aufs Meer werde ich vom Sonnenaufgang im Zimmer 24 sanft in den Tag gebracht. Ich könnte mich der Außenwelt auch verschließen, Sonne und Meerblick bleiben draußen, Verdunkelungsvorhang zu. Nicht mein Ding.
Das Motto von Orca Diveclubs Coral Garden beschreibt Basisleiter Tom mit drei treffenden Worten: Klein, familiär und persönlich. Auf maximal 68 Gäste warten 34 Zimmer (Reihenhäuschen) mit unterschiedlicher Lage und Außengestaltung. Die meisten haben Meerblick und sind ebenerdig, einige im ersten Stock gelegen, manche haben eine private Terrasse mit Panoramafenster im Wohnraum.
Die Wege sind nicht weit, zentral gelegen ist die Strandbar mit dem einzigen Internetspot der Anlage. Von dort sind es 7 Schritte zur Tauchbasis und 15 Schritte zum Rundbau des erhaben gelegenen Restaurants, zu dem eine gewundene Rampe hinauf führt. Zum Frühstück und Abendessen präsentiert sich die Bucht, das Rote Meer, die kleine Anlage in 3D, alles rundum im Gästebereich des Restaurants ist offen, nur durch Fliegengitter von der Umwelt abgetrennt, keine Fenster, keine Klimaanlage, der Wind bringt natürliche Luftbewegung.
Der Küchenchef bietet zum Abendessen eine abwechslungsreiche Auswahl von stark landestypisch geprägten Salaten (ausgezeichnet), frisch zubereiteter Pasta mit Zutaten eigener Wahl, aber auch umwerfend gute Fallafel frisch zubereitet. Erstaunt hat mich die Qualität der Speisen mit Rindfleisch. Das ist vielfach sogar in großen Hotelküchen eher schwierig zu genießen. Aber dieser Chef hat’s drauf.
Für den Mittagshunger gibt’s eine große Auswahl unterschiedlichster Speisen a la Carte, serviert an der Strandbar. Hungrig hat das Resort noch niemand verlassen.
Eine Lanze breche ich gerne für das Servicepersonal, das Restaurant und Strandbar betreut. Freundlich, aufmerksam, humorvoll kümmern Sie sich um die Gäste. Im Hintergrund wirkt der Roomboy, er sorgt für ein wirklich sauberes, aufgeräumtes Zimmer, frische Handtücher, frische Bettwäsche, das Trinkgeld hat er sich redlich verdient.
Auf den ersten Blick hätte ich mich dazu hinreißen lassen anzunehmen, dass Rollifahrer hier schlechte Karten hätten. Gut, dass ich Tom darauf ansprach. Es wurde sogar ein behindertengerechtes Zimmer mit verbreiterten Türen, entsprechenden Einbauten im Bad und weiteren Erleichterungen gestaltet. Und dank der Rampen statt Treppen ist das Restaurant wie auch das höhere Level der Anlage mit Rolli zugänglich. Dieses Angebot wird auch immer wieder angenommen.
Das Orca Diveclubs Coral Garden Resort bietet Entspannung pur. Keine Musikbeschallung, keine Animateure, ein Billardtisch, ein Beachvolleyball – Platz und ein Strandschach sind die einzigen Zeitvertreibsinstallationen. Im kuscheligen Shishabereich steht ein TV Bildschirm, der für bedeutende Sportereignisse wie der Fußball WM aktiviert und das Programm dort via Internet eingespeist wird, im Gegensatz zum Satelliten – TV in den Zimmern. Die dort aktuell gebotenen Programme sind nicht deutschsprachig, auch nicht das der Deutschen Welle. Das Management möchte das gerne ändern, aber es dauert in Ägypten eben halt seine Zeit.
Tauchen
Das Basisleiterteam Tom und Sonja kenne ich schon einige Jahre. Zuvor waren sie bei Orca Diveclubs in Safaga tätig, bis sie für die Basis im Coral Garden Ende Juli 2012 die Verantwortung übernahmen. Beide sind anspruchsvoll, was die Qualität der Tauchausbildung auszeichnet, die Betreuung der Gäste und den Service, den die Basis bietet. Dienen für die Gäste, wie es Tom beschreibt, der ursprünglich aus einem anspruchsvollen Dienstleistungsberuf kommt, charakterisiert deren Engagement wohl am treffendsten. Dieser Funke ist auf das ganze Team übergesprungen, was deutlich zu spüren ist, wenn Tom und Sonja ihren freien Tag haben. Dann ist der Service identisch, das Team freundlich und aufmerksam, angeleitet von Aiman, der zudem als Tauchlehrer Verantwortung trägt. Ich bin ja durch die Hintertür und zu Fuß in Coral Garden Diveclubs angekommen und sofort von Aiman empfangen worden. Nachdem ich mich vorgestellt hatte, gab es gleich eine herzliche Begrüßung mit Führung durch die Basis und Vorstellung des Hausriffs mit all seinen Highlights an der großen Karte. Er hätte mir liebend gerne an den kommenden drei Tagen selbst das Hausriff live vorgestellt, aber Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps, auf ihn wartet ein Tauchkurs.
Yousef
In all den Jahren, in denen mir Guides in Ägypten Hausriffe oder Tauchspots mit Booten erreicht zeigten, gab es keinen, der meinem Buddy und Guide Yousef das Wasser reichen kann außer Michael Nabil (Safariguide bei Monika Hofbauer). Nun hat es zwei besonders herausragende Namen und Persönlichkeiten in meiner privaten Ruhmeshalle sensibler ägyptischer Guides und naturbegabter Mitspieler vor der Kamera.
Üblicherweise sind Guides auf das Finden und zeigen nahezu unsichtbarer Kreaturen, bevorzugt im Makrobereich sensibilisiert. Doch für die journalistische Vorstellung einer Tauchdestination ist das meist zweitrangig. In einem Magazinbeitrag soll gezeigt werden, was man auch ohne Lupe zu sehen bekommt und wie die Unterwasserlandschaft gestaltet ist.
Hartes Brot für die Guides, wenn genau das Gegenteil gewünscht wird, auf was man sich spezialisierte. Yousef hat das fantastisch gemeistert, vergaß für mich den Mikrokosmos, machte dafür ab Steinfisch aufwärts alles sichtbar, was mit dem Weitwinkel abgefeiert werden kann. Und wenn ein Taucher an der richtigen Stelle das Motiv bereichern soll, ein kurzes Handzeichen, wo ich ihn gerne positioniert hätte, schon war er da, mit Blick aufs Motiv und nicht fragend in die Kamera. Ein Naturtalent. Er spricht ausgezeichnet Deutsch und es war auch immer eine Freude, sich mit ihm zu unterhalten.
Im Hausriff
Als Gast bei Corel Garden Diveclubs genießen Sie die Freiheit, vom Early Morning Dive bis zum Nachttauchgang den ganzen Tag über den Beginn und das Ende Ihrer Tauchaktivitäten nach eigenem Timing zu gestalten. Die Basis hat von 8:00 bis 18:00 Uhr geöffnet. Tauchgänge außerhalb dieses Zeitfensters sind am Tag vorher anzumelden, damit die dafür erforderlichen behördlichen Genehmigungen eingeholt werden können und Personal sie erwartet. Um 22:00 Uhr ist das Limit für den Abschluss eines Nachttauchgangs.
Nachts unterwegs zu sein beinhaltet fast die Garantie, spanischen Tänzerinnen zu begegnen und ganz sicher und auf jeden Fall Schnecken und Garnelen in einer umwerfenden Farbenpracht und Vielfalt.
Die Bucht kann bei jedem Wetter betaucht werden, so geschützt ist deren Lage. Einzig im flacheren Bereich kann sich die Sicht bei starkem Wind durch dadurch aufgewühlten Sand etwas eintrüben.
Und es ist eine stille Bucht. Tom ist durchaus stolz darauf, dass es hier keine Zodiacfahrten gibt. Keine lästigen Fremdgeräusche übertönen die Stimmen des Meeres, der Fische. Und wie er sagt, es stimmt, die Fische sind deutlich entspannter als an Destinationen mit Bootsbetrieb. Sie kommen fast frech nahe an die Taucher heran und persönlich nimmt man den geheimnisvollen Kosmos der Unterwasserwelt während der gerne auch langen Tauchgänge intensiv wahr. Weil kein Boot wartet, kann ein Tauchgang von der Dauer her Open End durchgeführt werden, natürlich auch mit Nitrox for free.
Nitrox wird beigemischt, was unkompliziert abweichende Gemische vom klassischen 32er ermöglicht. Ob als Dekogas bis 50% oder als Bottomgas mit 28% bis 40 Meter, alles ist möglich.
Technische Taucher bekommen auch Trimixfüllungen und Rebreatheruser werden mit Kalk, Sauerstoff und Helium versorgt. Auch wenn die klassische Tauchtiefe im Nord– und Südbereich des Korallengartens bis etwa 23 Meter hinabführt, es sind auch bis zu 40 Meter für Sporttaucher möglich. Dort ist sogar ein aufrecht stehender großer Anker aus dem 19. Jahrhundert zu finden.
Tom hat das Riff selber mit Kreislaufgerät bis –115 Meter erkundet. Ab 60 Meter erwarten riesige Gorgonien in unterschiedlichen Farben mit Durchmessern von bis zu 3 Metern die Besucher im völlig unberührten Ambiente. Nur wenige haben das bisher mit eigenen Augen gesehen und sprachlos verinnerlicht. Schwarze Korallen, so groß wie Birken, das sind weitere Highlights für Mischgas– oder Rebreathertaucher. An diese Spots gelangt man mit Scootern, die allgemein von den Gästen des Orca Diveclubs Coral Garden gerne gebucht werden.
Jetzt im Juli und August ist keine Hochsaison, aber das junge Leben, der unendliche, kleine Fischnachwuchs belebt das Riff und die abgesetzten Blöcke. Muränen verstecken sich hinter Vorhängen von Glasbarschen, während sie sich von den Putzergarnelen renovieren lassen. Seit Tom hier verantwortlich ist, hat er eine Menge für naturnahe Attraktionen getan.
Tonamphoren aus dem Baumarkt sorgen für geschützte Areale für den Fischnachwuchs. Kleine Metallpyramiden erlauben die Ansiedlung von Hart– und Weichkorallen.
Ein 8 Meter langer Tunnel, sie nennen ihn auch Garage, ist bereits kräftig von Korallen besiedelt, das nach nur 5 Jahren. Tonröhren bieten weitere geschützte Plätze, die die Entwicklung des Fischnachwuchses und der Artenvielfalt an diesem künstlichen Riff weiter unterstützt.
Und was ich neben vielem anderen im Riff zu sehen bekam, hat mich begeistert. Ob es die drei Schildkröten waren, ein Adlerrochen, die Schwärme von Füsilieren, die Goldstriemenschnapper, Krokodilfische, Steinfische, Octopusse, Muränen, Blaupunktrochen, Kalmare, Anemonenfische, Thunfische, Trompetenfische und, und, und, nicht zu vergessen die vielen unterschiedlichen Steinkorallen. Das hat einfach Spaß gemacht.
Grundsätzlich bietet das Riff auch Leopardstechrochen, Federschwanzstechrochen und auch die seltenen Bogenmaul – Gitarrenrochen.
Sogar Walhaie wurden schon zweimal gesichtet und immer wieder auch Anglerfische.
Genießen Sie die vielen Fotoimpressionen aus dem Hausriff von Coral Garden Diveclubs in der umfangreichen Galerie zu dieser Story. Alle Aufnahmen sind neu und zur Reportage produziert worden. Nehmen Sie eine Lampe mit auf Ihren Tauchgang, denn nur dann haben Sie auch die Chance, die vielen Farben der Fauna und Flora selbst zu erleben, die hier stellvertretend durch das Blitzlicht der UW-Kamera entfesselt wurden.
Die Basis
Der gesamte, großzügige Basisbereich ist beschattet, auch die Becken zum Spülen des Equipments. Für die kalte Jahreszeit gibt es warme Duschen im Sanitärbereich.
Man tritt sich nicht auf die Füße und das Gästeequipment findet auch bei voller Auslastung mit 60 Tauchern locker Platz. Stahl- und Aluflaschen unterschiedlicher Volumina sind vorbereitet, auch für die jüngsten Tauchgäste.
Sehr bequem sind die Bänke, die zum Anlegen der Ausrüstung zur Verfügung stehen. Wie auf Tauchbooten sind die Flaschen in halbrunden Halterungen ausgerichtet und mit flexiblen Straps gesichert. Unter der Bank ist Platz für die Ausrüstungsbox und die Sitzhöhe wurde von Tom so ermittelt, dass man aufgerödelt und mit Blei beschwert dennoch bequem aufstehen kann.
Der Weg zum gekennzeichneten Einstieg ins Hausriff ist nicht weit.
Für Gäste mit Problemen, das tauchfertige Gerät mit Blei selbst auf dem Rücken zum Startpunkt zu tragen, gibt es spezielle Karren, auf denen Mitarbeiter der Basis das Equipment zum Einstieg rollen. Sie können dann alles im Wasser anziehen.
Nach dem Tauchgang wundern Sie sich nicht, hier wird Ihnen der Tank von den Kompressorboys vom Rücken abgenommen und entsprechend erleichtert spazieren Sie zu Ihrem Platz in der Basis.
Personell betreuen Sie zwei Tauchlehrer und drei Divemaster zur Begleitung der Tauchaus- und Weiterbildung und als versierte Guides, die Ihnen das Riff wirklich hautnah bringen.
Das Tauchen mit Scootern können Sie hier erlernen oder mit entsprechendem Brevet Scooter für eigene Aktivitäten leihen. Das spricht vor allem Sporttaucher an, die das Hausriff bis 40 Meter Tiefe erkunden möchten und natürlich die Mischgas- und Rebreathertaucher, auf dem Weg in eine unglaublich schöne Unterwasserwelt jenseits der Sporttauchgrenzen.
Fazit
Rundum beeindruckt habe ich das Orca Diveclubs Resort Coral Garden durch den Haupteingang verlassen. Rundum „Daumen hoch“. Nur eine Frage bleibt: Warum war ich nicht schon früher an dieser außergewöhnlichen Tauchdestination in Ägypten?
https://www.orca-diveclubs.com/orca-resorts/orca-coral-garden/
Michael Goldschmidt