Liebe Leserinnen und Leser,
heute blicke ich um ¼ Jahrhundert zurück und wer nach PISA Probleme mit dem Bruchrechnen hat, auf einen Zeitraum von 25 Jahren. In einer Jahreszahl ausgedrückt auf 1998. Es gab noch kein iPhone, dafür den legendären „Knochen“ S2 von Siemens, mit dem man angesichts des bis dato dürftig ausgebauten Mobilfunknetzes viel Geld für extra abgerechnete Telefonate sparen konnte, denn die Funklöcher waren im ländlichen Bereich nahezu flächendeckend. Nach heutiger Währung kostete ein privater Mobilfunkvertrag im „modernen“ D – Netz gut € 50,-, Gespräche wurden extra berechnet, sie waren der Goldstaub der ersten Mobilfunkanbieter.
Rückblickend kaum zu glauben, dass ich 1998, als gerade mal aus dem BTX Angebot der heute Telekom getauften Gesellschaft ein INTERNET wurde, allen Ernstes und voll überzeugt die Entscheidung traf, das erste Online Tauchsportmagazin, die UnterWasserWelt, für deutschsprachige Leser zu entwickeln und wirklich am 1.1.1999 ins Netz zu stellen.
Wir, unser engagiertes Team aus Autoren, Organisatoren und technischen Helfern, machten das ohne Investoren, irgendwelches Kapital von außen, UnterWasserWelt war und ist bis heute unbeeinflusst von finanzieller Verantwortung und Interessen Dritter. Ich danke allen begeisterten Mitstreitern.
Hasardiert habe ich dabei nie, denn es war mir klar, dass das Internet in der medialen Landschaft eine Führungsrolle übernehmen wird. Da behielt ich Recht und wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Das Sprichwort hat sich ohne Wenn und Aber auch im digitalen Umfeld bewahrheitet.
Während die tauchsportrelevanten Printmedien ein paar Jahre über die UnterWasserWelt eher lächelten, bis sie von ihren Herausgebern dringend aufgefordert wurden, eigene Onlinepräsenzen zu schaffen, konnte unsere Redaktion neue Inhaltsformate entwickeln, die „ganz unauffällig“ dann von den Prints kopiert und als innovativ beschrieben in die Monatshefte einflossen. Nur, ihnen ging redaktionell rasch der Atem aus, die geklauten Ideen verschwanden unauffällig wieder aus den Heften und wir konnten in Ruhe weiter inhaltlich kreativ weiterarbeiten.
Dass bei einem Möchtegern – Marktführer der Printmagazine die Nerven blank lagen und deren Herausgeber der UnterWasserWelt einen Killervirus auf die Redaktionsrechner schicken ließ, davon überzeugt, das würde uns auf ewig aus dem Netz fegen, diese Rechnung ging nicht auf. Die forensische Untersuchung der gekillten Festplatten bei VOGON ergab eindeutige Ergebnisse, von wo der Virus kam, aus der fränkischen Metropole. Das ist Geschichte, der Verantwortliche musste sich bereits von allem irdischen verabschieden. Sein Magazin wurde zudem vom ehemaligen Zielobjekt seiner Konkurrenz auf nimmer Wiedersehen verschluckt.
Es gab viele denkwürdige Ereignisse in diesen 25 Jahren, die den Tauchsport berührten. Ob es die Abschiede waren von den persönlich bekannten Größen der Szene, von Jaques Cousteau, Hans Hass, Prof. Max Hahn, von Weggefährten und Freunden oder der bis dahin gewaltigste Tsunami, der am 26. Dezember, dem zweiten Weihnachtsfeiertag 2004 die Welt erschütterte und rund 230.000 Opfer forderte. In erster Linie war Thailand betroffen, aber auch die Malediven wurden nicht verschont. Also klassische Ziele von Tauchern, die die Weihnachtsfeiertage gerne für tropische Unterwasseraktivitäten nutzen.
Die Nachricht erreichte mich beim festlichen Mittagessen mit Freunden. Gänsebraten, Knödel und Rotkraut blieben auf meinem Teller fast unangetastet, ich vertauschte Esstisch mit Schreibtisch, fuhr im Büro die Rechner hoch, um bei den Agenturen zu recherchieren und um eine erste Meldung im Magazin online zu stellen.
UnterWasserWelt berichtete über Tage exklusiv in der Szene der Tauchsportmedien über das verheerende Unglück, unsere Redaktion war als einzige aktiv. Da meldete sich Roger Winter (Roger Tours) bei uns und bot an, direkt von Thailand berichten zu können. Sein Sohn sei vor Ort mit einer Tauchgruppe, die sich auf einen Hügel vor den Wassermassen retten konnte. So erhielten wir täglich mehrere Updates, die sofort veröffentlicht wurden. Das ganze über ein Mobiltelefon, mit dessen Akku sehr sorgfältig umgegangen werden musste, dann das Ladegerät war mitsamt der Hütte von Rogers Sohn in Strandnähe weggespült worden.
Die wohl einschneidenste Veränderung erfuhr der Tauchsport während der Pandemiejahre. Da blieb kein Stein auf dem anderen, der Trip ans Rote Meer war so utopisch wie ein Flug zum Mond. Das hinterließ Spuren. Nicht wenige hängten nach 2,3 Jahren der Restriktionen von Fernreisen ihr Hobby Tauchen an den Nagel. Das wäre für viele ohnehin etwas später zum Thema geworden, denn es ist kein Geheimnis, dass die Tauchszene überaltert ist. So hat Corona lediglich den Ausstieg vorziehen lassen.
Als ich Ende 1998 UnterWasserWelt vorbereitete, war ich noch ein ganz normaler Sporttaucher. Pressluft im Tank und halbtrocken in unseren Seen unterwegs. Im Winter wurde pausiert. Dann kam erst ein Trockentauchanzug, ein Nitroxbrevet, später die Ausbildung zum technischen Taucher und zum Mischgastaucher. Ein Scooter gehörte schon länger zur Ausrüstung. Und dann die große Leidenschaft nach entsprechenden Ausbildungen, das Freitauchen.
Nein ich habe nichts ausgelassen, was das Thema Tauchen betrifft und habe mir alles intensiv auf die Haut kommen lassen. Ich liebe Wracktauchgänge mehr als bunte Fische gucken, habe unendlich viele UW-Fotos produziert, die das Magazin illustrieren oder von Kunden angekauft wurden. So manche Motive gibt es nicht mehr, weil die Natur zuschlug (Gozo) oder weil sie aus dem Wasser entfernt wurden (Attersee). Was mich nicht begeistert ist das Tauchen mit Kreislaufgeräten und in Höhlen. Dazu fehlt mir einfach die Zeit, mich intensiv damit zu beschäftigen. Es muss auch einmal gut sein.
Innovativ war UnterWasserWelt von Anfang an. Auf der Suche nach neuen Themen fand ich erste Ansätze in USA für das Mermaiding. Nixen, Meerjungfrauen haben wir als erste redaktionell vorgestellt, portraitiert und der Szene zugeführt. Heute sind Mermaids keine Einzelerscheinung mehr, es gibt das entsprechende Equipment zu kaufen und selbst Ausbildungsorganisationen bieten Mermaiding – Kurse an.
Unter dem Motto innovativ war auch unser weiteres Magazin Dive & Dine – feines Tauchen und feines Essen. Es entsprach meinen zwei Leidenschaften, dem Tauchen und dem Kochen. Es machte viel Freude, aber auch viel Arbeit, zu viel, so dass nach 15 Ausgaben mit den Portraits von Köchen und Restaurants, dieses Magazin behutsam ausgeblendet wurde. Aber sag niemals nie….
Ich bin dankbar für all die Taucherlebnisse in Deutschland und weltweit. Ich hatte das große Glück, beruflich an Destinationen gekommen zu sein, die für „normale“ Taucher unerreichbar sind. Ob es eine Braunalgenfarm in der offenen Nordsee ist, die von Hummern bewohnten Felsen vor Helgoland, die Robben vor Monterey / Kalifornien, die nachtdunkle Pier von Santa Barbara, die Meeresschildkröten vor Sangalaki, die Haie vor Walkers Key (Bahamas) mit Dr. Erich Ritter, Apnoe Tieftauchrekorde von Benjamin Franz im Attersee und im Roten Meer. Da gäbe es noch einiges mehr.
Zum Schluss, ich war Stiftungsbeirat der Turtle Foundation, die sich anfänglich für die Niststrände der Meeresschildkröten auf der Insel Sangalaki / Indonesien einsetzte und ihr Schutzprogramm mittlerweile weit ausgedehnt hat.
Gibt es zu einem Rückblick wie diesem auch einen Blick in die Zukunft? Queen und Freddie Mercury haben es in Musik und Worte verpackt: The Show Must Go On. Darauf lege ich großen Wert.
Liebe Leserinnen und Leser, danke für Ihre langjährige Treue, feiern Sie ein freudvolles Weihnachten, kommen Sie mit positiven Gedanken ins Jahr 2024.
Herzlichst, Ihr
Michael Goldschmidt