Editorial Dezember 2020

Ein Abschied, der nicht schwer fällt

Liebe Leserinnen und Leser,

viele sitzen auf dem Trockenen zum Zeitpunkt, zu dem ich dieses Editorial schreibe. Nebenbei höre ich Musik aus Afrika, da sitzen viele Menschen anders auf dem Trockenen, haben keinen Internetzugang. Ich schweife ab, denn auch der zähe Nebel, seit Tagen rund um die Redaktion – noch nicht mal prosaisch wabernd, einfach nur stur und statisch – einhüllend, begrenzt den freien Flug der Gedanken.

Die Gedanken sind frei. Ich wäre gerne ein Gedanke. Dann hätte ich wieder meine Freiheit. Und – ich bräuchte da draußen auch nicht so viel Platz, keinen Parkplatz, selbst an den ewig verschwiegenen Geheimplätzen der Natur wie Seezugängen oder Bergwanderpfaden, die „plötzlich und unerwartet“ – genieße lokal – von Tagesausflüglern überrannt werden, die sich zu vernünftigen Zeiten großräumig verteilten. Auch wenn aktuell ein politischer Trick, hoch lebe der große bayerische Politoberguru, die Skisaison eher unfreiwillig in eine Erholungsphase der kunstschneebeschossenen Natur mutieren lässt, kann mir das nicht gefallen. Und das sage ich als Nichtskifahrer. Ja, das gibt’s auch in Bayern.

Ich solidarisiere mich mit allen Freizeitsportlern, angewiesen auf Schwimmbäder oder Sportanlagen, die dank der Politik seit März quasi ins Gras beißen dürfen. Ausgegrenzt. Ihrer sportorientierten gemeinsamen Trainingsmöglichkeiten bis auf grad mal 3 Wochen im Oktober beraubt.

Die Vereine haben anerkannte Hygienekonzepte erstellt, trotzdem wurden sie lange ausgeschlossen, das Training etwa im Schwimmbad wieder aufzunehmen. Ich kann mir über diese Situation ein Urteil erlauben in München, als Mitglied in zwei Tauchclubs.

Der eine Tauchclub ist von Anfang an nicht im BLTV / VDST organisiert, verzichtet auf gartenzwergartige Gängelung und diffuse Fördergelder. Es ist ein eingetragener Verein, der wohl die coolste Trainingslocation in München anzubieten hat, das 5 Meter tiefe Sprungbecken im Olympiabad. Das ist nicht grad billig für den Club, die Mitgliedsbeiträge sind etwas höher, aber alles rundum stimmt. Ein engagierter Trainer ist aktiv und auch Apnoetraining ist intensiv möglich. Und, Hut ab, der Club fand sogar eine Trainingsmöglichkeit für die Mitglieder in der Zeit, in der noch keine Vereine ins Olympiabad zurückkehren konnten.

Der andere Tauchclub, BLTV/VDST Mitglied, vertrocknete mit der Schließung des Hallenbads im März. Gott gegeben gab man sich hin, was von der hohen Politik verordnet wurde, das wurde auch warnend an die Mitglieder weitervermittelt. Da habe ich mir von einem Vereinscapo doch mehr erwartet, außer die Hände in den Schoß zu legen und vielleicht eine Kerze anzuzünden, dass sich die Zeiten ändern mögen. Das muss wohl zu Zeiten der Pest auch so abgegangen sein. Räucherkerzen waren da hoch im Kurs.

Und dann das Kontrastprogramm

Training im Olympiabad mit Hygienekonzept tadellos und nur ein wenig anders organisiert, was die Hygieneabstände der Teilnehmer sicherstellte, über die gesamte angemietete Wasserfläche. Ein Genuss für leider nur 3 Wochen.

Das Training im BLTV/VDST Verein, ja, nun, ein Witz. Der Vorstand wollte den bei der Stadt München dafür verantwortlichen Sachbearbeiterinnen zunächst nicht vermitteln, dass die Wasserfläche entsprechend 4 Bahnen angemietet sei und ein tauchsportliches Training auf nur einer zugebilligten Bahn nicht sehr sinnvoll wäre. Da musste erst intern im Club Druck gemacht werden und zwei statt 4 Bahnen sollten als Erfolg gefeiert werden. Und dann das wunderbare Trainingskonzept: Im Kreis Schwimmtauchen. Mit Abstand. Nach 10 Minuten verließ ich das Seepferdchenreiten nach Art von Ponyreiten auf dem Jahrmarkt. In einer Satire möchte ich wenn schon die Hauptrolle spielen und die Regie übernehmen, aber kein Nebendarsteller sein.

Ich habe mich verrannt. Sorry. Eigentlich wollte ich nur einen Vergleich skizzieren. Nur auf mein Bayern und seinen so wunderbaren Politikern, Verwaltungsbeamten und sonstigen Schwätzern bezogen.

Mit Schneekanonen präparierte Pisten sind nachweislich extrem naturschädigend. Das ist aber voll akzeptiert, denn rundherum wird da für den Staat (Steuern, Abgaben usw.) viel Geld verdient. Als Taucher haben wir in Bayern unzählige Ausschlussverfahren hinzunehmen. An uns verdient der Staat ja nichts. Vorschlag: Anstatt mit Flossen genießen wir alle Gewässer, in denen das Tauchen verboten ist, diese wenigstens mit einem Snowbord an den Füßen. Dann sind wir Wintersportler, die eine große Lobby genießen. Und wenns mit dem Snowboard nicht so flutscht beim Tauchen, da hilft ein Scooter weiter. Elektrisch betrieben, da kann doch heute keiner mehr was dagegen haben.

Liebe Leserinnen und Leser,

ich verabschiede mich hier in ein hoffentlich geistig gesünderes und intellektuell vernünftigeres Jahr 2021. Was uns allen abverlangt wurde und wird, mit einem hohen Anteil von vorauseilendem Gehorsam und den Ergebnissen politisch zielloser Dynamik, weckt einen dringlichen Wunsch in mir: Selber denken und sich nicht fernsteuern lassen.

Beim Tauchen wäre der Verlust des selber Denkens und die Überlassung von Entscheidungen an andere schlicht tödlich. Spätestens bei einer Ausbildung zum Technischen oder Trimix Taucher lernt man das. Dies sollte vielleicht auch ein verpflichtendes Kursangebot für Entscheidungen tragen wollende Politiker sein. (Ich fürchte, die überleben das nicht.)

Ich danke Ihnen allen für die kraftvolle Treue als Leser unseres Magazins. Trotz allem haben wir auch 2020 in allen Ebenen deutlich Leser und User hinzugewonnen. Mit unserem Redaktionsteam wünsche ich Ihnen entspannende Feiertage und einen hoffnungsfrohen Rutsch nach 2021. Bleiben sie mutig auf Ihrem Weg, schauen sie wie immer auf sich und genießen Sie Ihr Leben und Ihre Tauchgänge.

Herzlichst, Ihr

 

Michael Goldschmidt