Editorial Juni 2019

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

vor ein paar Tagen hatte ich Gelegenheit mal wieder an etwas Neuem zu schnuppern. Böse Stimmen mögen sagen, ich hätte als Journalist mal wieder irgendwo meine Nase reingesteckt. Wie auch immer, die Falle schnappte nicht zu und die Nase ist noch dran. Womit ich mich bis dato thematisch eher nebenher beschäftigte, ist das Thema der Unterwasser – Archäologie. Und damit wurde ich praktisch vor der Haustür am Attersee mal hautnah konfrontiert.

Im Verlauf der Messe boot 2019 in Düsseldorf nahm alles seinen Anfang. Gut 800 Kilometer von Oberösterreich und dem Attersee entfernt wurde mir der Geschäftsführer des Tourismusverband Attersee / Attergau vorgestellt, der mich persönlich in die neuesten Unterwasserattraktionen im Attersee einführte und eine Einladung aussprach, bei der offiziellen Vorstellung zugegen zu sein inklusive geführter Tauchgänge zu den neuhistorisch musealen Einrichtungen. Spontan und gerne sagte ich zu.

Ende Mai war es dann soweit, eine unterwasserhistorisch interessierte Gemeinschaft traf sich zum ausführlichen Infoabend in Nussdorf am Attersee, um über das Projekt Pfahlbauten umfassend informiert zu werden. Natürlich waren auch Fachleute der deutschsprachigen Unterwasser – Archäologieszene anwesend, was mir zunächst den Eindruck vermittelte, dass wir hier als Magazin auf ein publizistisch kaum berücksichtigtes Thema reagieren könnten, denn spannend ist die Sache allemal.

Am nächsten Tag ergab sich beim Mittagessen mit drei Experten die Gelegenheit, das Interesse an unterwasserachäologischen Beiträgen anzusprechen. Natürlich hatte ich eine spontan positive Antwort erwartet, indessen kam es anders.

Der intellektuelle Komiker Karl Valentin (1882 – 1948) schuf einmal diesen dazu passenden Satz: Mögen hätten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut.

Das wurde mir verklausuliert so vermittelt.

Nun, die Szene der Unterwasserarchäologen ist nicht sehr groß, dazu jene, die sich auf historische Wrackfunde spezialisierte, noch kleiner. Und nicht alle haben eine diesbezügliche akademische Ausbildung genossen. Da gibt es durchaus hochspezialisierte Quereinsteiger, die hier sehr engagiert einem Hobby nachgehen.

Wer Archäologie studiert, hat eher spärliche Aussichten auf eine Festanstellung mit geregeltem Einkommen und entsprechend übersichtlicher Lebensplanung. Es gibt ein paar Institute sowie staatliche Einrichtungen und Museen, die personellen Bedarf haben. Wie stets im Leben möchte dann der eine oder andere die vielmals eher dröge und vom Verwaltungsalltag beherrschte Arbeitszeit denn doch dazu nutzen, sich als (der) Fachmann ins Gespräch zu bringen, der Kraft seiner Festanstellung eine führende Position reklamiert. Und dieses Grüppchen hält salopp gesprochen den Daumen drauf, was als Forschungsergebnisse von Hobbyspezialisten oder freischaffenden Archäologen – viele akademische Altertumsforscher sind tatsächlich nur befristet für bestimmte Projekte engagiert – veröffentlicht werden kann oder darf.

So hält man sich eher bedeckt, sucht keine Öffentlichkeit darüber zu berichten, was man auf dem Grund von Flüssen, Seen und Meeren an Überresten historischer Wracks gefunden hat und welche spannenden Geschichten uns diese Funde erzählen können. Wenn das, was publiziert wird, dem Guru nicht gefällt, stehen Konsequenzen im Raum, die niemand an sich erfahren möchte. Klar geht es um Geld, nicht sehr viel, um übersichtliche Fördermittel, die die Eigenkosten neutralisieren, die Genehmigung zu Tauchgängen in reglementierten Gebieten.

Jetzt hat in Österreich das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, zusammen mit der der Region Attersee / Attergau das Projekt Pfahlbauten mit € 219.392,61 (davon EU Förderung € 153.574,83) finanziert. Was wir hier an drei Tauchplätzen im Attersee als einzigartiges Museum ertauchen können, weckt sicher bei einigen das Interesse, selbst eine entsprechende archäologische Laufbahn als Akademiker oder Freizeiterfüllung zu ergreifen. Und das wird dann auch wieder nur in verstaubten Zirkeln kommuniziert.

Wieder was gelernt…..

Herzliche Grüße, Ihr

Michael Goldschmidt