In einer Quizshow würde der Name des kleinen Sees eine falsche Antwort geradezu herausfordern, fragte man nach der Lage des Urisee. Ohne lange nachzudenken käme als Antwort: In der Schweiz. Völlig falsch. Oberhalb von Reutte in Tirol, nur wenige Kilometer von Füssen im bayerischen Allgäu entfernt, finden wir uns wieder. Wäre nicht ein Bergrücken im Weg, könnte man direkt in den Hof von König Ludwigs Märchenschloss Neuschwanstein sehen.
Was es am auf 930 Meter hoch gelegenen Urisee nicht mehr gibt, ist der Hotelbetrieb mit Restaurant und Tauchbasis. Das 1976 errichtete Gebäude wurde vor einigen Jahren verkauft und in seiner Nutzung gründlich umgewidmet. Wenn Taucher männlichen Geschlechts abseits der Unterwasseraktivitäten nach weiterer Unterhaltung und Ablenkung suchen, die Damen im Saunaclub finden sicher eine Lösung.
Der Urisee war besonders bekannt für die Eistauchspezials, die vom Hotel- und Basisbetreiber angeboten wurden und schon ein Jahr vorher ausgebucht waren. Das Thema ist also vom Tisch. Aber bereits zum Zeitpunkt unseres ersten Besuchs war feststellbar, dass der Service für die Tauchgäste stark eingeschränkt worden war. Fuhr man einige Jahre die Ausrüstung von der Basis zum Einstieg mit einem kleinen Traktor und speziellem Anhänger voraus, sodass die Taucher eine Wanderung entlang des Ufers unbeschwert hinter sich bringen konnten, war das auch für uns nicht mehr gegeben. Eher fadenscheinige Ausreden begründeten das. Egal, darüber müssen wir uns heute den Kopf nicht mehr zerbrechen.
Der See
Maximal 50 Taucher können pro Tag den See besuchen. Überwacht wird dies durch den Verkauf der Tauchgenehmigungen.
Ein wenig Sportlichkeit ist gefragt, denn es sind ein paar Meter bis zum gewählten Einstieg, die nur zu Fuß absolviert werden können. Eine Handkarre im Tauchgepäck schadet nicht. Üblicherweise wandern die Taucher in voller Montur vom Parkplatz am ehemaligen Hotel hinunter und wieder hinauf. Gerade der Rückweg ist auf den letzten Metern ein gutes Training für die Oberschenkelmuskulatur.
Der Namenspate für eine Figur, die den Urisee international charakterisiert, ist der Tauchlehrer „Michl“, der den Reiz der Gegend zunächst als Kellner im Hotelrestaurant kennen lernte, den Betrieb verließ um eine Laufbahn im Tauchsportbusiness anzustreben und als Tauchlehrer zurückkehrte. Nach ihm ist eine im Tiroler Stil geschnitzte Holzfigur benannt, die mit mächtigem Wurzelwerk in 9 Metern Tiefe im See steht und manch unbedarften Taucher schon einen Schauer über den Rücken jagte. Michl oder Uri, beide Namen sind geläufig für das Wahrzeichen des Sees, das natürlich ein typisches Fotomotiv abgibt.
Stabile Plattformen in Tiefen von 4, 10 und 20 Metern unterstützen die Freiwasserausbildung ideal und machen den Urisee auch zu einem bevorzugten Ziel von Tauchschulen, die überwiegend am Wochenende dort tätig sind. Individuelle Tauchgäste müssen dabei aber nicht fürchten, dass durch den Tauchschulbetrieb die Qualität des Sees beeinträchtigt würde.
Im hinteren Teil entdeckt man am Nordufer eine versunkene Holztreppe, die einmal der Seezugang für die Gäste der Badeanstalt war. Doch das ist Vergangenheit, denn das Wasserniveau hat sich immer wieder verändert. Je nach Niederschlagsmenge kann sich das Niveau um 2,3 Meter nach oben und dnach unten verändern. Ein am Ufer verankertes Rohr dient dazu, bei zu hohem Wasserstand die überflüssige Wassermenge im See abzuleiten und nicht, was man vielleicht irrtümlich annehmen könnte, irgendetwas in den See zu leiten.
Der Kessel des Sees entstand durch massive Ausspülung des Untergrunds durch natürliche Quellen und Grundwasser. Der zeitgeschichtlich eher junge See bildete sich nach dem Einbruch des Waldbodens, der Kessel füllte sich und bedeckte so auch einige Bäume, die heute noch in Tiefen um 20 Metern mit zahlreichem Astwerk gefunden werden.
Tauchen
Die Wasserfläche ist groß genug für Gruppen von Tauchschülern und Tauchgästen. Vier Einstiege haben sich herausgebildet, wobei zwei als kurze Wege zu den Ausbildungsplattformen dienen, einer führt am Südostufer an die kleine Steilwand und ein weiterer im Nordwesten direkt zum „Michl“. Solange keine Badebetrieb ist, kann man auch den Seezugang an der Badeanstalt nutzen und dort die versunkenen Uferbefestigungen und die alte Badetreppe inspizieren.
Eine Eigenart der Natur teilt den Urisee von außen unbemerkt in zwei Becken mit Maximaltiefen von 23 und 36 Metern. Quer durch die Seemitte hat sich ein Damm gebildet, der bis auf 4 – 6 Metern Tiefe aufsteigt und auch „Urifalle“ genannt wird. Taucht man in Tiefen von mehr als 6 Metern am Seerand entlang, gelangt man nie in den hinteren Teil des Sees, sondern umrundet nur den vorderen Kessel. Also muss man den Kompass beobachten und bei entsprechender Abweichung vom Kurs in geringere Tiefe aufsteigen und den bis zu 20 Meter breiten Damm überqueren.
Die Sichtweiten im See sind zumeist sehr ordentlich, können aber natürlich schwanken, wenn Regen Sediment ins Wasser spült. Wir erlebten stellenweise selbst bis etwa 8 Meter Sicht, und das obwohl sich immer wieder kräftige Niederschläge in den See ergossen.
Die Kleiderordnung verlangt nach einem Trockentauchanzug oder einem guten Halbtrockenen, damit die Erkundung des Bergsees richtig Spaß macht. Unsere Instrumente registrierten eine Wassertemperatur von 9° C in Tiefen bis 15 Metern. Im Sommer ist das Oberflächenwasser natürlich wärmer, aber Sprungschichten schaffen dann rasch Abkühlung.
Die Landschaft unter Wasser ist bestimmt durch kiesige Hänge, die von weichem Sediment überzogen sind. Krautiger Bewuchs ist spärlich anzutreffen. Bei niedrigem Wasserstand verlandet eine im Nordostteil des Sees befindliche Bucht, die mit 2 – 3 Metern Tiefe gute Bedingungen für den Wuchs von Wasserpflanzen bietet und somit auch einen schönen Tauchplatz darstellt.
Bei den Unterwasserstreifzügen stößt man auf Baumstämme, die in die Tiefe weisen, Astwerk, das aktuell von dichten Schleiern Krötenlaich behängt war, große Muscheln und Reste versunkener Vegetation des einstigen Waldes. Beim Fischbesatz muss nachgeholfen werden, einzig die kleinen Sonnenbarsche fühlen sich langfristig im Urisee richtig zuhause und finden genügend Nahrung, um sich zu vermehren. Forellen, Spiegelkarpfen, Schleien und Saiblinge werden eingesetzt und an ihnen erfreuen sich Taucher und angelnde Gäste gleichermaßen. Es gibt hier auch keine Konkurrenz zwischen Tauchern und Anglern.
Fotografen kommen im See auch auf ihre Kosten, wobei die Verwendung von Weitwinkelobjektiven oder gar einem Fisheye besonders zu empfehlen ist. Dann kann man auch Taucher mit ins Bild setzen und zusammen mit Astwerk oder Baumstämmen fotografieren. Das Tageslicht hat bis in Tiefen von 15 Metern ausreichende Wirkung, so dass man bei einer Empfindlichkeit von 24° ISO / ASA noch mit Mischlicht arbeiten kann.
Apres Dive
Um die Entspannung perfekt zu machen genügt eine kurze Fahrt um den Bergrücken, der die Sicht auf das Schloss Neuschwanstein verhindert, nach 20 Minuten ist man in Schwangau, im bayerischen Allgäu und nicht mehr im österreichischen Tirol. Dort empfängt die „Königliche Kristall – Therme“ mit einem großen Wellnessangebot seine Gäste. Entspannende Thermalbecken, Strömungsbecken und Massagedüsen verwöhnen – immer auch mit einem Blick auf das Schloss des Märchenkönigs. Der edle Glanz des sagenumwobenen Monarchen findet sich auch in den Räumen der Therme wieder. Besonders der Saunabereich und das Dampfbad entführen in eine andere Welt.
Fazit
Ob für ein Wochenende oder ein paar Tage mehr, der Urisee bietet Tauchern aller Ausbildungsstufen reizvolle Möglichkeiten zur Erholung. Tauchschulen profitieren von den unter Wasser verankerten Plattformen, auf denen in unterschiedlichen Tiefen die notwendigen Übungen gemacht werden.
Kontakt / Info
https://www.reutte.com/erleben/am-und-im-wasser/tauchen/urisee/
Tauchgenehmigung, Telefonnummer +43 (0)676 3413240 oder per mail unter info@joyce-reutte.at und im Strandbad Urisee, 6600 Reutte in Tirol, Urisee 8
Michael Goldschmidt