Namibia ist ein Land mit vielen Gesichtern und ein Traumziel für alle Natur- und Tierliebhaber. Unser Abenteuer begann im Lake Otjikoto, im Lake Guinas geht es nun weiter, vielleicht sogar zum Eingang in ein riesiges Unterwasser – Höhlensystems.
Unser afrikanisches Abenteuer unter Wasser geht in die nächste Runde. Im Garten des Hotels in der Stadt Tzumeb hat Chris seine mobile Füllstation aufgebaut. Es wird Zeit die Gase für morgen vorzubereiten. Einstimmig beschliessen wir morgen nicht zum Lake Otjikoto zurückzukehren. Wir wollen stattdessen zum Lake Guinas fahren. Vielleicht sind die Bedingungen dort besser.
Ein neuer Tag in Namibia bricht an. Bis zum Lake Guinas beträgt die Fahrtzeit 40 Minuten. Im Gegensatz zum Lake Otjikoto liegt Lake Guinas auf Privatgelände. Das heisst wir müssen zuerst zum Haupthaus fahren, um uns anzumelden. Auf der Farm sehen wir Felder, die uns mit ihrem saftigen, intensiven Grün sprachlos machen. In den letzten Tagen haben wir hellen und roten Sand, trockenes Gras, kahle Büsche und Bäume und sonst nichts gesehen. Es ist kaum zu glauben, dass das hier Afrika ist.
Die Farmerfamilie begrüsst uns freundlich. Völlig unbürokratisch erhalten wir die Erlaubnis in ihrem See zu tauchen. Die Strasse zum See ist sehr steil und sehr schlecht, sie ist selbst für unsere Geländewagen eine Herausforderung. Die Form des Lake Guinas ist etwas ovaler als die des Lake Otjikoto. Beide Seen sind von einer 10 bis 15 Meter hohen Steilwand umgeben. Das könnte unter anderem daran liegen, dass hier gerade der Winter zu Ende geht und es drei Monate nicht geregnet hat. Der tiefe Wasserstand hat zur Folge, dass wir die Ausrüstung über einige Treppen in die Nähe der Einstiegsstelle tragen müssen.
Von der Oberfläche kann man schon erkennen, dass die Sichtweiten hier sehr gut sein müssen. Das Wasser sieht sehr blau aus, fast wie m Meer.
Ein erster Erkundungstauchgang bestätigt, dass die Bedingungen fantastisch sind. Das Wasser ist durchgehend 24°C warm. Die Sichtweite bewegt sich zwischen 20 und 25 Metern. Der See ist viel grösser als er aussieht. Unter Wasser fallen die Wände schräg nach hinten weg. Dadurch erinnert der See in seiner Form fast an einen umgedrehten Pilz. Die Wände leuchten in wunderschönem Rot, Blau und Gelb. Es gibt viele Fische, die hier endemisch sein sollen. Es ist ein kleines Paradies.
Auf diesem ersten Tauchgang erkunden wir den See bis in eine Tiefe von 60 Metern. Aus dieser Tiefe ist der Boden nicht zu erkennen. Der See soll eine Tiefe von maximal 137 Metern haben. Und es gibt angeblich drei Unterwasser – Berge. Auch diese haben wir nicht gesehen. Dafür haben wir in einer Tiefe von 38 Metern eine Spalte gefunden.
Tom ist hineingetaucht und hat einen Gang entdeckt, dem er bis auf eine Tiefe von 58 Metern gefolgt ist. Vom Eingang in 38 Meter Tiefe bis auf 48 Meter Tiefe gab es eine alte Leine. Tom hat diese heute um 10 Meter verlängert. Ein vielversprechender Start.
Tom und Stefan machen noch einen weiteren Tauchgang. Sie wechseln das Trimix um dem Gang weiter nach unten folgen zu können. Ihr Ziel ist weitere 40 Meter Leine im Tunnel zu verlegen.
Ich sitze am Ufer und warte gespannt auf ihre Rückkehr. Guinas, dieser Ort in Namibia ist besonders. Es herrscht eine beruhigende Stille, man hört ein paar Vögel singen, einen Hahn krähen und das leise Rauschen des Wassers, das an drei Seiten des Sees durch dicke Rohre aus dem See gepumpt wird.
Es ist 17 Uhr, Stefan ist zurück vom 2. Tauchgang, Tom hat noch 37 Minuten Deko auf der Uhr. Sie haben das Ziel erreicht! 100 Meter Leine sind nun in der Höhle verlegt. Und Stefan hat noch eine fantastische Entdeckung gemacht, er glaubt der See wird wahrscheinlich von einem unterirdischen Fluss gespeist, er hat eine Strömung gespürt. Was für ein erfolgreicher erster Tauchtag in Lake Guinas. Für uns steht fest, dass wir hier weitermachen und erstmal nicht zum Lake Otjikoto zurückkehren werden.
Am zweiten Tauchtag in Lake Guinas planen wir nur einen langen Tauchgang. Tom und Stefan haben 100 Meter Leine präpariert und wollen diese heute in der Höhle verlegen. Ihre Gesamttauchzeit wird fünf Stunden betragen.
Ich werde heute mit Jörg tauchen. Wir planen einen drei Stunden Tauchgang. Tom hat gestern in der Höhle auf ca. 50 bis 60 Meter Tiefe ein Feld mit Knochen entdeckt. Meine Aufgabe heute wird es sein, dieses Feld zu finden und die Knochen zu fotografieren.
Um zur Einstiegsstelle zu kommen, müssen wir die Ausrüstung 60 Stufen über schmale Leitern mit teilweise nicht sicheren Geländern nach unten transportieren. Am Einstieg gelangen wir durch einen Sprung aus 2 Meter Höhe ins Wasser. Für den Ausstieg befestigen Artem und Julio eine Leiter am Felsen
Leider hat mein Tauchpartner einen Gasverlust aus seinem Trimixtank. Es hat nur noch 45 bar in seiner Flasche, als wir den Tauchgang beginnen. Es wäre zu gefährlich, damit in die Höhle zu tauchen. Wir werden stattdessen die Wände im See nach weiteren Spalten absuchen und schauen, was wir sonst noch entdecken können. Aus Sicherheitsgründen wird unsere maximale Tauchtiefe nur 40 Meter betragen. Die Knochen müssen bis morgen warten.
Die Unterwasserwelt des Lake Guinas ist überwältigend. Wir haben wieder mehr als 20 Meter Sichtweite und das Wasser ist warm und tiefblau. Man fühlt sich fast wie in einem Aquarium. Ich bin tief beeindruckt. Am Ende unseres Tauchgangs finden wir in fünf bis 10 Meter Wassertiefe, unter einem Felsenvorsprung, noch grosse Stalaktiten. Jörg und ich beenden unseren Tauchgang nach gut zwei Stunden.
Tom und Stefan beenden ihren Tauchgang erst zwei Stunden nach uns. Sie waren auch heute sehr erfolgreich. Tom konnte weitere 70 Meter Leine verlegen. Insgesamt liegen mit den 40 Metern vom Höhleneingang bis in 48 Meter Tiefe, die Nuno Gomes 2012 dort verlegt hat, jetzt 200 Meter Leine in diesem Gang der Höhle. Dabei haben Tom und Stefan eine Tiefe von maximal 110 Meter Tiefe erreicht. Dort endet dieser Gang für uns Taucher. Doch er sind zwei weitere schmale Spalten zu erkennen die weiter gehen. Sie sind jedoch so eng, dass es für uns unmöglich sein wird ihnen weiter zu folgen.
Auch dieser zweite Expeditionstag in Lake Guinas war sehr erfolgreich.
Den letzten Expeditionstag am Lake Guinas wollen wir nutzen, um die versteinerten Knochen und Eierschalen zu dokumentieren, die nach Toms Aussage den Höhlenboden im Tiefenbereich zwischen 40 und 65 Meter Tiefe bedecken. Damit nichts schiefgeht werde ich heute mit Tom tauchen. Wir planen als maximale Tiefe 70 Meter. Alles funktioniert nach Plan.
Wir bleiben 60 Minuten in der Höhle. Ich kann nicht genug bekommen. Es ist so spannend die Knochen und alles andere zu fotografieren. Auch die Höhle selbst und die vielen Farben, die das Licht unserer Lampen sichtbar macht, sind beeindruckend. Zurück im See liegen 150 Minuten Deko vor mir.
Irgendwann treffen wir Jörg und Stefan. Die beiden wollten heute nach der tiefsten Stelle im See suchen. Sie sind bis auf eine Tiefe von 104 Metern vorgedrungen. Die Sicht am Grund war nicht gut. Chris hatte uns erzählt, dass es am Grund einen Eingang zu einem Tunnel geben soll, der weiter in die Tiefe führt. Leider haben Stefan und Jörg den heute nicht entdecken können. Trotzdem war auch dieser dritte Expeditionstag am Lake Guinas ein voller Erfolg.
Nicht erst seit heute ist klar, dass wir erst am Anfang stehen. Tom vermutet, dass wir hier am Eingang eines riesigen Höhlensystems stehen, das sich vor den mexikanischen Höhlen nicht verstecken muss. Wir werden sehen, ob er Recht hat.
Der Plan ist im nächsten Jahr wieder zu kommen und weiterzumachen.
Chris hat einige der versteinerten Knochen Fragmente in Südafrika auf ihr Alter untersuchen lassen. Das Ergebnis war, dass es sich hier um tierische Knochen handelt, die zwischen ein bis fünf Millionen Jahre alt sind. Das hat mir nach meiner Rückkehr nach Hause auch Nuno Gomes bestätigt, der 2012 ebenfalls das Alter seiner Fundstücke bestimmen liess.
Die Corona Pandemie verhinderte unsere Rückkehr nach Namibia 2020. Erst im Sommer 2022 bekamen wir erneut die Gelegenheit zum Höhlentauchen in Namibia. Doch das ist eine andere Geschichte, Fortsetzung folgt….
Sabine Kerkau