Ägypten, Thailand, Malediven, alles sind traumhafte Tauchdestinationen dieser Erde. Aber warum in die Ferne schweifen, denn unsere heimischen Tauchgewässer haben einiges zu bieten, auch wenn viele Taucher dies noch nicht wahrgenommen haben. Als Wessis machten wir uns auf in den Osten nach Halle in Sachsen-Anhalt. Von dort erreicht man drei auch in den alten Bundesländern mittlerweile bekannteren Tauchgewässer. Erstaunlicherweise waren wir jedes Mal die einzigen am und unter Wasser, von daher Luxus pur und freies Feld für die UW-Kamera.
Bei meiner Recherche auf diversen Internetseiten und in einigen Büchern, die sich im Laufe der Zeit angesammelt haben, kam eine beachtliche Liste interessanter Seen zusammen, für die ich mir gleich mal ein paar belustigende Blicke meines Reisebegleiters einfing. Wenn Frau für drei Tage plant, fährt Mann zwei Wochen in Urlaub…..
Kulkwitzer See
Nach ca. 470 km entspannter Anfahrt führt der erste Weg zum Kulkwitzer See am Rand von Leipzig. Wir lassen uns vom Navi zur Adresse leiten, die in der Website der Basis des Tauchsportfachgeschäfts Delphin angegeben ist. Am Ziel weisen zwar Hinweisschilder zur Tauchschule, aber wo ist sie? Ein Fußmarsch entlang des Ufers findet an einem Gittertor sein Ende, das mit einer dicken Kette verschlossen ist. Dahinter ist die Basis. Erst zurück am Auto entdecken wir Neptuns Dreizack, der den Weg weist. Nennen wir es eine unaufdringliche Information.
Der Zugang zur Basis erfolgt über den dortigen Campingplatz (Seestraße 1, Leipzig). Es wird eine Gebühr von € 4,50 pro Person und € 9,50 pro Person mit Fahrzeug für die Zufahrt zur Basis und die Benutzung der Toiletten verlangt.
Direkt am See stehen wir nun vor dem einladend und freundlich gestaltete Basisgebäude mit überdachter Terrasse, die auch bei schlechtem Wetter Unterschlupf bietet. Dazu gehört eine Liegewiese und geteerte Flächen zum Zusammenbauen der Ausrüstung. Eigentlich heißt es, die Basis sei personell immer besetzt. Wir finden aber nur eine wasserdicht verpackte Mobilnummer an der Eingangstüre. Um sicher zu gehen, dass keine gesonderte Anmeldung bezüglich des Tauchens benötigt wird, rufe ich an. Nein, wir brauchen nichts, haben alles dabei, nein, der Gesprächspartner am anderen Ende der drahtlosen Leitung muss nicht vorbeikommen. Das wäre also auch erledigt.
Der Zugang zum See erfolgt über eine gepflasterte, wohl ehemalige Slipanlage, die in einer schwimmenden Plattform mündet. Das gefällt mir. Tauchschüler werden hier langsam an das Freiwasser herangeführt und ausgebildete Taucher schätzen diesen bequemen Einstieg mit Geländer. Das Anziehen der Flossen, der abschließende Partnercheck, eine sauber abgelegte UW-Kamera, das hat was.
Aber jetzt ab ins kühle Nass, das recht klar vor uns liegt. Bei etwa 9 Meter Wassertiefe (der Kulki ist maximal 35 Meter tief) tauchen wir über ebenmäßigen, krautigen Bewuchs. Ein paar Barsche und Hechte tummeln sich in den Pflanzen. Wir passieren zwei große Plattformen mit unterschiedlichen Ebenen, die uns eine Weile als Fotostudio dienen. Für Unterwasserfotografen bietet dieser Tauchplatz einiges an Motiven mit einem Model vor der Kamera, ein Fisheye hinter dem Domeport ist eine besonders empfehlenswerte Brennweite. Allerdings muss man das Glück haben, hier alleine agieren zu können.
Nach etwa einer Stunde haben wir im großen Radius den Platz für mein Kälteempfinden in den Fingern ausreichend erkundet. Im Logbuch wird vermerkt: 9. April 2012, Wetter – bedeckt nach Regen, Sichtweite 8 – 10 Meter, mittlere Temperatur 8°C.
Die rund 45 Kilometer zum Hotel Atlas in Halle werden größtenteils auf bestens ausgebauten Autobahnen zurückgelegt. Das Hotel – Kategorie 3 Sterne – können wir durchaus empfehlen. Die Zimmer sind sauber, nicht sehr groß, W-Lan ist kostenlos, das Frühstück kann sich sehen lassen und die Mitarbeiter sind freundlich. Auch wenn es in der Website des Hotels anders klingt, das wirkliche Zentrum ist doch noch etwas entfernt. Am Marktplatz (Taxifahrt kostet etwa € 10,-) gibt es eine Reihe von Restaurants. Uns wurde das griechische Lokal „Hermes“ empfohlen. Und diesen Tipp geben wir gerne weiter, zwei Abende haben wir die ausgezeichnete Küche und den netten Service ausgiebig getestet.
Gützer Berg
Am Morgen des zweiten Tages fahren wir etwa 30 Kilometer zum Steinbruchsee Gützer Berg. Nun, das klingt geradlinig und unkompliziert. Wenn unsere im Osten ansässigen Autoren immer recht locker von ihren Seen schreiben, dann ist ihnen die oft rätselhaft verwunschene Anfahrt zu den Gewässern so geläufig, dass sie keine Sekunde darüber nachdenken, dass ein Wessi, selbst mit modernster Navigationstechnik durchaus nicht in der Lage ist, auf anhieb und geradlinig zum Ziel zu kommen.
Ich hatte bei der Vorbereitung der Reise recherchiert, dass wir den Schlüssel zum Basisgelände des dort ansässigen Tauchclub Delfin bei einem Partner der Basis abholen könnten. Die angegebene Adresse wird in der Datenbank des Navis nur relativ genau gefunden, weil es im Osten eben noch viele „unerforschte“ Seitenwege und Stichstraßen zu abseits gelegenen Gehöften gibt, die wohl schon seit 50 Jahren in keinem Kartenmaterial aufgetaucht waren. Wozu auch, Fremde kamen da nicht hin und Ortsansässige wussten ohnehin, wo es lang geht.
Als wir endlich vor einem ziemlich unbewohnten Haus nahe des Steinbruchsees ankommen, zuletzt über eine gerade mal wagenbreite, schnurgerade Schlagloch – Staubpiste, die auch im tiefsten Afrika hätte sein können – wäre nicht parallel davon und nur 5 Meter entfernt eine ungesicherte ICE – Strecke die einen gehörigen Schrecken einjagte, als im Rückspiegel ein heranrasender Zug ausgemacht wurde, als wir also endlich dort gelandet sind, macht das Anwesen nicht den Eindruck, als gäbe es dort Leben, einen Ansprechpartner, wie wir ihn uns in unseren normalen Vorstellungen so ausmalen. Verschiedene verwitterte Verkehrsschilder mit Zusatztafeln, die die Lebensgefährlichkeit an diesem Ort zu verweilen ausdrücken, machen wenig Hoffnung, hier an der richtigen Stelle zu sein. Ein paar Hühner treiben sich zwischen baufälligem Ambiente herum, vor einem Hund wird gewarnt. Eine Türklingel gibt es nicht. Doch wir bleiben nicht unentdeckt. Ein großes weißes Auto fährt hier nicht jeden Tag vor und der Bewohner des Hauses, im geschätzten Alter 70+ in Begleitung eines ebensolchen Hundes kommt zurückhaltend, östlich misstrauisch auf uns zu. Nicht unfreundlich, aber sehr bedacht darauf, nichts von sich preis zu geben. Hm, eigentlich sehen wir nicht so aus, als seien wir Mitarbeiter einer Stasi – Nachfolgeorganisation. Das Gespräch kommt langsam in Gang man tastet sich ab und nach einer Weile fängt das Eis an zu schmelzen. Passend zum sonnigen Wetter, das uns heute begleitet. Und dann ist es so weit, wir sind akzeptiert und werden zum Basisgelände geführt.
Der dort ansässige Tauchclub Delphin – Halle verfügt über ein großzügiges Gelände oberhalb des Sees, gut geeignet zum Zusammenbauen der Ausrüstung, Grillen und gemütlichem Beisammensein zwischen den Tauchgängen. Die vorhandenen Übernachtungsmöglichkeiten kann ich nach Augenschein nur wirklich hartgesottenen Tauchern empfehlen: Mehrbettzimmer mit Gemeinschaftswaschräumen. Nach Auskunft vor Ort, wird zur Zeit aber renoviert.
Der Abstieg zum See erfolgt über eine ordentlich betonierte, aber auch recht steile, lange Treppe mit Geländer. Hier muss durchaus gesagt werden, dass nur trittsichere und konditionell trainierte Taucher sich deshalb für diesen Tauchplatz entscheiden sollten. Der Einstieg in den kesselartigen See selbst ist eben und die anfängliche Mühsal lohnt sich, denn wir werden mit einer traumhaften Sicht, Hechten, schönem Bewuchs und der für die örtlichen Steinbrüche typischen Steilwand, bis maximal 15 Meter Tauchtiefe belohnt. Zudem wurde diverser Schnickschnack, wie ein Tisch mit Stuhl oder ein Einkaufswagen fürs Unterwassershopping versenkt. Es gibt auch noch einige Relikte aus der aktiven Zeit des Steinbruchs zu finden. Insgesamt kann man hier zwei bis drei Tauchgänge veranschlagen, in deren Verlauf man sich einen Gesamteindruck von der Unterwasserwelt des Steinbruchsee Gützer Berg macht.
Nach dem anschließenden Aufstieg ist mir dann auch nicht mehr kalt und wir machen uns auf den Weg zum nächsten See, oder besser gesagt den nächsten drei Steinbruchseen von Löbejün.
Aber zunächst noch der Logbucheintrag: 10. April 2012, Wetter – Sonne, 14°C , Sichtweite 8 – 10 Meter, mittlere Temperatur 8°C.
Löbejün
Auch hier gestaltet sich die Navigation zum See als Schnitzeljagd. Hinweisschilder sind großzügig gesprochen Mangelware, aber glücklicherweise erhalten wir auch außerhalb der Sprechzeiten durch den „Freund und Helfer“ bei der örtlichen Polizeistation eine Wegbeschreibung, die dann im Gelände dennoch ein paar Fragen offen ließ.
Nach einer „lebensgefährlichen“ Anfahrt (lt. Hinweisschildern am Wegesrand) begrüßt uns Klaus Diersch, der Betreiber der Tauchbasis an den Taucherkesseln in Löbejün. Klaus weist uns zunächst in das Gelände ein.
Es gibt insgesamt drei Taucherkessel, die durch den Gesteinsabbau (Löbejüner Porphyr) entstanden sind. Die Einstiege der Kessel 1 und 3 sind für Jedermann zu bewältigen, Kessel 2 sollten sich nur trittsichere Taucher mit Alpinerfahrung zumuten. Die Tiefen der Kessel liegen zwischen 15 und 25 Metern. Es sind Reste alter Loren, Gleisanlagen, Hechte, Barsche, Störe, Rotfedern und natürlich wunderschöne Steilwände geboten..
Am Kessel 1 befindet sich die Tauchbasis mit Füllanlage, Tischen zum komfortablen Anziehen der Ausrüstung, ein paar Biergartengarnituren zum Verweilen und Dixitoiletten für dringende Bedürfnisse.
Nach einem anfänglichen Briefing entscheidet sich Klaus spontan, uns persönlich auf unserem Tauchgang im Kessel 1, direkt an der Basis zu guiden. Gleich am Einstieg steht ein juveniler Hecht, zwei Kröten waten über den Grund. Unser Tauchgang führt vorbei an alten Loren, Steintreppen, mystisch anmutenden Baumstämmen, einem in der Tiefe schwebend verankerten Hängegleiter und vielen weiteren Sehenswürdigkeiten. Und natürlich gibt es das obligatorische Pumpenhaus, denn die Steinbrüche mussten ja stets von eindringendem Grundwasser frei gehalten werden.. Das Tauchgangprofil ist einfach, 90% der Zeit verbringen wir in 17 Meter Tiefe über dem nahezu ebenen Boden des Kessels. Die Nachmittagssonne verleiht der mystischen Tiefe eine freundliche Note und der Führung durch Klaus ist verdankt, dass nicht einmal auf die Orientierung geachtet werden werden. Alle Fotomotive werden auf geradem Weg angesteuert.
Nach dem Tauchgang ist nur Klaus enttäuscht. Die Störe waren nicht zu finden.
So werden wir am nächsten Tag eine zweiten Tauchgang im Kessel 1 unternehmen müssen.
Doch bevor es zurück nach Halle geht, machen wir uns im Sonnenschein des Spätnachmittags noch einen Eindruck vom gesamten weitläufigen Areal rund um die drei Tauchkessel, das von Klaus hergerichtet wurde und gepflegt wird. Die Nutzung des Geländes durch Gäste wurde von Klaus anfangs recht liberal gehalten, leider missbrauchten dies immer wieder bestimmte Gruppen, die Müll hinterließen, bereitgestellte Tische und Bänke im Lagerfeuer verheizten. Schade, dass Vandalismus diese Freiheit eingrenzte.
Logbucheintrag: 10. April 2012, Wetter – Sonne, 17°C, Sichtweite 8 – 10 Meter, mittlere Temperatur 7°C.
Der nächste Tag verzichtet leider auf Sonnenschein, es regnet. Egal, die Störe warten, oder auch nicht. Klaus hat sich wieder als Guide für uns zur Verfügung gestellt, das nehmen wir gerne an. Wieder werden wir durch diese unglaublich mystische Unterwasserwelt geführt. Nach einiger Zeit entdecke ich ein graues Etwas im halbdunklen Grünzeug des Seegrundes. Ein Stör liegt genau vor uns. Da wir uns ruhig verhalten, wird er erst nach geraumer Zeit unruhig und schwimmt davon. Die Fotosession ist nicht einfach die Kamera hat in unter diesen Lichtverhältnissen Probleme scharf zu stellen. Im weiteren Verlauf des Tauchgangs, der nur den Stören gewidmet ist, sehen wir die Tiere noch einige Male, für mich ein wirklich eindrucksvolles Erlebnis.
Logbucheintrag: 11. April 2012, Wetter – Regen, 8°C, Sichtweite 8 – 10 Meter, mittlere Temperatur 7°C
Der kurze Ausflug nach Sachsen/Sachsen-Anhalt hatte etwas von einem Trip in eine andere Welt. Spannend. Diese Art von Kesselseen, die massiven Überbleibsel vom Gesteinsabbau in der DDR hat mich wieder einmal mehr davon überzeugt, nicht immer in die Ferne zu schweifen, sondern auch die deutschen Tauchgewässer zu schätzen und zu betauchen. Als Wessis werden wir gerne noch öfters den Spuren unserer Autoren aus den neuen Bundesländern folgen.
Löbejün: www.taucherkessel.com/
Gützer Berg: www.200bar.de/tauchen-deutschland/
Beitrag erstellt 4.2012