Wie die EJF feststellt, sind 275 Millionen Menschen für ihren Lebensunterhalt und ihre Ernährung auf gesunde Korallenriffe angewiesen. Doch Stressfaktoren wie steigende Temperaturen, Umweltverschmutzung und nicht nachhaltige Fischerei bedrohen die wertvollen Riffe weltweit.
Der neue Bericht der Environmental Justice Foundation (EJF) verdeutlicht die gravierenden Auswirkungen des Verlusts von Korallenriffen auf Küstengemeinden sowie auf die marine Biodiversität. Um das zu verhindern braucht es sofortige Maßnahmen für die Reduktion von Treibhausgasemissionen, das Ende zerstörerischer Fischereipraktiken sowie den wirksamen Schutz eines Drittels unserer Weltmeere.
Beeindruckende Artenvielfalt
Korallenriffe zählen zu den reichsten Ökosystemen der Welt: sie beherbergen schätzungsweise ein Viertel aller Meerestierarten und ihre überaus große Artenvielfalt konkurriert mit den mächtigen Regenwäldern der Erde. Darüber hinaus liefern sie Küstengemeinden Nah-rung, bieten Schutz vor Stürmen und unterstützen Fischerei und Tourismus.
Doch mit der Verschärfung der Klimakrise wird das empfindliche Gleichgewicht der für die Funktion der Riffe notwendigen Bedingungen gestört. Dies führt zu potenziell irreversiblen Schäden. So verlor beispielsweise allein im Jahr 2016 das Great Barrier Reef 30% seiner Korallen durch Korallenbleiche. Darüber hinaus sagte der Weltklimarat (IPCC) kürzlich voraus, dass bei einer globalen Erwärmung von 2 °C rund 99% der Korallen verloren gehen werden.
Drastische Auswirkungen für Küstengemeinden weltweit
Das Absterben von Korallenriffen hat nicht nur gravierende Auswirkungen auf die marinen Ökosysteme. Sechs Millionen Kleinfischer fischen derzeit in Riff-Gebieten und liefern Insel- und Küstengemeinschaften Nahrung und Einkommen. Der neue EJF-Bericht zeigt, dass es an vielen dieser Orte nur wenig Spielraum gibt, um sich dem Verlust der Riffe anzupassen, was alternative Nahrungsquellen und wirtschaftliche Möglichkeiten betrifft.
Der Funktionsverlust der Korallenriffe verschärft gleichzeitig die Bedrohungen derer, die den Auswirkungen der Klimakrise bereits stark ausgesetzt sind. Dies betrifft insbesondere die Bevölkerung kleiner Inselstaaten unter den Entwicklungsländern.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen von Überschwemmungs- und Sturmschäden, die durch den Verlust von Korallenriffen entstehen, sind erheblich. Denn Korallenriffe können zwi-schen 70 und 90% der Wellenenergie absorbieren und bilden somit eine natürliche Schutz-barriere. Bei einem Verlust von nur einem Meter Riff-Höhe würden sich die jährlichen finanziellen Schäden durch Überschwemmungen verdoppeln und die Schäden in Folge von Stürmen verdreifachen. In einem Zeitraum von nur 100 Jahren würden die Kosten von Hochwasserschäden um 91% steigen.
Auch der Tourismus, der für viele kleine Länder mit Riffen einen entscheidenden Teil der Wirtschaft darstellt, wird unter dem Verlust der Korallen leiden. Ein einziger Hammerhai kann während seiner gesamten Lebensdauer bis zu 1,6 Millionen US-Dollar aus den Einnah-men des Ökotourismus „erwirtschaften“, wie Untersuchungen in Costa Rica gezeigt haben. Weltweit wird der Wert des „Rifftourismus“ auf 9,6 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Folgen für Wissenschaft & Medizin
Die Bedeutung des Verlusts an Leben und Biodiversität reicht jedoch noch weiter. Über die Fischerei und den Tourismus hinaus ist die Artenvielfalt der Riffe die Quelle für lebenswich-tige Medikamente für den Menschen, die unter anderem zur Behandlung von Krebs, Alz-heimer und bakteriellen Infektionen eingesetzt werden.
Die Bedeutung der Korallenriffe für zukünftige Generationen ist bislang noch unbekannt; mit dem Verlust der Riffe wird sie vielleicht nie erforscht und ausgeschöpft werden können.
Maßnahmen für den Schutz der Korallen
Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken stehen uns schon heute einfache, kosteneffizi-ente und politisch umsetzbare Lösungen zur Verfügung.
Sofortige Maßnahmen zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens und somit zur Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 °C sind der erste entscheidende Schritt zur Rettung der Riffe. Bis 2030 ist ein vollständiger Übergang zu Netto-Null-Kohlenstoffemissionen in allen großen Industrieländern erforderlich, die mit einer umfassenden und zuverlässigen Versorgung mit erneuerbaren Energien einhergehen muss.
Darüber hinaus muss die illegale Fischerei sowie die globale Überfischung beendet werden, um die Widerstandsfähigkeit der Korallen gegen den Klimawandel zu erhöhen. Unsere Leitlinien für Transparenz in der globalen Fischereiindustrie umfassen zehn einfache, kosteneffiziente, logistisch und politisch umsetzbare Maßnahmen, die im Kampf gegen illegale und nicht nachhaltige Fischerei von entscheidender Bedeutung sind.
Schlussendlich bedarf es der wirksamen Bewirtschaftung und Kontrolle von Meeresschut-gbieten. Idealerweise sollten diese ein ausreichend großes Netzwerk bilden, das mindestens 30% der ökologisch repräsentativen Regionen unserer Meere und Ozeane abdeckt.
„Die Korallenriffe der Welt sind nicht nur eine lebenswichtige Nahrungs- und Einkommens-quelle für Millionen von Menschen. Sie sind die Heimat einer großen Vielfalt unersetzbarer Lebewesen. Wenn wir jetzt nicht handeln, um sie zu schützen, zerstören wir unsere Umwelt und verursachen damit gleichzeitig eine menschliche Tragödie.“
– Steve Trent, EJF-Geschäftsführer
Zahlen & Fakten
• Weltweit sind derzeit mehr als 75% aller Korallenriffe durch eine Kombination von Stressfaktoren wie der Klimakrise, Überfischung und zerstörerische Fischerei, Umweltverschmutzung und -Zerstörung bedroht.
• Im vergangenen Jahrhundert hat der durchschnittliche Säuregehalt der Ozeane um 26% zugenommen. Dies führt nicht nur zu einer Beeinträchtigung des Riff-Wachstums, sondern auch dazu, dass die vorhandenen Korallenskelette brüchig und anfälliger für Sturmschäden werden.
• Aktuell wird Überfischung als die größte unmittelbare Bedrohung für mindestens 55% der weltweiten Korallenriffe angesehen, jedoch mit der Erkenntnis, dass die Klimakrise auch ohne diese Probleme eine existenzielle Bedrohung darstellt.
• Zwischen der Gesundheit von Korallenriffen und dem Leben unter der Meeresoberfläche bestehen eindeutige Zusammenhänge: in Papua-Neuguinea führte bspw. der Ver-lust von Korallen über einen Zeitraum von acht Jahren zu einem Rückgang von 75% der Riff-Fischpopulationen.
Anna-Maria Grün