Wenn Haie in die Schlagzeilen kommen, dann verheißt das oft nichts Gutes. Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten – für die Medien, da lohnt es sich immer zu berichten. Vieles bleibt dabei aber unausgesprochen, weil nur an der Oberfläche der Wahrheit etwas gekratzt wird. Auch das Thema Haifütterung führt oft zu Kontroversen.
Sharkproject mit seinem Präsident Gehrhard Wegner versucht seit einigen Jahren mit starken Kampagnen erfolgreich das Image der Haie zu korrigieren. Eine Reihe von Schutzaktivitäten und wissenschaftliche Beobachtungen, sogar mit einem eigenen Forschungs – U-Boot, tragen dazu bei das Wissen über die führenden Raubhaie, vom Großen Weißen, über Tiger-, Bullen-, Zitronen oder Hammerhaie zu vertiefen.
Doch genau dieses Hintergrundwissen ist in den Köpfen vieler Anbieter von Haifütterungen und deren tauchenden Kunden kaum angekommen. Man bezieht sich in einer hastigen und oberflächlichen Epoche nur auf Schlagworte, versteht Haie als zu Kuscheltieren mutierte Sympathieträger und missachtet die Grundlagen einer sicheren Interaktion. So lange dabei nichts passiert, was Medieninteresse erweckt, gibt die Praxis den „Überlebenden“ Recht.
Fakt ist, dass Sharkproject die Problematik längst erkannt hat, die in Teilbereichen unaufmerksamer Betrachter der Meereswelt Fuß gefasst hat, der Hai an sich sei stets nur missverstanden worden und mit weit weniger Vorsicht zu genießen, als man annahm.
Davor warnt man mittlerweile auf der Website von Sharkproject, man muss sich nur dafür interessieren.
Haifütterung gefährlich?
UnterWasserWelt fragte bei Gerhard Wegner selbst nach, wollte die Ansichten von Sharkproject zum Thema Hai als Kuscheltier und Haifütterungen ausloten. Ausführlich und offen hat Gerhard Wegner dies gerne getan.
UWW: Sharkproject ist u.a. bekannt für seine eindrucksvolle Medienarbeit, die das Ansehen der Haie verbessern soll. Die Kampagnen können aber auch eine angeratene Vorsicht vergessen lassen, denn es ist wenig empfehlenswert, sich jenen Haien im Rahmen touristischer Fütterungsaktionen schutzlos unter Wasser zu nähern, die unbestritten das Potential haben, Menschen zu töten. Hat Sharkproject eventuell zu stark an einem „Kuschelimage“ gearbeitet?
GW: Wie immer nach einem Haiunfall schlagen die Wellen hoch und Haie werden wieder in den Medien zu Menschenfressern und Killern hochgepuscht. Zunächst einmal sollte man die „Kirche im Dorf lassen“, d.h. sich vergegenwärtigen, dass es weltweit pro Jahr nur 5-6 Tote durch Haiunfälle gibt und insgesamt nur 50-70 so genannter „Sharkattacks“ mit meistens nur Hautabschürfungen oder Sichtungen und nur ganz selten Bisse. D.h. jede Straße in Deutschland ist für Motorradfahrer weitaus gefährlicher als alle Haie der Welt zusammen für alle Wassersportler. Der Unfall des österreichischen Bahamas-Touristen, der dieser Tage durch die Presse ging, war im übrigen der erste Todesfall bei Haifütterungen in diesen Gewässern seit 25 Jahren. So zumindest die Information von George Burgess, dem Leiter des International shark attack file, Miami. Aber es stimmt, das Image der Haie beginnt sich zu verändern. Aus dem „Menschenfresser“ in unseren Köpfen wird ein „Kuscheltier“. Darin sind wir mit unserer Öffentlichkeitsarbeit nicht ganz unschuldig. Was wir nicht absehen konnten, war die Geschäftstüchtigkeit vieler Tauchbasen, die dadurch das Geschäft mit dem Hai entdeckt haben. Theoretisch kann man heute mit jeder Haiart der Welt tauchen –irgendeinen Anbieter gibt es sicherlich. Seien es Makohaie vor Kapstadt, Tigerhaie vor Umkomaas oder den Bahamas, Bullenhaie vor Kuba, Weißspitzen-Hochseehaie vor Ägypten oder Hammerhaie rund um Cocos – das heitere Haitauchen ist eröffnet. Unter den Anbietern gibt es verantwortungsvolle, erfahrene Guides aber auch Hallodris, die nur ein Ziel haben, diesen Reisetrend mit abzuschöpfen. Spricht man diese Leute darauf an, gibt es grundsätzlich eine Antwort :„ Es ist noch nie etwas passiert ! „ Regeln werden meist selbst zusammengeschustert oder irgendwo abgeschrieben und die Einweisung der Taucher erfolgt ohne Erfahrung. Es ist ja noch etwas passiert !! Wir haben schon vor über einem Jahr auf diese Entwicklung reagiert und zusammen mit weltweiten Haiexperten Empfehlungen für Haitauchen erstellt auf unserer Website veröffentlicht. www.sharkproject.org . Dies wird permanent erneuert und weitergeschrieben.
Eines ist jedoch klar. Tauchen mit Haien insbesondere wenn Futter im Wasser ist, bleibt immer ein Risiko. Das sollte jeder berücksichtigen, der sich zu einer solchen Reise anmeldet. Kein Anbieter der Welt kann eine Garantie übernehmen, dass nichts passiert. Fakt ist, dass sehr wenig passiert – das spricht für die potenzielle Ungefährlichkeit der Tiere für uns Menschen – gibt aber keinen Freifahrschein, dass nichts passieren kann. Das zeigt der Unfall auf den Bahamas sehr deutlich. Der Anbieter gilt als einer der erfahrensten und sicherheitsbewusstesten Anbieter weltweit. Aber auch er ist gegen einen Unfall und eine Verkettung unglücklicher Umstände nicht gefeit.
UWW: Wie positioniert sich Sharkproject allgemein zu Haifütterungs – Events?
GW. Schwierige Frage. Für uns ist das ein Spagat. Auf der einen Seite mussten wir schon sehr früh lernen, dass Natur- und Tierschutz nur funktioniert, wenn jemand daran verdient. Ökologiebewusstsein und Einsicht haben bisher noch kein Tier geschützt. So sind in Südafrika z.B. die Weißen Haie nur deshalb so streng geschützt, weil Käfigtauchen inzwischen ein 30 Millionen Dollar Unternehmen ist. Das Gleiche gilt im Moment für den aktuellen Aufstand gegen den Fischer der 8 Tigerhaie vor Umkomaas gefangen hat und auf dem Fischmarkt verkaufte. Auch das Tigerhai-Tauchen ist inzwischen ein großes Geschäft in dieser Region geworden. Gleichzeitig ist festzustellen, dass wenn Menschen mit Haien tauchen und richtig eingewiesen sind, diese Interaktion dazu führt, dass aus diesen Tauchern Haifreunde werden. Ansichten werden geändert und aus Thrillsüchtigen können Haischützer werden. Aber nur wenn – wie gesagt – das ganze Umfeld stimmt, Informationen vermittelt werden und die Tiere bzw. ihr Verhalten richtig erklärt werden. Und genau hier beginnen die Probleme. Denn oft ist es „nur“ ein Geschäft. D.h. es sollten möglichst viele Taucher möglichst hohe Gewinne erzielen. Neue Zielgruppen ist das Thema. Und das lockt Touristen und das lockt den Neid benachbarter Basen. So entstehen immer sehr viele Nachahmer, die einfach übernehmen ohne sich darüber Gedanken zu machen oder selbst Erfahrungen zu haben. Business steht hier ganz klar vor Ökologiebewusstsein und Neid oftmals vor eigener Erfahrung. Ein schönes Beispiel ist, dass andere Haireise-Anbieter sehr schnell über Jim Abernethy hergefallen sind, dessen Firma die Bahamasreise mit dem Haiunfall veranstaltete. Er musste sich sehr viel anhören – und das von Leuten, die weit weniger Erfahrung oder Sicherheit als er bieten und selbst auch schon Unfälle verursachten.
Aber wie gesagt, auf der einen Seite ist es ein Geschäft, das Haie schützt und auf der anderen Seite, ist es ein hohes Gefahrenpotenzial für das Image der Tiere. Wenn irgendwo etwas passiert, dann ist für die Öffentlichkeit immer gleich der Hai wieder das Monster. Also kontraproduktiv für unsere Überzeugungsarbeit.
So gesehen sind Haifütterungs-Events also für uns ein echter Spagat. Es ist und bleibt ein Risiko für jeden Teilnehmer. Für uns ist das Hauptproblem, dass viele der Teilnehmer einer solchen Reise den Respekt vor den Tieren verloren haben. Uns liegen Fotos und Filme vor, die unglaublich sind. So hängen sich Touristen an Flossen von Tigerhaien, fassen Weißspitzen-Hochseehaie an oder wie in Ägypten passiert, springen ins Wasser um diese Haie mit der Hand zu füttern. Oder es gibt Veranstalter, die Futter direkt vor die Schnorchler werfen oder mit der Hand füttern. Das ist pervers und zeugt von höchster Respektlosigkeit den Tieren gegenüber. Gegen solche Einstellungen und Praktiken sind wir aus tiefstem Herzen. Anbieter und Taucher, die Respekt haben bzw. Respekt vermitteln und sich dem Risiko einer Haifütterung bewusst sind, haben dagegen unsere volles Verständnis. Haie in der Natur zu erleben, ist ein unglaubliches Erlebnis, selbst wenn man dazu füttern muss.
UWW: Niemand käme auf die Idee, sich neben einem Nest von Klapperschlangen niederzulassen oder einem Tiger in freier Wildbahn die Pfote zu schütteln. Für Menschen potentiell gefährlichen Haien nähern sich aber Tauchtouristen mittlerweile bewusst ohne Schutz eines Käfigs. Vorfälle wie aktuell erfolgt sind vorprogrammiert. Solche Spektakel anzubieten und daran teilzunehmen halten wir von Seiten der Veranstalter wie auch deren Kunden für grob fahrlässig. Sollte eine Versicherung hier aufgrund selbst verschuldeter Umstände auf die Zahlung von Leistungen verzichten oder die Leistung einschränken, wäre das nachvollziehbar. Wie beurteilt Sharkproject das Gefährdungspotential bei Haifütterungen?
GW: Futter im Wasser ist eine der größten Risikofaktoren. Unsere U-Boot-Experimente in Südafrika im Auftrag des MCM zeigten deutlich, dass sich das Verhalten der Tiere komplett verändert sobald Futter im Wasser ist. Aus zunächst nur neugierigen aber schüchternen Tiere werden – sobald Futter im Wasser ist – Draufgänger, die das U-Boot angestoßen, gestreift und gebissen haben, um festzustellen um was es sich handelt. Dazu kommen weitere Faktoren, wie Irritation der Sinne z.B. schlechte Sicht, Geräusche etc oder auch Konkurrenz. Auch hier zeigten unsere Experimente, dass sich das Verhalten wiederum ändert, wenn noch ein Tier oder mehrere dazukommen. Weiterhin sind die Persönlichkeit der Tiere oder auch Konditionierung durch regelmäßige Fütterungen weitere Risikofaktoren.
Bei manchen Haifütterungen kommt all dies zusammen und das steigert das Risiko eines Haiunfalls. D.h. es muss nicht passieren aber die Wahrscheinlichkeit dafür steigt. Wie beim Autofahren auf Glatteis mit Sommerreifen. Siehe hierzu unsere Empfehlungen für Haitauchgänge. Für uns gibt es klare Ausschlussfaktoren, die jeder Haitaucher im eigenen Interesse berücksichtigen müsste. Hier nochmals ganz deutlich. Wir verstehen unter Haiunfällen auch das Berühren durch Haie bzw. Streifen und nicht nur Testbisse in Flossen oder Kameras oder gar echte Bisse. Es spricht für die „Ungefährlichkeit“ der Haie, dass trotz so viel Leichtsinn und Respektlosigkeit so wenig passiert. Aber jeder Haitourist sollte sich des Rest-Risikos bewusst sein. Ein wichtiges Hilfsmittel gegen Unfälle ist Respekt, Respekt vor spitzen Zähnen und Respekt vor dem erfolgreichsten Raubtier der Meere. Wenn man Respekt hat, wird man auf allzu Gefährliches freiwillig verzichten, selbst wenn der Guide tausend Mal versichert, dass „noch nie etwas passiert ist!“.
Das Interview führte Michael Goldschmidt – Fotos by Gerhard Wegner