Eintauchen ins Mittelalter: Lago Capo d`Acqua

Unvergessliches Taucherlebnis in Süditalien

Es ist kein Tagesausflug, etwa von München aus, 950 Kilometer sind es bis zum Lago Capo d`Acqua in den Abruzzen. Und es ist nicht ganz einfach, in dessen Nähe ein Quartier zu finden. Hier hat der Tourismus noch nicht Fuß gefasst, hier ist Italien ursprünglich und zum Teil sogar von Rom vergessen. Es sind Gegensätze, die das Leben und die Landschaft spiegeln. Vergangenheit und Gegenwart werden deutlich, schaut man ein wenig hinter die Mauern von Capestrano, der zum See nächstgelegenen Stadt.

Geschichtlich ist in der Gegend viel geboten. So wurden dort in Italien berühmte antike Statuen gefunden wie die des Kriegers von Capestrano aus dem 6. vorchristlichen Jahrhundert. Der Name des Sees Capo d`Acqua geht auf eine Ortsgründung aus normannischer Zeit zurück, etwa um das 10. Jahrhundert. Caput Acquae (Quelle des Flusses) war der Namensgeber. Ansiedlungen wurden bevorzugt an Quellen oder nahe an Bächen und Flüssen gegründet, Wasser war stets neben den Erträgen der Feldarbeit wichtigste Lebensgrundlage.

Das Dorf Capo d`Acqua gibt es nicht mehr. Und auch nicht die zwei Mühlen, die einst am Bach standen. Obwohl…

Es gibt gewollte Veränderungen und nicht gewollte. Nicht gewollt war das Erdbeben vom 6. April 2009, das auch viele Häuser in Capestrano beschädigte oder gar unbewohnbar machte. Der kleine Ort am Hang oberhalb des Sees wartet bis heute auf die vom damaligen Staatspräsidenten Berlusconi versprochenen Mittel, die dem Wiederaufbau dienen sollten. Auf den 140 Kilometern zwischen Rom und Capestrano versickerte jeder Euro in fremden Taschen.

Einer gewollten Veränderung verdanken wir den Lago Capo d`Acqua. Katze aus dem Sack, der See ist künstlich entstanden. Im Jahr 1965 entschied man sich, einen Damm zu bauen, der den Tireno ab der Quelle aufstaut, um tiefer gelegene Felder gesichert bewässern zu können. So etwas ging 1965 noch ziemlich einfach, heute wäre es wohl eine Mammutaufgabe, deren endgültige Bewilligung sich über Jahrzehnte hinziehen würde.

Also versank ein Teil des Örtchens im glasklaren Quellwasser, das mit 10°C aus dem unterirdischen Becken des Gran Sasso d’Italia sprudelt. Diese Temperatur ist rund ums Jahr konstant, wie auch die Wassertiefe von 8 Metern. Im Wesentlichen blieben die massiven Steinbauten zweier Mühlen übrig, die nun ein besonderes Tauchgangerlebnis im glasklaren Wasser des Lago Capo d`Acqua ermöglichen.

An dieser Stelle kann und muss ich Kritik üben, Lob und Tadel aussprechen. In Italien hat man es wirklich geschafft, dieses Kleinod für Taucher als solches zu bewahren, dank des Tauchclubs Atlantide, der den See gepachtet hat und nur begrenzte Tauchgenehmigungen verkauft, nur fürs Wochenende, mit begrenzter Anzahl von Teilnehmern und alles begleitet unter Wasser von Mitgliedern des Tauchclubs (der See ist eingezäunt und gute Infrastrukturen für Taucher sind vorhanden).

Schaue ich vor die Haustüre, ballen sich meine Fäuste, denke ich an den Echinger Weiher – ein ehemals glasklarer (künstlicher) See vor den nördlichen Toren von München, mit identischer Wasserstruktur und Tiefe, von einem Pächter nur gegen den Verkauf von Tauchgenehmigungen ohne Seeschutzauflagen verwaltet, von Tauchschulen missbraucht. Da ist die ehemals 100 Meter Sichtweite schon lange verschwunden, heute ist man um ein paar Meter dankbar.

Nun gut, das als Marginalie (Randbemerkung).

Und was erwartet mich nun im Lago Capo d`Acqua? Auf alle Fälle gesichert gleichbleibende Rahmenbedingungen für das mittelalterliche Taucherlebnis. Bei 10°C Wassertemperatur ist ein 5 – 7 mm Neoprenanzug der Dresscode, ein Trocki ist entbehrlich bei maximal 8 Meter Tauchtiefe.

Und jetzt ab unter Wasser. Nach dem Einstieg zieht man gemächlich durch das Flachwasser mit dichtem Pflanzenbewuchs und Schleimalgenschichten zum plötzlich glasklaren Ruinenbereich des Sees.

Da stockt schon der Atem, denn so schön und zauberhaft war das Unterwasserambiente nicht erwartet worden. Es wird ja immer viel erzählt und idealisiert. Im aktuellen Fall wurde eher untertrieben. Eine phantastische Fotokulisse wartet auf die Kamera und das Model.

Die Ruinenkulisse versank nach 1965 in dem als Wasserreserve der Gemeinde gefluteten Becken, gespeist aus Grundwasserquellen. Die Arbeiten hierfür hatten Mitte der 50er Jahre begonnen. Nach dem großen Blackout 2006, bei dem in Italien in weiten Teilen der Strom ausfiel, speist das vom See abfließende Wasser ein kleines Kraftwerk. Von hier wird die nähere Umgebung mit Strom versorgt.

Im Lago Capo d`Acqua zu tauchen, hat ein großes Erlebnispotential, auch für jene, die ohne Kamera unterwegs sind. Von Bögen und Brücken muss man sich fern halten, sie sind insgesamt labil, wie das Erdbeben von 2009 zeigte. Dabei stürzten einige malerische Gebäudefragmente ein. Das Durchtauchen ist deshalb in den Reglements deutlich untersagt. Es könnte akut etwas einstürzen oder die eingefangene Atemluft schafft in Hohlräumen ein kritisches Potential, Mauerwerk zu destabilisieren.

Aus dem Wasser ragen die Reste einer Farbenmanufaktur, die ebenfalls mittelalterlichen Ursprungs sind. Man muss von dieser hoch aufragenden Mauer einen ausreichenden Sicherheitsabstand einhalten.

Im hinteren Teil des maximal 8 Meter tiefen Sees, der stets frische 10°C hat, steht aus neuerer Zeit eine etwa 150 Zentimeter große Statue des Apostels Paulus. Üppiger Bewuchs bedeckt an vielen Stellen den Seeboden und mehr als mannshohe Wände schilfähnlicher Pflanzen reizen als Fotomotiv.

Wenigstens zwei Tauchgänge sollten möglich sein, um in Ruhe den größten Teil des Sees zu erkunden.

Den Ein-und Ausstieg erleichtert eine kleine Plattform mit seitlicher Rampe und Geländer.

Für das Aufrödeln und die Picknick – Pause zwischen den Tauchgängen findet man in der weitläufigen Uferzone eine Reihe von Tischen mit Bänken, teilweise sogar wind- und wettergeschützt unmittelbar am kleinen Holzhaus der Basis. Für Kids sind Spielgeräte aufgebaut und nasse Tauchausrüstung wird an Trockenstangen aufgehängt.

Seit 2004 hat die Tauchschule ATLANTIDE – www.atlantidesub.com – den See gepachtet und wickelt exklusiv den Betrieb ab. Zur Kommunikation mit Dante, dem Chef des Unternehmens, sind Italienischkenntnisse vorauszusetzen.

Fazit

Ja, es ist ein außergewöhnliches Erlebnis, das auch organisiert werden muss: Zeitfenster für die Tauchgenehmigung, Unterkunft. Da fliegen nicht die gebratenen Tauben eines Booking Portals in den Schnorchel. Aber es lohnt sich wirklich.

  Michael Goldschmidt