
Durch ein neues Verfahren im Zuchtprogramm der Weißgefleckten Glatthaie (Mustelus asterias), bei dem Proben mithilfe von Kiemenabstrichen entnommen werden, können mit einfachen Mitteln schonend hochkonzentrierte DNA-Proben analysiert werden.
„Für uns ist es von großer Bedeutung, die Verwandtschaftsbeziehungen der Tiere zu kennen. So können wir sicherstellen, dass die genetische Vielfalt im Zuchtprogramm gewahrt bleibt und Inzucht vermieden wird“, erklärt Dr. Nicole Kube, Kuratorin am Deutschen Meeresmuseum und europaweite Zuchtbuch-Koordinatorin für Glatthaie. Die genetische Vielfalt ist ein zentraler Faktor für die Anpassungsfähigkeit von Populationen. Je vielfältiger das Erbgut einer Art, desto besser kann sie sich an Umweltveränderungen anpassen. „Durch die Analyse können wir jetzt gezielter Tiere in Aquarien vermitteln, die genetisch gut ins Zuchtprogramm passen“, so Kube weiter.
Die am Deutschen Meeresmuseum gewonnenen Erkenntnisse sind ein wichtiger Schritt für die Nachzuchtprogramme bedrohter Haiarten, da sie auch bei anderen Spezies Anwendung finden könnten. Das Deutsche Meeresmuseum arbeitet hierfür eng mit anderen zoologischen Einrichtungen zusammen.
„Mit der DNA-Analyse konnten wir außerdem feststellen, dass alle Glatthaie im OZEANEUM und in anderen nord- und mitteleuropäischen Aquarien ausschließlich zur Art des Weißgefleckten Glatthais gehören, während in südeuropäischen Aquarien der Gewöhnliche Glatthai dominiert“, erläutert Masterstudentin Veronica Kalmykov, die im Rahmen ihrer Masterarbeit an der Universität Rostock einen Großteil des Gesamtbestandes in europäischen Aquarien untersucht hat. „Die Ergebnisse waren überraschend und es sollte zukünftig untersucht werden, ob sich diese räumliche Trennung auch in Wildpopulationen widerspiegelt.“ Da sich die beiden Arten äußerlich nur schwer unterscheiden lassen, ist der DNA-Test ein unverzichtbares Werkzeug, um diese Frage zu klären.
Haie spielen eine Schlüsselrolle in marinen Ökosystemen, jedoch sind sie zunehmend bedroht. Überfischung, Lebensraumverlust und Klimaveränderungen setzen den Beständen massiv zu. Auch Weißgefleckte Glatthaie sind betroffen und werden von der IUCN Red List als potenziell gefährdet eingestuft. Um einen Beitrag zu ihrem Schutz zu leisten, widmet sich das Deutsche Meeresmuseum weiter wissenschaftlichen Fragestellungen und einer koordinierten Nachzucht des Weißgefleckten Glatthais im europäischen Aquarienverband.
Die Familie der Glatthaie ist mit aktuell 46 bekannten Arten eine der artenreichsten innerhalb der Haie. Sie zählen zu den lebendgebärenden Haien. Weißgefleckte Glatthaie bringen nach einer Tragzeit von etwa acht bis zehn Monaten drei bis fünfzehn lebende Jungtiere mit einer Größe von circa 30 Zentimetern zur Welt. Sie zeigen kein elterliches Fürsorgeverhalten und überlassen ihren Nachwuchs nach der Geburt sofort sich selbst. Seit 2017 sind am Deutschen Meeresmuseum 30 Glatthaie im Rahmen des Zuchtprogramms geboren worden. Einige dieser Nachzuchten können im OZEANEUM im Becken „Offener Atlantik“ beobachtet werden.
Der Name Glatthai leitet sich von den Hautzähnen der Haie ab, die bei Glatthaien besonders klein sind, sodass die Tiere im Vergleich zu anderen Haien eine glatte Haut besitzen.
Weitere Informationen: www.deutsches-meeresmuseum.de
Almut Neumeister
Anke Neumeister/Deutsches Meeresmuseum