Eine unbekannte jedoch extrem bedrohte Delfinart, der La Plata-Delfin.
Wenn wir Menschen das Wort Delfin hören, denken wir zwangsläufig ans Meer. Die meisten Arten leben ja auch in den Ozeanen oder Meeren der Welt. Es gibt jedoch fünf Arten, die sich grundlegend von allen anderen unterscheiden und die aufgrund besonderer anatomischen Merkmale und ihrer Lebensweise in der Gruppe der Flussdelfine (Überfamilie Platanistoidea) zusammengefasst werden. Diese fünf Arten sind: der Ganges-Delfin (Platanista gangetica), der Indus-Delfin (Platanista minor), der Amazonas-Delfin (Inia geoffrensis), der Chinesische Flussdelfin (Lipotes vexillifer) und der La Plata-Delfin (Pontoporia blainvillei).
Alle fünf Arten verfügen über anatomische Gemeinsamkeiten, die sich im Laufe der Evolution in Anpassung an den Lebensraum Fluss entwickelten. Charakteristisch sind lange Schnäbel mit spitzen Zähnen, breite Flipper, bewegliche Nackenwirbel und kleine Augen. Der lange Schnabel ist besonders beim Fang der Beute wichtig.
Die populäre Bezeichnung für diese Delfingruppe – Flussdelfine – spiegelt den Lebensraum der Tiere wieder. Mit Ausnahme des La Plata-Delfins, dessen Lebensraum die Küstengebiete und Flussmündungen Südamerikas sind, leben die restlichen vier Arten ausschliesslich im Fluss.
Bedingt durch ihre geringe Verbreitung und dem empfindlichen Lebensraum gehören die Flussdelfine zu den meistbedrohten Tierarten dieses Planeten. Der Chinesische Flussdelfin, von dem schätzungsweise nur noch 50 Individuen leben, steht sogar kurz vor der Ausrottung. Staudämme und kontaminierte Gewässer entlang des Yang Tse Flusses wurden ihm zum Verhängnis. Auch der La Plata-Delfin, eine bisher noch relativ unbekannte Tierart, gerät mehr und mehr unter Druck. Es ist daher wichtig, so schnell wie möglich gezielte Schutzmassnahmen einzuleiten, um sein Überleben zu sichern. Seit über sieben Jahren arbeitet die Gesellschaft YAQU PACHA an der Rettung dieser Delfinart und unterstützt Schutzprojekte in Argentinien, Uruguay und Brasilien.
Allgemeines über die Biologie des La Plata-Delfins
Wie fast alle Flussdelfine besitzen La Plata-Delfine eine aussergewöhnlich lange Schnauze. Im Verhältnis zur Körperlänge ist dies die längste aller Delfine. Ihre Körperfarbe ist graubraun, wobei sie mit zunehmenden Alter immer heller wird. Die Flipper sind extrem breit und können in ihrer Weite bis zu einem Drittel der Körperlänge ausmachen. Die Finne ist abgerundet und im Verhältnis zu den anderen Flussdelfinarten relativ gut ausgebildet.
Obwohl zu den Flussdelfinen gehörend, ist der La Plata-Delfin eine überwiegend marine Art. Sein Verbreitungsgebiet beschränkt sich auf die Küstengebiete zentralatlantischer Gewässer Südamerikas von Espirito Santo, Brasilien (19° 37´ S) bis zur Halbinsel Valdez, Argentinien (42° 30´ S). Die Tiere bevorzugen flache Küstengewässer und werden selten in Wassertiefen von über 20 Metern gesehen.
Es handelt sich beim La Plata-Delfin um eine der kleinsten Cetaceenarten. Erwachsene männliche Tiere können bis zu 1,58 Meter lang werden, Weibchen werden etwas grösser und erreichen maximal 1,74 Meter. Ihr Durchschnittsgewicht liegt bei ca. 43 kg. Die durchschnittliche Lebenserwartung wird auf 15 Jahre geschätzt, wobei Untersuchungen an den Zähnen des bisher ältesten weiblichen Tieres ein Alter von 21 Jahren und beim ältesten Männchen 16 Jahre ergeben haben. Die Tragzeit der La Plata-Delfine beträgt ca. 10 bis 11 Monate. Die Kälber werden überwiegend in den Monaten von November bis Januar geboren und anschliessend ca. 9 Monate von der Mutter gesäugt. Ein zweijähriger Fortpflanzungszyklus weist auf eine schnelle Entwöhnung hin.
Vom Verhalten her sind La Plata-Delfine eher scheu und unauffällig und es fehlen die für viele Delfinarten typischen akrobatischen Sprünge. Sie leben in kleinen Gruppen von bis zu fünf Tieren, werden aber meistens nur als Einzeltiere gesichtet. Sowohl das unscheinbare Verhalten als auch die kleine Körpergrösse haben dazu beigetragen, dass diese Delfinart in der Natur selten beobachtet worden ist und so zu den unbekanntesten Cetaceen zählt. Relativ wenig ist über ihr Verhalten in der Natur bekannt. Auch die Haltung in Menschenobhut hat sich als problematisch erwiesen. Nur zwei Delfinarien in Argentinien haben es geschafft La Plata-Delfine zu halten. Dabei handelte es sich um gestrandete weibliche Individuen, wovon eines fast drei Jahre überlebt hat. Verhaltensbeobachtungen an diesen Tieren haben besonders eine Eigenart hervorgebracht: La Plata-Delfine schwimmen häufig auf dem Rücken oder auf der Seite liegend. Dieses Verhalten ist auch bei anderen Flussdelfinen beobachtet worden und wird mit dem Echoortungsverhalten der Tiere in Verbindung gebracht. Aufgrund der Ausstrahlungsrichtung der Echoortungs-Clicks (dorso-frontal) und der Nahrungssuche der Delfine, ist diese Schwimmposition äusserst sinnvoll um Beute auf dem Meeres- bzw. Flussboden aufzuspüren. Detaillierte Analysen der Lautäusserungen haben weiterhin gezeigt, dass La Plata-Delfine nicht über die typischen Pfeifflaute anderer Delfinarten verfügen.
Schätzung der Gesamtpopulation
Um das Ausmass der Bedrohung durch menschliche Einflüsse ermitteln zu können ist es zunächst wichtig festzustellen, wie viele La Plata-Delfine im gesamten Verbreitungsgebiet vorkommen. Es wurde bereits erwähnt, dass diese Tiere sehr schwer zu beobachten sind und daher eine genaue Zählung äusserst problematisch ist. Ungeachtet dieser Schwierigkeiten haben brasilianische Biologen mittels Flugzählungen ein kleines Areal im südlichen Atlantik gemustert und durch Extrapolation die Gesamtpopulation auf ca. 42.000 Individuen geschätzt.
Ausmaß der Gefährdung
Aufgrund der Tatsache, dass diese Delfinart überwiegend in Küstennähe lebt, ist sie besonders empfindlich gegenüber anthropogenen Einflüssen. Die zunehmende Verschmutzung der Gewässer durch toxische Chemikalien und die regionale Fischereiindustrie haben die Population in den letzten Jahrzehnten stark reduziert.
Besonders die Küstenfischerei und die dadurch bedingte hohe Anzahl an Beifangopfern ist besorgniserregend. Im allgemeinen werden La Plata-Delfine nicht gezielt wegen ihres Fleisches gejagt. Die registrierte hohe Mortalität entsteht überwiegend durch Beifänge, bei denen sich die Individuen während der Fischereioperationen in den Netzen verfangen. In den meisten Fällen können diese Tiere nicht mehr gerettet werden, da bis zum Einholen der Netze bis zu 24 Stunden vergehen. Diese Netze werden ca. drei Meilen von der Küste entfernt in etwa vier Meter Wassertiefe aufgestellt.
Erste Hinweise auf die unbeabsichtigte Tötung von La Plata-Delfinen stammen aus dem Jahre 1942 und wurden bei der Stellnetzfischerei nach Haien in Punta Diablo, Uruguay bemerkt. Obwohl seit dieser Zeit in Bezug auf die Beifangquote keine detaillierte Jahres-Statistik vorliegt, zeigen einige ältere Studien, dass besonders in den 70er Jahren die jährliche Fangrate von La Plata-Delfinen bei ca. 2.000 Exemplaren pro Jahr lag.
Aktuellere Untersuchungen aus Brasilien ergaben für bestimmte Areale eine Mindestzahl von 550 toten Delfinen pro Jahr, in anderen Gebieten wurden jährlich bis zu 1.500 Beifänge gezählt. Geht man davon aus, dass es insgesamt ca. 42.000 La Plata-Delfine gibt, würden diese Beifangwerte 1,1% bzw. 3,5% der Gesamtpopulation ausmachen. Gemäss der Bestimmungen des wissenschaftlichen Beirats der IWC (International Whaling Comission) sollte die Entwicklung von Populationen, bei denen eine Beifangquote von 1% vorliegt, sorgfältig überwacht werden. Bei Quoten von über 2% ist sogar anzunehmen, dass diese Population sich längerfristig nicht selbst erhalten kann. Aufgrund der bisher erhobenen Daten ist anzunehmen, dass die Gesamtpopulation der La Plata-Delfine sinkt und sich möglicherweise auch nicht erholen kann.
Ein weiterer Aspekt, der an dieser Stelle erwähnt werden muss und als Folge der intensiven und unkontrollierten Befischung zu interpretieren ist, betrifft die Nahrungsknappheit. Durch Überfischung seiner Beutefische wurde der La Plata-Delfin bereits aus einigen Arealen des ursprünglichen Verbreitungsgebietes vertrieben. In anderen Gebieten haben die Delfine aufgrund des Fehlens einiger ihrer Beutefische ihre Diät umstellen müssen.
Auch die Verschmutzung der Gewässer bleibt nicht ohne Folgen. Erste Untersuchungen an gestrandeten La Plata-Delfinen haben bereits gezeigt, dass in der Fettschicht und in bestimmten Organen hohe Konzentrationen von PCB und DDT festgestellt wurden. Es ist allgemein bekannt, dass diese halogenierten Kohlenwasserstoffe das Immunsystem von Cetaceen schwächen und letztendlich zum Tod der Tiere führen.
Die Projekte der Gesellschaft YAQU PACHA e.V.
Aufgrund der Tatsache, dass der La Plata-Delfin momentan die bedrohteste Delfinart in Südamerika ist, hat die Gesellschaft YAQU PACHA e.V. vor sieben Jahren Kontakt mit südamerikanischen Institutionen aufgenommen um gezielte Artenschutzstrategien zu entwickeln. Das erste Projekt welches von Deutschland aus unterstützt wurde befasste sich mit der Thematik der Küstenfischerei und des daraus resultierenden Beifangs von La Plata-Delfinen in Argentinien. Es folgten ähnliche Projekte in Brasilien und Uruguay. Heute unterstützt YAQU PACHA e.V. im gesamten Verbreitungsgebiet des La Plata-Delfins Wissenschaftler und Schutzprojekte, um diese Delfinart zu erhalten. Weiterhin hat YAQU PACHA durch die Mitfinanzierung von Tagungen und Veröffentlichungen dazu beigetragen, dass Wissenschaftler weltweit über die Gefährdung dieser Delfinart informiert wurden. Galt der La Plata-Delfin noch vor wenigen Jahren als unbekannte Tierart so wird er heute bei der CMS (Convention of Migratory Species) im Anhang I (bedrohte Tierart) geführt. Auch in Zukunft wird YAQU PACHA Projekte unterstützen, die dem Schutz dieser Tiere dienen. Da jedoch der langfristige Erfolg von Naturschutzstrategien nicht nur durch Gesetze und Regelungen gesichert werden kann, ist YAQU PACHA auch im Bereich der Umweltpädagogik aktiv. Ein erstes Projekt mit dem Ziel Fischer und Schulkinder über Delfine und ihren Gefährdung aufzuklären wird zur Zeit in Uruguay durchgeführt.
Spendenkonto
YAQU PACHA e.V.
IBAN: DE917605010100001141638
BIC: SSKNDE77XXX
Sparkasse Nürnberg
www.yaqupacha.org/tiere/la-plata-delfin.html
Dr. Lorenzo von Fersen