Glosse Nach der Messe ist vor der Messe?

Repräsentanten der führenden Hersteller sind zurückhaltend zufrieden mit dem Verlauf der InterDive in Friedrichshafen. Das Ziel der Messe, Händler anzusprechen, wurde erreicht, doch vielfach sind deren Lager noch zu voll, um entscheidend neu zu ordern.

Glosse Messe

Messe: Wer schon viele Jahre mit der Tauchsportszene eng verbunden ist, weiß um deren Zenit Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrtausends und um das Hinsteuern auf ein von einigen selbst zu verantwortendes kommerzielles Niveau, das nach Leberwurstsemmel und nicht mehr nach Lachsbrötchen schmeckt.

Da wären nun 30 Jahre Zeit gewesen, aktiv in vielen Bereichen zu reagieren, Marketing als für das Business wichtigste Grundlage zu begreifen. Leider fehlt dafür bei diversen Labels nach wie vor das Verständnis und so wird dort fast im Untergrund dahingewurschtelt.

Heute kann man nichts mehr Corona in die Schuhe schieben. Die Zeit hätte genutzt werden können und sollen, ein neues Lebensgefühl zu entfachen. Schaue ich auf die vielen Aktivitäten, die Gewässer- und Meeresschutz betreffen, wäre doch auch hier ein Ansatzpunkt zu nutzen gewesen, das Tauchen, egal in welcher Form, attraktiv zu machen im Sinne der Natur, sich selbst ein Bild zu machen und Teil der Unterwasserwelt zu werden. Die Organisationen waren auf der Messe vertreten, doch es ist nicht deren Aufgabe, Tauchsport zu verkaufen.

Es gibt ja noch die eine oder andere Messe, trösten sich die meisten, aber ist das ein Trost? Nicht eher ein Tröstungsversuch sich selbst gegenüber, den Rest des Jahres wie gewohnt schlicht verpennt zu haben und ein schnell entfalteter Hintergrund, davor ein Tresen mit dahinter gelangweilt positionierten Kontaktpersonen, ist die umfassende Lösung?

Dass die aktuelle InterDive, deren sinnvolle Existenz ich keinesfalls anzweifle, für die Aussteller gefühlt eine höhere Besucherfrequenz generierte sei dem Umstand geschuldet, dass sie erstmals zeitlich parallel zur Bootsmesse Friedrichshafen veranstaltet wurde. Deren Tickets waren für alle Hallen gültig. So konnte auch die Taucherhalle besucht werden.

Ob Friedrichshafen – ich hoffe, dass die meisten mit dem PKW anreisenden nicht auch noch in den vielen Zone 30 Bereichen ein kostenpflichtiges Foto in Auftrag gaben, oder Düsseldorf, das Gros der privaten Besucher ist eher auf der Suche nach privaten Kontakten, um an deren Ständen zum wiederholten Mal los zu werden, wie schön es bei ihnen an der Basis, im Resort war. Oder, nicht zu vergessen, die große Tauchsportszene ist altermäßig nicht mehr die jüngste. Dann die Grüppchen an manchen Ständen, deren Mitglieder Cousteaumützen tragen, ein Bier in der Hand – fehlt nur noch das Plakat: Hurra, wir leben noch.

Als Kontaktzentren von „Veteranen“ oder dem Stunden blockierenden Kundenkontakt: Ich hätte da mal eine Frage…… (Fragen Sie mich nicht, wie oft ich noch als aktives Standpersonal bei einer großen Tauchzeitschrift k.o. geschaltet wurde) – oder dem himmelhoch jauchzenden Begrüßungsruf am Stand einer Basis: Kennst du mich noch, ich bin die Mausi….. Da kann man nur resignieren und verfluchen, dass der Faltstand keinen Notausgang hat. Also lächeln, alles ertragen und X – Geschäftsanbahnungen vorbeiziehen lassen.

Von einer Messe profitieren auch in hohem Maß die nahe der Ausstellerhotels gelegenen Restaurants und Wirtshäuser. Da muss gelegentlich die Sperrzeit großzügig ausgelegt werden. Man kann als Standpersonal nüchtern betrachtet die Vielfalt eines Messewahnsinns nicht unsediert mit ins Bett nehmen. Und das bezieht sich nicht auf Deutschland allein. Die Bayer AG mag Messen, der Konsum von Aspirin floriert. Weltweit.

Kosten, Zeitdiebstahl und Selbstvergiftung – brauchen wir heute noch die eine oder andere Messe? Online werden von Interessierten, die auch online bestellen, viele Informationen eingeholt, die mit Verlaub, vielfach auch besser sind als das, was die Aushilfskraft am Messestand von sich gibt.

Vom Unterhaltungsfaktor sind Tauchsportmessen unterstes ARD, ZDF, RTL oder Pro7 Niveau. Da befinden sie sich aber immer noch in einem eher unkritischem Mainstream der fortgeschrittenen Altersgruppe.

Messe, ich sage ja, aber im Hinblick auf die wirklichen Ziele, dass hier ausgewiesenes Fachpublikum Zutritt hat. Messe ist kein Jahrmarkt mehr. Messe präsentiert dem Fachpublikum das Angebotsspektrum und die Neuigkeiten der Aussteller. Und so bleibt den kompetenten Beratern der Aussteller kostbare Zeit, das abzuschließen, warum sie gekommen sind: Ein Geschäft, das letztlich ihren Kunden zugute kommt.

 

Michael Goldschmidt
Grafik UWW