Die Messe boot in Düsseldorf ist auch für die Tauchbranche seit über 50 Jahren ein fester Termin, der den Januar zu einem Ausnahmemonat macht. Schon im Dezember müssen Vorbereitungen getroffen werden, unterbrochen und im Arbeitsfluss durch die Feiertage gebremst. Große Labels können das über eine Reihe von Mitarbeitern in verschiedenen Abteilungen vorbereiten, doch sie sind die Ausnahme. Das Herz der Tauchsportszene bilden viele kleine Unternehmen, die personell auf wenige Mitarbeiter begrenzt tätig sind. Wer ohne Düsseldorf überlebte, musste vielfach sein Business und die Außenwirkung neu organisieren.
Bereits die Messe boot 2020 war ein Sonderfall für die tauchsportrelevanten Aussteller, denn die Halle 3, die viele Jahre das „Zuhause“ der Szene war, musste wegen anstehender Baumaßnahmen und späterer thematischer Umwidmung durch die Hallen 11 und 12 ersetzt werden. In diesem Zusammenhang wurde viel geredet, noch mehr zerredet und der letztlich innovative Schritt der Messe boot von einem Gegenspieler zum Anlass genommen, parallel an einem anderen Ort eine Tauchsportmesse zu veranstalten. Spaltung statt Zusammenhalt.
Aber bereits 2019 entschieden sich langjährige mittelständische Aussteller, stellvertretend genannt Marion Thesen – Marion Tauchanzüge auf Maß – eine bereits längerfristig angestellte Überlegung in die Tat umzusetzen, es gibt kein Messeengagement mehr und in den neuen Hallen wird das dann kaum auffallen. Ein bescheidener jedoch nachvollziehbarer Rückzug aus Düsseldorf, aber nicht aus Ihrem Atelier ganz besonderer Tauchanzüge.
Ohne Pandemie wäre die boot 2020 für viele die wohl erfolgreichste Messe gewesen, unterstützt durch den frischen Wind, der die neu belegten Hallen erfüllte. Die Lethargie der ewig gleichen Halle 3, man hatte Jahr für Jahr das Gefühl, nie weg gewesen zu sein, das war vorbei.
Die anschließenden zwei Jahre ohne boot haben von kleineren Labels neue Vertriebsstrategien gefordert, die erfolgreich umzusetzen waren. Endverbraucher zu erreichen, musste von ihnen neu organisiert werden.
Mit Blick auf die Messe boot 2023, die den Tauchsport in Halle 12 repräsentiert, mit neuem Tauchturm und umfassenden Aktivitätenangebot, zeigt das Studium des interaktiven Hallenplans eine Reihe neuer Aussteller, aber auch das Fehlen langjähriger Player. DER Platzhirsch, das Label AquaLung, tritt erstmals gar nicht an. Über viele Jahre hatte es den größten Stand überhaupt. Aber der Investor, der AquaLung übernahm, hat offensichtlich kein Interesse an Messen. Zumindest nicht in Deutschland. Ein weiteres französisches Label, Beuchat, fehlt ebenso auf der boot, auch hier ist wohl die Änderung der Besitzverhältnisse begründend.
Die Uhr tickt und beim Spezialisten für Taucheruhren, Michael Goldberg von Taucheruhren.de, wurde auch dessen Messeauftritt neu bewertet. Viele Jahre war er Anlaufstelle für Taucheruhrenservice vor Ort und das Angebot von Taucheruhren. 2023 wird Michael Goldberg nicht in Düsseldorf zur boot anwesend sein.
Dazu unser Interview mit Michael Goldberg von Taucheruhren.de
UWW: Michael, du hast uns mitgeteilt, dass du auf der boot 2023 nicht präsent sein wirst. Welche Gründe führten zu deiner Entscheidung?
MG: Zunächst einmal hat das nichts mit der Messe boot zu tun. Ich finde, sie ist eine wichtige Veranstaltung für die Tauchsportbranche und in dieser Art sicher einmalig weltweit. Aber für ein so spezialisiertes Unternehmen wie Taucheruhren.de ist die Personaldecke entsprechend klein. Da bleibt immer weniger Luft für einen kompetenten Messeauftritt, der meinem hohen Anspruch gerecht werden kann.
UWW: Dein Stand hatte sich in den letzten Jahren zu einer, oder besser der Anlaufstelle für den Service von Taucheruhren entwickelt. Wird das nicht fehlen?
MG: Die letzten Jahre haben gezeigt, dass unsere Kunden mit dem exzellenten Service, der ein wichtiger Teil unseres Onlineangebots ist, bestens bedient werden. Muss eine Batterie gewechselt werden mit Druckprüfung oder ein Armband ersetzt, steht sogar eine Reparatur an, damit muss nicht mehr bis zur boot gewartet werden, um persönlich vorzusprechen. Seit 2020 hat sich im Umfeld der Dienstleistung und des Einkaufs von Taucheruhren die Digitalisierung für uns stark entwickelt.
UWW: Könnte man sagen, dass für Taucheruhren.de der Messeentzug auch eine Chance war, Dinge neu zu bewerten?
MG: Auf alle Fälle war ich gezwungen, mir vieles durch den Kopf gehen zu lassen. Wäre ich als Spezialist für Taucheruhren nicht schon vor vielen Jahren mit meinem bekannten Onlineshop Taucheruhren.de aktiv geworden, hätte es böse enden können, denn unser Ladengeschäft in Ludwigsburg musste wegen der Pandemie bekanntlich lange geschlossen bleiben.
UWW: Jetzt also Homeoffice statt Messe?
MG: Das ist ein gutes Stichwort. Wer mittlerweile überwiegend im Homeoffice arbeitet und dann doch ein paar Tage in der Firma zu erscheinen hat, der muss nicht seine ganze heimische Büroinfrastruktur im Kleintransporter auf den Weg bringen, weil der Arbeitgeber nur noch leere Räume vorhält. Für uns war die Messe stets ein Ausnahmezustand, nervig aber auch eine mental positive Herausforderung. Die komplette Uhrmacherwerkstatt musste nach Düsseldorf verbracht werden, dazu eine große Auswahl von Uhren, damit auf der boot Service und Verkauf ansehnlich und seriös präsentiert werden können. Das hat mich über Wochen vor und nach der Messe in erster Linie intern beschäftigt.
UWW: Du sparst jetzt also Zeit für dich, deine Kunden. In Ludwigsburg zu bleiben ist kein Experiment?
MG: Nein. Die uns aufgezwungen letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass die „eingesparte“ Zeit gar nicht eingespart wurde, vielmehr in die Aktivitäten am Firmensitz eingebracht wurde. Es gibt kein Januarloch mehr, das bis zu drei Wochen anhalten konnte, weil wir mit Vor- und Nacharbeiten der Messe beschäftigt waren und wir uns 9 Tage auf der boot präsentierten. Es gab aber in einer Reihe von Jahren zuvor schon einen Wandel, was den Verkauf von Uhren auf der Messe betrifft. Verkäufe entwickelten sich stark rückläufig. Das mussten aber auch Tauchshops feststellen, die früher ihren größten Umsatzanteil auf der boot generierten. Betriebswirtschaftlich war das Messeergebnis zuletzt eher zurückhaltend zu bewerten.
UWW: Hast du zuletzt draufgezahlt?
MG: Das muss von zwei unterschiedlichen wirtschaftlichen Ebenen aus analysiert werden. Rechne ich allein die direkten Kosten für den Messestand, das Personal, Hotel, Verpflegung und Reisekosten, ergab sich eine kleine schwarz geschriebene Zahl. Rechne ich den Aufwand für Vor- und Nachbereitung dazu, sieht das anders aus.
UWW: Abschied von der boot mit einem lachenden und einem weinenden Auge?
MG: Naja, jetzt hatte ich bereits zwei Mal jeweils im Januar Zeit, mich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Die letzte boot 2020 ist bei der Schnelllebigkeit gefühlt schon ewig her. Was sollte ich 2023 mit Taucheruhren.de dort demonstrieren? Hurra, wir leben noch? Spaß bei Seite, die Zeit bleibt nicht stehen, als Uhrendealer sollte ich das ja wissen. Und, die Messe ist ja nicht aus der Welt. Ich kann mir vorstellen, einen Tag als Besucher dort zu sein. Ich fürchte mich aber etwas vor diversen heftigen Schulterklopfern, die mich als Retter ihrer Taucheruhren identifizieren, die ich aber durch meine Uhrmacherlupe, die 9 Messetage vor meiner Brille klebte, nie erkennen konnte.
Bei weitem nicht alle, die 2023 in Halle 12 der Messe boot fehlen werden, haben die Auswirkungen der Pandemie überstanden, so wie Taucheruhren.de. Eine Reihe kleinerer Anbieter, vor allem aus dem Bereich Tauchbasen, Tauchreisen und Safaris mussten den Geschäftsbetrieb einstellen. Andere werden Schritt für Schritt den Weg in die „Normalität“ zurückfinden und haben aktuell noch keine ausreichenden Reserven, an einer hochkarätigen Messe teilzunehmen. Einige wenige, die zusätzlich fehlen, haben sich für die Teilnahme an einer kleinen Veranstaltung zum ähnlichen Zeitpunkt andernorts entschieden.
Michael Goldschmidt
Michael Goldschmidt