Neuburg a.d. Donau liegt in Oberbayern, seine Wurzeln gehen auf das erste Jahrhundert zurück, als sich die Römer in der Gegend vorrübergehend festsetzten. Später machten ihnen die Germanen Beine und heute liegt die Stadt mit ihren vielen Kulturschätzen sicher in Bayern verankert an der Donau. Die örtliche Wasserwacht hat vor 51 Jahren ein ganz besonderes kulturelles Ereignis auf den Weg gebracht, das Donauschwimmen, das heute jährlich über 2000 begeisterte Wasserfreunde – bevorzugt Taucherinnen und Taucher – anlockt, zu einem Event der anderen Art.
Für mich fühlt sich die Veranstaltung, von der ich nur so viel weiß, dass ich mich warm anziehen sollte und 4 Kilometer in der Donau treiben werde, wie ein Early Morning Dive an. Ich habe nicht vor Augen, dass es erst um 13:00 ins Wasser geht, ich habe nur den frühen Treffpunkt mit meiner Buddy Petra auf dem Schirm, die ich abhole mit dem Ziel gegen 9:00 in Neuburg anzukommen. Das sind nochmal gut 90 Kilometer von München zu fahren. OK, da kamen eine Menge Teilnehmer von viel weiter her, auch aus Österreich und der Schweiz, die übernachteten dann aber schon vor Ort.
Petra ist schon einige Male beim Donauschwimmen dabei gewesen und hat strategisch alles in der Hand. Das Glühweinfloß des Münchner Sub Aqua Club e.V. liegt seit zwei Tagen in meinem Wagen, um es zum Einstieg an der Donaustaustufe zu bringen. Die Route ist berechnet und zur frühen Stunde ist nicht nur die Autobahn frei, auch die gut ausgebaute Landstraße nach Neuburg führt durch eine unbefahrene leicht vernebelte Winterlandschaft ohne Schnee.
Erst an der Ablagestelle des Floßes dämmert mir, dass die Veranstaltung irgendwie einen Faschingscharakter haben könnte. Erste schwimmende Großattraktionen werden abgeladen und zur steilen Treppe bugsiert, deren Stufen aus grob behauenem Stein so kurz sind, dass sie wohl nur Römerfüßen angemessen worden waren. Der Fluss liegt träge in seinem Bett, doch das hat nichts mit dem frühen Vormittag zu tun, es ist der Wasserstand, der ihn ausbremst und später die Teilnehmer des Donauschwimmens zu aktiver Flossenarbeit einladen wird.
Erst einmal lockt jetzt der Gedanke an ein Frühstück. Zurück in die Stadt, die 4 Kilometer auf der Straße absolvierend zu einem strategisch günstigen Parkplatz, zwischen Hallenbad und Veranstaltungshalle, Petra ist Profi. Im Hallenbad zieht man sich um und von dort geht’s im Tauchanzug in den Bus, der zum Startplatz fährt. In der Veranstaltungshalle gibt es Frühstück oder Brotzeit. Peter, unser Steuermann am Floß ist schon vor uns da, hat die Anmeldung erledigt, an einem Biertisch Platz genommen und die Weißwürste serviert. Getränke liefern wir zu.
Ich bin beeindruckt. Auf der einen Seite sind so viele Wasserwachtler zugegen, dass man meinen könnte, es sei eine Katastrophe passiert, auf der anderen Seite sind alle in der großen Halle anwesenden Teilnehmer so entspannt, wie ich es nicht mehr wirklich erinnerbar habe, wann ich das zuletzt erlebte. Jeder ist freundlich, es gibt so viel Lächeln, hab ich was geraucht?
Spezi zur Weißwurst, geht im dringenden Notfall. Weißbier vor dem Donauschwimmen ginge auch, aber ich muss noch fahren. Mein Kompliment an dieser Stelle, die Weißwurst war ausgezeichnet und ich wünschte mir, ich hätte in meinem ländlichen Chiemgauer Wohnsitz ähnlich inspirierte Metzger.
Langsam wird’s Zeit, die Sachen fürs Donauschwimmen aus dem Auto zu holen und ins Hallenbad zu marschieren. Es gäbe zwar auch einen Busverkehr extra dafür, doch der strategisch gewählte Parkplatz in einer Seitenstraße macht unabhängig.
Im Hallenbad tanzt der Bär. Über 2000 Teilnehmer ziehen sich dort um, das ist natürlich weit über der Kapazität des Bads, das wahrscheinlich auf maximal 200 Gäste gleichzeitig ausgelegt ist. Es gibt aber auch hier kein Gerangel, das Personal ist freundlich und spaßig drauf, jeder findet ein Platzerl, um sich von trocken in nass zu verwandeln.
Im Tauchanzug, mit ABC bewaffnet stehe ich vor dem Bad und bekomme von Petra eine neongelb leuchtende Mütze überreicht, mit langen gehäkelten Fransen. Und schau ich mich um, es ist hier Fasching total. Da bin ich mitten drin. Ohne die Mütze gehöre ich nicht wirklich dazu. Und schon ist sie aufgesetzt. Da gehen mir so viele Grundsätze durch den Kopf: Ich und Tauchclub, ich und Fasching. Naja, man kann ja mal eine Ausnahme machen. Vielleicht.
Nie zuvor stand ich in einer so disziplinierten Schlange, die auf einen Bus wartet. Außer in England. Aber da hatte ich auch keinen Tauchanzug an. Das wäre allerdings in England auch kein Thema. Mit Tauchanzug. In Deutschland schon eher, außer beim Donauschwimmen. Da haben alle einen Tauchanzug an, die auf einen Bus warten. Und dann drin sitzen. Auch meine Prämiere. Cool. Gefällt mir. So muss ich mal mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach München fahren. Ich bin gespannt, wann ich aus dem Vorortszug geholt und abgeführt werde…..
Die abschließende Wanderung nach 4 km Busfahrt vom Buswendeplatz dann übers Wehr zum Einstieg ist Neoprengesellschaft pur. Und Faschingsgesellschaft. Auch wenn es Donauschwimmen heißt, es sind doch Taucherinnen und Taucher, die sich dann in den Fluß werfen.
Und Buddy Petra hat ihre Nemo – Kopfhaube als allgemeines Mitspielmerkmal aufgesetzt. Clownfish, wo passt diese Outfit besser, als hier, auch wenn es den Originalen bei 3 Grad Wassertemperatur mehr als viel zu kalt wäre? Hm, die Nemokopfhaube wurde gerade erst im Roten Meer verwöhnt, aber hat sie ein Temperaturgedächtnis? Kann sie sich erinnern? Trösten? Egal, Salzwasserrückstände hat nun die Donau weggespült.
Vor dem Einstieg beklagen wir Verluste. Eigentlich sollten 6 Teilnehmer des Clubs die geballte Stärke des MSAC beweisen, doch sie gingen irgendwie verloren. Wir haben zu lange im Glauben sie seien noch hinter uns, mit allen Faschingsinsignien auf sie gewartet. Während unser Floß noch auf dem Trockenen sitzt, sieht Petra sie schon in der zarten Strömung der Donau entdümpln. Blöd gelaufen.
OK, dann Glühwein für 3 statt für 6. Der Abstieg über die nach heutiger Sicht römisch anmutenden Treppe zum Wasserkontakt muss behutsam erfolgen aber viele aufmerksam helfende Hände lassen keinen im Stich. Das Donauschwimmen kann beginnen.
Natürlich war mit Donau und Schwimmen eher ein Synonym im Kopf, rein ins Wasser und die Donau gibt Gas, die Flossen haben weitgehend Ruhetag. Alles anders, die Donau hatte Ruhetag bis kurz vor dem Ausstieg – und die Flossen hatten zu tun. Einerseits wollten wir ja die großen, vor uns schon gestarteten Attraktionen sehen, andererseits wird es nach über einer Stunde im 3 Grad kühlen Wasser doch auch etwas unkomfortabel.
Ob jetzt die Flamingogruppe, die Römer, denen das Wasser bis zum Hals stand, die brennende Gretahütte oder der Pickup statt SUV für den grünen Verstand, der Feuerschlucker und die Truppe des Zirkus Hausini, der Kampfjet mit Neptun, nur als kleine Auswahl, die den Fluss belebte, es war ein völlig neues, ausgelassenes Gefühl.
Und dann die letzten 1000 Meter. Das Ufer ist gesäumt von Zuschauern, die sich wohl in ihren kühnsten Träumen nicht vorstellen können, am 25. Januar in den Fluss zu springen. Sie winken, der Fluss winkt zurück. In Rom des 1. Jahrhunderts wäre es ein Triumphzug. Dann die Silhouette der Altstadt, unter einer Brücke hindurch, die Zuschauer stehen dicht gedrängt in mehreren Reihen. Ist das alles echt? Wirklich?
Es ist echt. Auch für Nemo. Er ist zwar erst das zweite Mal dabei, nicht aber Petra und Peter. Unser Kapitän bringt es locker auf 30 Donauschwimmen. Ich hab da wohl was verpasst über die Jahre. Das muss ich korrigieren.
Im Bad wird’s dann warm. Im Becken treffen sich die Teilnehmer zum Aufwärmen und Schwärmen. Spaß pur. Und die Duschen sind angesichts des großen Andrangs nicht mehr getrennt. Wer wo wie warmes Wasser genießen kann, tut es. Auch wenn hier angestanden wird, es ist alles total entspannt.
Am Abend gibt es dann eine große Party und es werden die Medaillen für die Teilnehmer ausgegeben. Doch da sind wir schon wieder auf dem Rückweg nach München, andere Termine stehen noch an. Peter wird uns alles mitbringen. Donauschwimmen 2021? Klar, dabei!
Und noch etwas. Zum Schluss. Die Organisation hat mich völlig überwältigt. Rundum wunderbar. Die Wasserwacht von Neuburg und die Stadt mit ihren Mitarbeitern, die Busbetriebe, alle haben unglaublich professionell zusammengearbeitet, so, als sei das Donauschwimmen das Normalste der Welt. Chapeau.
Viele Bilder zur Veranstaltung
Petra Ney