ZMT: Studie im Science-Magazin bewertet Erfolgsaussichten von Schutzmaßnahmen für Korallenriffe

Sind tropische Koralenriffe noch zu retten?

Der Autor beim Zählen von Fischen in einem Korallenriff in Indonesien. Foto: Hauke Kegler, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung

In einer diese Woche in der Fachzeitschrift Science publizierten Studie gehen Forscher der Frage nach, ob und wie sich durch Schutzmaßnahmen für Korallenriffe sozioökonomische und ökologische Ziele gleichzeitig erreichen lassen. Ein internationales Kollektiv von 38 Wissenschaftlern trug dafür weltweit einen einzigartigen Datensatz aus rund 1800 Riffstandorten zusammen und simulierte die Wirkung verschiedener Managementansätze. An der Studie beteiligte sich auch Sebastian Ferse, Korallenriffökologe am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen. 

Tropische Korallenriffe bieten rund 500 Millionen Menschen einen Lebensunterhalt. Insbesondere an dicht besiedelten Küsten sind sie jedoch einer Vielzahl von Problemen ausgesetzt, die der Mensch verursacht. Überfischung, Verschmutzung durch Abfall oder Abwässer und Zerstörung durch Küstenbebauung sind nur einige. 

Artenreiches Korallenriff vor Thailand. Foto: Melanie Bon, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung

Weltweit gibt es mittlerweile über 2800 Schutzgebiete, die die Nutzung der Riffressourcen einschränken oder ganz verbieten. Die Motivation für die Einrichtung von Schutzmaßnahmen kann sich dabei unterscheiden – vielerorts geht es darum, die Biodiversität im Riff zu erhalten oder die Fischerei zu unterstützen, teilweise jedoch auch um den Schutz bestimmter Ökosystemfunktionen.

Riffschutzgebiete funktionsfähig zu halten ist mit großem finanziellen und personellen Aufwand verbunden und abhängig von der Akzeptanz der Küstenbewohner, denen die Riffe ein Einkommen bieten. Es muss daher wohl überlegt sein, ob sich unter den jeweiligen Bedingungen, die an einem bestimmten Standort vorherrschen, ein solcher Aufwand lohnt und zum Erfolg führen würde.

Über ein Jahrzehnt trugen die Forscher unter der Leitung von Joshua Cinner von der James Cook University in Australien an mehr als 1800 tropischen Riffstandorten weltweit eine umfangreiche Datensammlung zu Lage, Umgebung und ökologischem Zustand der Riffe zusammen. Dabei richteten sie ihr Augenmerk auf drei repräsentative Managementziele: die Biomasse großer Fische, die Anzahl und Arten von Papageifischen und die Vielfalt an spezifischen Eigenschaften der Rifffische, wie Ernährung, Aktionsradius und Schwimmverhalten.

„Die Biomasse der größeren Fische ist ein Hinweis auf den Wert eines Riffes für die Ernährung der Bevölkerung“, erklärt Sebastian Ferse. „Papageifische erfüllen eine wichtige Funktion für die Vermehrung der Korallen. Sie weiden Algen ab und reinigen dadurch die Flächen, auf denen sich Korallenlarven ansiedeln. Die Merkmalsvielfalt wiederum ist eine Dimension der Biodiversität und ein Maß für die Widerstandsfähigkeit einer Tiergemeinschaft gegenüber schädigenden Faktoren.“

Um den Einfluss des Menschen auf die Riffe zu bestimmen, nahmen die Forscher auch Daten über die Küstenumgebung auf, wie die Bevölkerungsdichte, den Entwicklungsstatus des jeweiligen Landes und die Entfernung und Erreichbarkeit von Märkten. Schließlich wurde auch der Schutzstatus der Riffe vermerkt, wenn sie in einem Meeresschutzgebiet lagen.

Mit diesen Daten speisten die Wissenschaftler ein Modell, das berechnete, wie sich Managementmaßnahmen auf die drei Parameter Fischbiomasse, Papageifische und Merkmalsvielfalt auswirken. Dabei zeigte sich, dass die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen je nach Kontext und Zielvorgabe stark variiert.

Die Ergebnisse sind teilweise ernüchternd. Bei starkem Einfluss des Menschen beispielsweise erreichen selbst sehr restriktive Schutzvorschriften, sogenannte „no take zones“, nur eine geringe Fischbiomasse, während diese in Riffen mit wenig menschlichem Einfluss auch ohne Schutzgebiete hoch ist. Für die anderen untersuchten Parameter machte es meist keinen wesentlichen Unterschied, ob sehr strikte oder weniger strenge Regeln eingeführt werden.

„Mit unserer umfangreichen Datenbasis können wir ermitteln, unter welchen Gegebenheiten es sich lohnt, Ressourcen in Schutzmaßnahmen zu investieren und welche Effekte Küstenmanager realistischerweise von solchen Maßnahmen erwarten können“, so Ferse. „Nationale und internationale Schutzprogramme können sich dadurch besser auf bestimmte Ziele fokussieren und Prioritäten setzen.“

www.leibniz-zmt.de

 

Dr. Susanne Eickhoff