Wracktauchen: Wie gefährlich ist die Baron Gautsch?

Immer wieder einmal kommt es zu tödlichen Zwischenfällen am Wrack der Gautsch

Baron Gautsch
Baron Gautsch c: UWW

Woran liegt es, dass das Wrack der Baron Gautsch unweit von Rovinj immer wieder einmal in die Schlagzeilen gerät, weil sich ein ernster Zwischenfall ereignete? Das Mittelmeer entlang der Küste Kroatiens hat eine Reihe von Wracks zu bieten, die Sporttaucher und technische Taucher gleichermaßen anlocken. Nur die Gautsch fällt hinsichtlich von Negativmeldungen aus dem Rahmen.

Ich tauche gerne in Kroatien, vornehmlich in Istrien, denn meine Leidenschaft gilt versunkenen Schiffen. Wracks haben alle ihre eigene Geschichte und es erstaunt mich immer wieder, wie die Natur unter Wasser diese Fremdkörper besiedelt, sie verwandelt, bis sie als Teil der Unterwasserlandschaft angesehen werden können.

Schiffe, die durch kriegerische Maßnahmen während ihrer Fahrt durch Minen versenkt wurden, liegen meist küstenfern ungeschützt vor Strömungen auf dem Meeresgrund. Je nach Position der auf den Rumpf auftreffenden Explosivkörper zeigt sich ein Wrack aufrecht wie die Gautsch, andere liegen auf der Seite, andere haben Bug oder Heck abgesprengt verloren und die befinden sich weit ab vom Hauptteil des Tauchspots. Eines haben aber alle diese Wracks gemeinsam. Strömung.

Grundsätzlich sind die Wracktauchspots gut organisiert. Es gibt Bojenleinen, an denen direkt abgetaucht wird. Manche Wrackstellen haben zwei Leinen, am Bug und am Heck, wie die Gautsch auch. Ein erfahrener Skipper eines Tauchboots legt bei zwei zur Auswahl stehenden Bojen dort an, wo die Strömung entgegen steht. Strömungstauchgänge sollen immer gegen die Strömung begonnen werden, dann ist die Rückkehr zur Leine entspannt.

Leider haben dieses Prinzip nicht alle Tauchbootführer verinnerlicht und das kann von Anfang an zu Problemen führen, die sich nicht unbedingt als Zwischenfall öffentlich werden, aber im einen oder anderen Kopf einer Taucherin, eines Tauchers ungute Erinnerungen hinterlassen.

Maximal 40 Meter Tauchtiefe an der Baron Gautsch, das bezieht sich auf den Meeresgrund, auf dem das Wrack aufrecht liegt. Es ist jedoch unattraktiv, diese 40 Meter, die ein gut ausgebildeter Sporttaucher aufzusuchen lizensiert ist, auf den Tauchcomputer zu drücken. Die wahren Reize der Baron Gautsch sind in den dreißigern zu finden.

Mit einem auf die gewünschte Zieltiefe angepasstem Atemgas, sprich Nitrox, nimmt jeder Taucher ein Plus an Nullzeit mit und kann die Wrackstelle einfach länger genießen. Für die Gautsch wäre ein EAN 28 eine gute Wahl.

Für mich gibt es aber neben einem angepasstem Atemgas, eventuell einem Dekogas zur Verkürzung der Entsättigung für im Meer exponierte Wracks ein weiteres unschätzbar wichtiges Hilfsmittel: Einen Scooter.

Der Motorantrieb lässt Strömungen bedeutungslos werden. Ein Strömungstauchgang ist entspannt ohne hohe Anforderungen an eine außerordentlich gute Kondition. Diese Kondition haben ehrlich gesagt ohnehin nur die wenigsten Gerätetaucher.

Nein, die Gautsch ist nicht gefährlich. Es sind oben beschriebene Umstände, die auch den einen oder anderen geübten Taucher überraschend in Not bringen können. Und ein Scooter ist in der eleganten Lage, Stresssituationen gar nicht erst aufkommen zu lassen, entspannt die Deko parallel zur „überfüllten“ Dekoleine (habe ich gerade 1:1 erlebt) zu absolvieren und ans Tauchboot zurückzukehren.

Facts

Lassen Sie mich zusammenfassen: Wracktauchgänge im offenen Meer sind stets mit Strömung verbunden. Die Richtung der Strömung wechselt (Mondeinfluss). In der Regel sind es in Istrien  Freiwassertauchgänge, entlang einer Bojenleine. Das Ziel ist erst nach etwa 50% der Abtauchtiefe erkennbar. Handschuhe sind sehr empfohlen, die Leinen sind von Muscheln besiedelt (Verletzungsgefahr). Und da kommt noch die ganz persönliche Frage: Bin ich wirklich fit? Ist mein Kopf frei für das etwas außergewöhnliche Taucherlebnis? Das als Frage an die Sporttaucher. Technische Taucher haben das alles in ihrer Ausbildung gelehrt bekommen und gezeigt.

Michael Goldschmidt