Tauchen zuhause 2020, eine Herausforderung auf vielen Ebenen

See statt Meer, Auto statt Flugzeug, kein Parkplatz statt abtauchen

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass der Regionalbezug auf Tauchmöglichkeiten ohne Grenzübertritt je so intensiv gewesen wäre. Zuhause, ab in den See war angesichts immer billiger werdender Flugverbindungen zu sonnendurchfluteten Destinationen mit warmen Meerwasser und vor Ort organisiertem Localflair ein NO GO. Wer in der Masse taucherisch was auf sich hielt, der buchte Rotes Meer, Mallorca, Teneriffa, Azoren, Madeira, Malediven oder Philippinen. Und jetzt?

Klar, gerade jetzt wird erkennbar, wer mit dem Tauchen wirklich eine Leidenschaft entdeckte, die nicht von bunten Fischen in salzig schmeckendem Wasser und wenigstens 15 Meter Sichtweite erfüllt wird. Doch auf zuhause, darauf ist ganz ehrlich keiner darauf eingestellt gewesen. Nicht die alternativ auserkorenen Seen, die Ausrüstung der Urlaubstaucher und die Infrastrukturen vor Ort, die ein Mehr als 300% an Erholungssuchenden bedienen müssten, aber mit 100% schon überlastet waren.

Die plötzliche Liebe zum heimischen Gewässer prallt auf die Realität der begrenzten Ressourcen. Und dennoch lassen von dem schon praktisch festgestellten Dilemma Tourismusverbände, Tageszeitungen und die Onlineredaktionen von Nachrichtenmagazinen nicht ab, immer neue „Geheimtipps“ zu veröffentlichen. Die sind aber schon längst überlaufen und weder geheim noch ein Tipp.

Es ist schön, dass viral bedingt auch einmal von eher warmduschenden Tauchern überlegt wird, doch mal den persönlichen Horizont zu erweitern, und hier den Kopf unter Wasser zu stecken. Gute Idee, aber falscher Zeitpunkt generell. Die Sichtweiten sind in den Sommermonaten sehr bescheiden und der bis dato für die Tropen angeschaffte Anzug ist hier völlig ungeeignet.

Um in Tiefenregionen vorzustoßen, die jetzt in den Seen wieder etwas Sichtweite bieten, muss mit mindestens 15 Metern gerechnet werden, Wassertemperatur dort etwa 8°C. Der dafür geeignete Trockentauchanzug fehlt im Equipment der Warmwassertaucher. Aber nicht nur der Anzug, auch der geeignete kaltwassertaugliche Regler und die entsprechende Ausbildung. Ein AOWD vom Roten Meer hat hier keine wirklich sicherheitsrelevante Bedeutung.

Eigentlich wären die Tauchschulen jetzt und hier gefordert, die Zeichen der Zeit zu erkennen und ihre Kunden so auszubilden, dass sie nicht nur in viraler Zeit Spaß am Tauchen vor der Haustüre haben. Jetzt kann Equipment verkauft werden, dass Schüler zu langfristigen Kunden werden lässt. Hier soll nicht das Ergebnis eines Hallenbadkurses auf nimmer Wiedersehen an tropische oder subtropische Basen abgegeben werden, die ihrerseits kein Interesse haben, den Kunden weiter auszubilden und oder auszurüsten.

Und so steckt der Tauchsport gerade mehrfach in der Krise. Der überproportionale Drang, der wie schon erwähnt und von wem allen initiiert, auf die Seeufer trifft, schreckt nicht nur ab, er tötet schlicht weitere Versuche, sich dem Thema ganz normal zu nähern. Und da gibt es die Egotrampel, die mit ihren Wohnmobilen die Parkplätze etwa entlang des Attersees mit den ausgewiesenen Tauchspots blockieren. Wild campend. Vielen Dank, davon habe ich mich heute persönlich überzeugt.

Krisenpunkt zwei, es wurde einfach nicht verstanden, dass der Verkauf einer ABC – Ausrüstung, so sie denn je stattfand, für eine damit zusammenhängende OWD Ausbildung nichts bedeutet. Das zeitintensive Engagement der Grundausbildung hier mit all seinen Detailkosten wurde  – weil geiz ist geil –  auf nahezu null reduziert an die Kunden durchgereicht. Und nach der Übergabe des Brevetkarterls sah man sie nie wieder. Und was sagt da traditionell die Tauchschule, der Shop dazu, nicht mehr als „Karma“.

Krisenpunkt drei, jetzt räumen „überraschend“ doch eine größere Zahl von Tauchern die Möglichkeit ein, ersatzweise auch in den heimischen Seen aktiv zu werden. Allein es fehlt der Anzug. Trockentauchanzüge sind aktuell ausverkauft wie Fahrräder. Es ergeben sich Lieferzeiten bis in den Herbst hinein bei bestimmten Modellen.

Krisenpunkt vier, nachdem die Politik über Monate in den Köpfen installieren ließ, zuhause zu bleiben, kommt jetzt die Antwort. Man blieb und bleibt zuhause, darf wieder hinaus und findet keinen Platz mehr, schon gar nicht unter Einhaltung der Abstandsregeln. Und man ist ja regional nicht allein, da kommen die Urlauber dazu, denn für den Tourismus wurde ja ununterbrochen geworben.

Ich komme gerade aus Österreich zurück, dem Corona – Musterland 😉

Hier sind unzählige Touristen aus den umgebenden EU-Staaten unterwegs. Viele von ihnen  hatten sicher andere Ferienziele, aber wenn es nicht anders geht, dann schaut man mal nach Hallstatt. Ohne die vielen asiatischen Touristen, die mit iPad über dem Kopf Fotos machend oder Drohnen fliegen lassend den Ort völlig chaotisierten. Die Sicht im See wäre ok, Taucher traf ich keine.

Michael Goldschmidt