Jerry O’Connor ist Ire. Und er leitet seit 1998 seine Tauchbasis Canary Diving Adventures. Auf die Minute pünktlich holt er mich im Gloria Palace San Augustin Thalasso & Spa Hotel ab. Gut gelaunt steuert er den neuen Golf Caddy zu den Treffpunkten mit weiteren Tauchgästen, die er nach Playa de Taurito bringt, einer kleinen Bucht mit schönem Sandstrand im Süden der Insel Gran Canaria, mit lebendiger touristischer Infrastruktur und – seiner Tauchbasis.
Der Teufel allein weiß, warum, wieso, weshalb, weswegen Gran Canaria nicht als Tauchziel in aller Munde ist. Mit etwa 20 Anbietern ist die fast runde Insel, Durchmesser gut 50 Kilometer, eher zurückhaltend mit taucherisch relevanten Infrastrukturen besiedelt. Gran Canaria ist ein Ganzjahresreiseziel, über wie unter Wasser, und man staune, die Sommermonate werden als Nebensaison gehandelt, weil Mallorca sich in dieser Zeit das Gros der Inselurlauber abgreift.
Auf die Frage, ob mehr Tauchgäste nicht die Möglichkeiten der Anbieter vor Ort überfordern würden, antwortet Jerry ehrlich, dass das so schnell nicht kritisch werden könnte und er würde lieber alle Mitarbeiter in seinem Team das ganze Jahr über fest beschäftigen und nicht nur einen kleinen Teil, denn alle sind bestens ausgebildet und hoch motiviert. Aber das ist eben von der Menge der Tauchgäste abhängig.
Die Räume von Jerry`s Basis sind im Hotel Taurito Princess, direkt am Strand. Das Office mit modernem Schulungsraum liegt neben dem Hoteleingang, die Basis eine Treppe tiefer. Von der Terrasse vor der Basis führt eine weitere Treppe zum Sandstrand. Hier starten Schnupper- und Open Water Ausbildungstauchgänge. Mit einem flott motorisiertem RIB (Festrumpfschlauchboot, Länge 7,5 Meter, 250 PS Suzuki Außenborder), geht es in schneller Fahrt zu den vielen Tauchplätzen. Am entferntesten sind die Wracks nahe am Hafen von Las Palmas im Norden, dahin dauert die Fahrt etwa eine Stunde, in 5 Minuten ist man dagegen bei den Wracks vor Mogan, die als Attraktion für die U-Boot Exkursionen mit dem Yellow Submarine versenkt wurden.
Da für die Reportage vor Ort nur 5 Tage zur Verfügung stehen und ein dichtes Programm organisiert worden war, sind nur zwei Tage oder 4 Tauchgänge mit Canary Diving Adventures möglich. So wie ich werden die Gäste am Morgen von verschiedenen Hotels abgeholt. Nach dem Bau einer autobahnähnlichen Schnellstraße haben sich die Transferzeiten deutlich verkürzt. Nach 30 Minuten inklusive ein paar Zwischenstopps stehe ich Jerry`s Basis und treffe auf ein internationales Team von Tauchlehrern und Guides aus Belgien, Kroatien, Holland und Spanien. Wir kommunizieren auf Englisch und Deutsch.
Schon der erste Eindruck ist positiv. Der Basisbetrieb ist gut durchorganisiert. Es wird professionell und immer mit einem Lächeln gearbeitet. Das Leihequipment von Cressi ist neu, alle Räume sind sauber und ordentlich. Kaffee steht bereit und in einem Kühlschrank stehen Softdrinks, Wasser und kleine Snacks für den Verkauf bereit.
Mehr als 20 Spots werden von Canary Diving Adventures angesteuert. Jerry hat sich schon ein paar Gedanken gemacht, was für mich interessant sein könnte und schlägt für heute zwei Tauchplätze vor, die mir als Fotograf besonders gefallen könnten. Da wäre das Artificial Reef genau gegenüber der Zementfabrik in El Pajar und das Pasito Blanco Reef, 20 Bootsminuten weiter. Weil die Rückfahrt vom zweiten Spot gut 40 Minuten dauert, wird es die Oberflächenpause an Bord des RIB geben, was angesichts des sonnigen Wetters und dem nur kaum bewegten Meer keine Probleme bringen wird.
Die Qual der Wahl, die sonst nur die Damenwelt bewegt, was ziehe ich an, ist bei unbekannten Tauchzielen immer gegeben. Ich hatte mich für den 5 Millimeter Nassanzug entschieden, was sich dann als etwas kühle Variante bewies. Bei 22°C Wassertemperatur sind 7 Millimeter halbtrocken die bessere Wahl, gerade auch dann, wenn die Pause zwischen den Tauchgängen auf dem Wasser gemacht wird.
Das künstliche Riff, das Jerry für mein Shooting ausgesucht hat, besteht aus unterschiedlichen Objekten, teils aus Stein, Zement und Metall, die auf ebenem, 20 Meter tiefen Sandgrund positioniert sind. Anfang der 90er Jahre wurde es als Experiment der Universität in Las Palmas geschaffen, um zu erforschen, welche Methoden sinnvoll wären, gefährdeten Spezien geschützten Raum zur Ansiedlung und Fortpflanzung zu bieten. Inwieweit das Experiment von Erfolg gekrönt wurde, lässt sich auf den ersten Blick nicht sagen. Auf jeden Fall treffe ich hier völlig unerwartet auf einen riesigen Fischschwarm, was sich wie ein roter Faden durch die weiteren Tauchgänge ziehen wird. Jerry hatte schon vor dem Abtauchen der Gruppe eine leichte Strömung festgestellt und entschied den Anker zu lichten, nachdem wir das Boot verlassen hatten, um der Boje unseres Guides zu folgen. Ein angenehmer Service. Nach einem Safetystopp im Freiwasser geht es nach gut 60 Minuten über die bequeme Leiter zurück auf das RIB.
Das Pasito Blanco Reef ist eine weitläufige Felsformation mit abgestuften Ebenen. Es ist über und über bewachsen, von kleinen Spalten und Löchern durchzogen. Auch hier geht es auf maximal 20 Meter Tiefe, allerdings bei nicht so guten Sichtweiten, wie beim Artificial Reef. Die Dünung verteilt das Sediment großflächig und lockt Fischschwärme an. Der Grund lebt, so viele Rochen hatte ich schon lange nicht mehr auf einmal zu Gesicht bekommen. Und aus jeder zweiten Öffnung sondieren Muränen das Terrain. Mit dem Fisheye – Objektiv bin ich für diese Motive nicht so gut ausgerüstet, aber bei insgesamt 4 Tauchgängen ist jeder Spot ein Blindflug, ein zweites Mal mit anderer Linse ist leider nicht drin.
Auf Jerrys Frage, was ich am kommenden Tag sehen möchte, gibt es eine klare Antwort: Wracks. Er grinst und meint, er hätte kein Problem, mir reichlich Alteisen zu zeigen.
Ich bin gespannt und hinsichtlich seines Versprechens, bleibt das Superweitwinkel montiert.
Die erste Ausfahrt am nächsten Vormittag dauert 10 Minuten und führt zum Tauchplatz El Medio Almud. Dieses Riff bietet natürlich nicht nur Alteisen, aber für mich steht das kleine Wrack der Armando Theodoro im Mittelpunkt des Interesses. Jerry hatte mir noch auf den Weg ein verschmitztes: „Ich bin neugierig, ob Du es findest“, auf den Weg gegeben. Und ich schwebe in 22 Meter Tiefe über dem weißen Sand und sehe kein Wrack. Nur einen riesigen Fischwarm. Erst, als sich der Schwarm auseinander zieht, gibt er den Blick frei auf einen Teil des kleinen Frachters, der aufrecht auf dem Grund steht. Jetzt verstehe ich Jerrys Worte und bin schon wieder überwältigt, was hier im Meer vor Gran Canaria im klaren Wasser abgeht. Die reflektierenden Leiber der Goldbrassen wabern wie ein Vorhang rund um die Armando Theodoro und es ist nicht einfach, für einen längeren Moment einen Blick auf sie zu erhaschen. Das Altmetall ist von vielfarbigem Bewuchs aus Schwämmen und Hartkorallen überzogen, ein Motiv, an dem ich Stunden oder mehrere Tauchgänge verbringen könnte. Dann aber mit einem Model, das sich im Motiv an richtiger Stelle platziert. Kurz instruierte Guides sind meistens nur bedingt fototauglich, ein altes Problem.
Am späteren Nachmittag gibt es dann Wracks im Doppelpack. Um den halbstündigen Tauchfahrten des Yellow Submarine vom nahen Mogan aus ein interessantes Ziel zu geben, wurden im Abstand von 12 Jahren zwei Schiffe versenkt. Um 1990 wurde die Araganza auf den 19 Meter tiefen Sandgrund gelegt. Stürmische See hatte über die Jahre stark an der Araganza genagt und sie regelrecht platt gemacht. So kam 2002 die Cermona II als neue Attraktion hinzu, sie steht nur 60 Meter entfernt auf dem Grund. Ein wenig hoffte ich, dem U-Boot, mit den aus den seitlichen großen runden Glaskuppeln fotografierenden Touristen, unter Wasser zu begegnen. Das wäre noch ein besonderes Motiv gewesen. Aber ich verpasste sie um eine halbe Stunde, kaum aus dem Wasser, kreuzte das Yellow Submarine unter dem RIB. Auf jeden Fall ist der persönliche Augenschein an den beiden Wracks wesentlich interessanter. Ich habe beides probiert. Als Taucher nahe dran zu sein und sich den Betrachtungswinkel selber suchen zu können, hat nur Vorteile. Außerdem sind dann auch die Schwarmfische zugegen. Hier hat Jerry in nur 5 Minuten Entfernung ein klasse Motiv anzubieten. Und man erlebt das in der gewohnten entspannten Ruhe….
Fährt man mit dem U-Boot, wird man pausenlos mit einer lauten Geräuschkulisse beschallt, als wäre man auf Tauchfahrt im Kriegseinsatz. Bis zu den Wracks tut sich nicht viel vor den Fenstern, ein paar Fische schauen mal kurz herein, dann geht’s einmal über die Mogan und die Cermona II. Nur, wem das Tauchen selbst nicht möglich ist, wäre diese Alternative zu empfehlen, einen Hauch von Unterwasserfeeling zu bekommen.
Eins steht fest, Jerry und sein Team machen einen sehr guten Job und wir werden uns wieder sehen, auch wenn das Entern und Verlassen des RIB`s am Strand etwas gewöhnungsbedürftig ist. Es gibt keine Mole, es führt lediglich ein dickes Tau vom Sandstrand ins Meer. Das Boot muss Abstand halten vom Ufer und so watet man mit angelegter Ausrüstung hinaus, bis man das RIB im brusttiefen Wasser erreicht, das am Tau fest gemacht hat. Dann geht’s über die Leiter an Bord. Wer ein Handtuch oder anderes, was nicht nass werden soll, mitnehmen möchte, verstaut das in einem wasserdichten Beutel, den man selber mit dem eigenen Equipment mitbringt.
Dass Gran Canaria mehr als „nur“ Tauchen zu bieten hat, erfahre ich dann den kommenden zwei Tagen. Zunächst gibt es eine ausführliche Führung durch den Ort Puerto de Mogan. Ursprünglich ein Fischerdorf, wurde es in den 80er Jahren touristisch erschlossen. Man hat es durch umsichtige Architektur geschafft, dass es keine Hotelburgen gibt. Die Neubauten durften nicht höher als zwei Stockwerke sein, so dass der Charakter des kleinen Ortes mit den kleinen Gassen erhalten blieb. Im ausgebauten Hafen liegen viele Jachten, es gibt eine Mole für die Fischer, Sportboote und das Yellow Submarine. Eine abgesperrte Zone im Ortsinneren lässt ein paar Blicke auf Ausgrabungen frei, die die frühgeschichtliche Besiedelung der Insel beweisen. Es bleibt sogar noch Zeit einen Abstecher nach La Solana und Mogan zu machen. Sie liegen im Bergland oberhalb der Küste und haben kaum Veränderungen durch den Tourismus erfahren. Man kann hier in privaten Unterkünften ein Zimmer mieten. Ansonsten Leben und Arbeiten hier die Einheimischen, die vor allem in den umliegenden Resorts und Hotels an der Küste Beschäftigung finden. Hier ist es beschaulich und ich bekomme einen ersten Eindruck, wie Gran Canaria wirklich ist, ursprünglich.
Der Nachmittag wird bestimmt von einem fast dreistündigem Aufenthalt im Thalasso und Spa des Hotelresorts Lopesan Villa del Conde in Meloneras an der Ostküste der Insel. Das Hauptgebäude des Resorts gleicht einer riesigen Kathedrale im spanischen Stil und die prunkvolle Empfangshalle lässt freien Raum für erstaunt bewundernde Blicke. Das als Einstimmung auf den absoluten Erholungsbereich im Corallium lässt ahnen, welche perfekt gestaltete Erholungsoase mich erwartet.
An der Rezeption erhält man Bademantel, Handtuch und Badeschuhe, im Umkleideraum sperrt man den Alltag gleich mit den eigenen Kleidern im Garderobenschrank weg. Es erwarten Sie unterschiedliche Saunen, Dampfbäder, Inhalationsbereiche, ein großes rundes Thermalbecken mit Massagedüsen und Ruheliegen, ein Thermalbecken mit hohem Salzgehalt, in dem Sie im Wasser schweben wie im Toten Meer. In einer Außenanlage können Sie Wassertreten nach Kneipp mit gleichzeitiger Fußreflexzonen – Massage beim langsamen Gehen über den mit Kieselsteinen gepflasterten Beckenboden.
Zum vereinbarten Zeitpunkt und ausgemachten Ort serviert man Ihnen einen Snack mit Getränk, ein äußerst angenehmer Service.
Mit Blick aufs Meer sind die großen privaten Whirlpools mit Ruhe- und Massageraum angelegt. Vor einem 35 minütigen Aloe Vera Körperpeeling habe ich Gelegenheit den Pool mit den unterschiedlichen Massagedüsen ausgiebig zu genießen. Zwischendurch eine Tasse Tee, das ist im Ruhebereich bereits alles vorbereitet. Und nach der Körperbehandlung verlasse ich als neuer Mensch das Corallium und streife den Alltag wieder über, der jetzt aber wesentlich unhektischer auf mich wirkt.
Vor dem Abendessen bleibt noch Zeit, die Dünen von Las Palomas anzusehen. Von meinem Hotelzimmer habe ich sie schon ein wenig wahrgenommen. Jetzt, unmittelbar davor stehend sind die Wanderdünen, ein geschütztes Naturreservat, wirklich beeindruckend. Am östlichen Rand der Dünen steht der imposante, 60 Meter hohe Leuchtturm von Las Palomas. Weil dieses Areal ein beliebtes Ausflugsziel auf der Insel ist, gibt es eine Budenstraße mit kleinen Restaurants, Bars und Souvenierangeboten.
Zurück im Hotel Thalasso Gloria Palace Amadores, in dem ich eigentlich jeden Tag auch noch Termine im Spa hätte wahrnehmen können, was jedoch durch das umfangreiche Programm und die Tauchaktivitäten leider nicht möglich war, gibt es erst einmal ein Bier an der Poolterrasse. Danach erwartet mich mein Tisch im weitläufigen Restaurant, in dem ich das Frühstück und Abendessen einnehme. Getränke werden serviert, das Essen gibt es am Büfett.
Neben bereits vorbereiteten Gerichten kann man sich auch an aktuell frisch gebratenen oder gegrillten Spezialitäten laben. Die Auswahl ist enorm, es fehlt an nichts und die Küche zaubert wirklich feine Speisen. Hier findet jeder, nach welcher Form man sich auch bevorzugt ernährt, mehr als nur ein Gericht. Das Personal ist freundlich und flink, es stimmt rundum alles.
Zurück im Zimmer, das viel Platz bietet und ein großzügiges Badezimmer, Balkon, Klimaanlage, WLAN, Kühlschrank und TV, geht es schon wieder ans Packen. Der Abflug am späten Nachmittag des kommenden Tages lässt aber noch Zeit für eine ausführliche Inseltour mit meinem deutschen Fahrer, der mich im Dienst der Tourismusagentur bestens betreute.
Der Süden Gran Canarias ähnelt eher afrikanischer Küsten- und Berglandschaft mit Sand, schroffen Felsen und wenig Vegetation. Je weiter man nach Norden kommt, um so grüner wird die Insel und die Fahrt durch enge Täler mit hoch aufragenden, dicht bewachsenen Bergflanken beeindruckt mich wirklich. Es gibt hier eine Kirche zu bestaunen, die in den Fels gehauen ist, ein ganzes kleines Dorf ist praktisch in die Felsen geschlagen und es wohnen hier nach wie vor Menschen. Am Ende der Straße, mit einem phantastischen Blick hinunter ins Tal ist ein Restaurant, komplett im Fels. Es ist allein ein Erlebnis durch die Gänge des Lokals zu gehen und in die ausgeschlagenen Nischen zu sehen, in denen die Tische stehen, die Bar, die Küche sind.
Langsam rundet sich für mich das Bild der Insel ab, auch wenn mir noch vieles an Eindrücken fehlt. Doch das, was in der kurzen Zeit machbar war, hat sich gelohnt.
Gran Canaria ist viel mehr, als nur ein Ort für Urlauber, die in einem Hotelresort am Meer ihre Wochen verbringen. Es ist so abwechslungsreich, hat ein gut ausgebautes Straßennetz, wirklich schöne Landschaften über und unter Wasser. Nehmen Sie sich für ihren Aufenthalt einen Mietwagen, wenigstens für ein paar Tage und sehen sie die Insel auch als Reiseziel in der „Nebensaison“ also im Sommerhalbjahr. Es wird Ihnen gefallen.
Gloria Palace San Agustín Thalasso & Hotel ****
Thalasso Gloria Palace San Agustín
C/ Las Margaritas, s/n – San Agustín
Tel. + 34 928 765 689
www.gloriapalaceth.com
Gran Canaria Spa, Wellness & Health
www.grancanariawellness.com
Lopesan Thalasso und Spa
https://www.lopesan.com/de/
Wassersportaktivitäten Gran Canaria
www.grancanariablue.com
Submarine Adventure Tour
www.atlantidasubmarine.com/?i=de
Michael Goldschmidt