Als Wellenbrecher spielen tropische Korallenriffe eine wichtige Rolle beim Küstenschutz. Für die lokale Bevölkerung sind sie ein natürlicher Wall gegen Sturmwellen und Tsunamis und schützen gleichzeitig die Küste vor Erosion. Forscher aus Bremen, Australien und Frankreich haben jetzt das Zusammenspiel von Korallenriffen und den Monsterwellen vor Tahiti und Moorea näher untersucht. Anhand neuer Messdaten und Berechnungen zeigen sie, wie sich Riffzerstörung und Meeresspiegelanstieg auf die Höhe der Wellen vor den Inseln in Französisch-Polynesien auswirken können. Die Forschungsergebnisse sind gerade im renommierten Fachmagazin Science Advances erschienen und beweisen: Komplexe Riffstrukturen schützen Küsten vor Monsterwellen.
Mit seinen haushohen Monsterwellen zieht Tahiti schon seit den 60er-Jahren die weltbesten Surfer an. Die berühmte „Teahupo’o“, die bis zu neun Meter Höhe erreichen kann, zählt sogar zu den gefährlichsten Wellen der Welt. Bevor diese Monsterwellen jedoch auf die Küste Tahitis treffen, bremsen Korallenriffe ihre Kraft und schützen so die Tropeninsel und ihre Bewohner vor Überschwemmung.
Um genau dieses Zusammenspiel von Wellen und tropischen Riffen ging es den Meereswissenschaftlern Dr. Daniel Harris (University of Queensland, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung – ZMT) und Dr. Alessio Rovere (Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung – ZMT und MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen) bei ihren Untersuchungen im Südpazifik. Dabei arbeiteten sie zusammen mit Kollegen des CRIOBE (Centre of Island Research and Environmental Observatory) in Moorea und der Universität Perpignan in Frankreich.
Zunächst wollten sie herausfinden, wieviel Energie verloren geht, wenn Wellen auf dem Riff brechen. Gemeinsam mit ihren französischen Kollegen unter Leitung von Prof. Dr. Valeriano Parravicini (CRIOBE und Universität Perpignan) brachten sie vor der Küste Tahitis und seiner Nachbarinsel Moorea eine Reihe von Drucksensoren in fünf bis sechs Metern Tiefe an. So konnten sie die Kraft der Wellen vor und hinter den Riffen messen. Knapp einen Monat lang arbeiteten die Wissenschaftler vor Ort, um möglichst viele Messdaten an verschiedenen Stellen zu sammeln, sowohl von flachen als auch von mehrere Meter hohen Wellen.
Dabei interessierte sie insbesondere, wie sich die Folgen des Klimawandels, beispielsweise der Anstieg des Meeresspiegels, auf die Funktion der Riffe als Wellenbrecher auswirken und somit auf ihre Fähigkeit, die Energie der Wellen zu reduzieren.
In einem nächsten Schritt gaben die Wissenschaftler ihre neu gewonnenen Daten in ein Open-Source Model (XBeach) ein, das Forschende weltweit anwenden, um zu berechnen, wie Wellen brechen, wenn sie die Küste erreichen. „Mit Hilfe der gemessenen Daten konnten wir das Modell kalibrieren. Dies ermöglichte es uns, verschiedene Parameter wie den Meeresspiegel oder die Riffstruktur zu verändern und zu kalkulieren, wie sich Kraft und Höhe der Wellen vor Tahiti und Moorea verändern“, beschreibt Meeresgeologe Daniel Harris das Vorgehen.
„Wir konnten auf diese Art verschiedene Szenarien für diese Inseln simulieren: Was passiert, wenn das Riff plötzlich einem höheren Meeresspiegel ausgesetzt ist oder wenn die strukturelle Komplexität des Riffes abnimmt“, ergänzt Alessio Rovere, Leiter der Brückennachwuchsgruppe „Sea Level and Coastal Changes“ am ZMT und MARUM.
Die neuen Modellstudien der Forscher zeigen, welche fatalen Auswirkungen die Kombination aus Riffzerstörung und steigendem Meerspiegel für die Bevölkerung von Tahiti und Moorea in nicht allzu ferner Zukunft haben kann.
„Berechnet auf das Jahr 2100 hätten zunehmende Riffzerstörung und der erwartete Meeresspiegelanstieg zur Folge, dass die durchschnittliche Wellenhöhe, die auf die Küste der Inseln trifft, fast sechsmal höher ist als heute. Die Küstenerosion, die durch diese größeren Wellen verursacht wird, wäre dann fast zehnmal größer als heute“, berichten die Wissenschaftler.
Bei diesem Szenario spiele jedoch die strukturelle Komplexität eine wichtigere Rolle als ein höherer Meeresspiegel. „Wenn die Riffdegradierung anhält, steigt die Höhe der Wellen selbst bei heutigem Meeresspiegelstand signifikant an“, so Harris und Rovere in ihrer Veröffentlichung. „Ist das Korallenriff hingegen gesund und weist eine komplexe Struktur auf, hat der Meeresspiegelanstieg weniger Auswirkung. Das Riff kann seine Schutzfunktion weiterhin erfüllen und weniger Wellenenergie schlägt auf die Küste.“
Für die Bevölkerung von tropischen Inseln, die durch Riffe gegen große Ozeanwellen geschützt sind, bedeuten die Ergebnisse der Studie, dass es wichtig ist, auf lokaler Ebene zu agieren und die Riffe zu schützen. „Die Bewohner haben weniger Möglichkeiten, dem globalen Klimawandel direkt zu begegnen, aber sie können versuchen, die Überfischung vor Ort zu reduzieren, auf destruktive Fangmethoden zu verzichten, eine Übernutzung der Küste zu vermeiden und einen nachhaltigen Tourismus zu gewährleisten. All diese Maßnahmen haben positive Auswirkungen auf die Komplexität des Riffs und damit auf den Küstenschutz, den das Riff gibt“, sagt Harris.
Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT)
Das Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen widmet sich in Forschung und Lehre dem besseren Verständnis tropischer Küstenökosysteme wie Mangroven, Seegraswiesen, Korallenriffen, Ästuaren und Auftriebsgebieten. Im Mittelpunkt stehen Fragen zu ihrer Struktur und Funktion, ihren Ressourcen und ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber menschlichen Eingriffen und natürlichen Veränderungen. Mit seiner Arbeit schafft das Institut eine wissenschaftliche Grundlage für den Schutz und die nachhaltige Nutzung dieser Lebensräume. Das ZMT führt seine Forschungsprojekte in enger Kooperation mit Partnern in den Tropen durch, wo es den Aufbau von Expertise und Infrastruktur auf dem Gebiet des nachhaltigen Küstenzonenmanagements unterstützt. www.leibniz-zmt.de
MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen
MARUM entschlüsselt mit modernsten Methoden und eingebunden in internationale Projekte die Rolle des Ozeans im System Erde – insbesondere im Hinblick auf den globalen Wandel. Es erfasst die Wechselwirkungen zwischen geologischen und biologischen Prozessen im Meer und liefert Beiträge für eine nachhaltige Nutzung der Ozeane. Das MARUM umfasst das DFG-Forschungszentrum und den Exzellenzcluster „Der Ozean im System Erde“. www.marum.de
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