Im Herbst 2019 startete die Gesellschaft zur Rettung der Delphine e.V. (GRD) mit regelmäßigen Geisternetzbergungen zum Schutz der marinen Artenvielfalt in der Ostsee. Knapp vier Jahre später hat der Münchner Delfinschutzverein insgesamt 10.000 Kilogramm der tödlichen Altlasten aus der Fischerei geborgen und damit ein wichtiges Zwischenziel erreicht. Sigmar Solbach, 1. Vorsitzender der GRD, dankt allen Beteiligten für ihren aufopferungsvollen Einsatz. Große Bereiche vor der Küste von Rügen sind mittlerweile frei von Geisternetzen, nichtsdestotrotz bleibt viel zu tun.
Leidenschaftlicher Einsatz an einer ehemaligen Fahrwassertonne
Mit einem neunköpfigen Team ehrenamtlicher Sporttaucher:innen war die GRD vom 17. bis 19. August vor Rügen im Einsatz, um herrenlose Fischernetze aus der Ostsee zu bergen. Diese Altlasten der Fischerei töten über Jahrzehnte unaufhörlich und unerbittlich weiter: Rund 136.000 Delfine, Wale, Seehunde sowie Millionen an Vögeln, Fischen und Meeresschildkröten fallen den Geisternetzen jährlich weltweit zum Opfer. Aufgabe der aktuellen Bergungsmission war es daher einmal mehr, so viele Netze und Netzteile wie möglich unschädlich zu machen. Die Wettersituation vor Ort erschwerte die Arbeiten der Taucher:innen allerdings erheblich.
Primäres Ziel des Bergungsteams um Einsatzleiter Wolfgang Frank war eine ehemalige Fahrwassertonne, rund acht Kilometer vor dem Königsstuhl im Nordosten der Insel entfernt. An zwei Tagen steuerten Tauchboot und Begleitschiff die in 30 Metern Tiefe liegende Tonne an, die mit ehemaligen Fischernetzen geradezu überzogen ist. Trotz großem Einsatz der Tauchteams gelang es in mehreren Tauchgängen nicht, die Tonne von den Geisternetzen frei zu schneiden. Ungünstige Windverhältnisse erschwerten die Arbeiten der Sporttaucher:innen zusätzlich. Aktuell ist geplant, das Netz beim nächsten Bergungseinsatz Ende September aus der Ostsee zu entfernen.
10 Tonnen Geisternetze unschädlich gemacht
Erfolgreich war die jüngste Bergungsmission der GRD dennoch, schließlich wurde einerseits viel Vorarbeit an der Fahrwassertonne geleistet, andererseits konnte am Freitag ein vier Meter langes Schleppnetz geborgen werden. Dieses Relikt aus DDR-Zeiten lag vor dem Sassnitzer Hafen in einer Tiefe von neun Metern und hat ein Gewicht von rund 300 Kilogramm. Zusammen mit den 9.780 Kilogramm an Geisternetzen, welche die GRD in den vergangenen vier Jahren bergen konnte, übersprang die GRD im Rahmen des Schutzprojekts „FÜR MEER LEBEN“ jetzt die symbolische Marke von 10.000 Kilogramm.
Sigmar Solbach, 1. Vorsitzender der GRD: „Seit rund vier Jahren arbeiten wir mit unseren Unterstützern hart daran, zumindest einen kleinen Teil der todbringenden Geisternetze aus der Ostsee zu bergen. Mit der Bergung am vergangenen Wochenende haben wir nun insgesamt zehn Tonnen geborgen, die jetzt kein Unheil mehr unter den Meeresbewohnern anrichten können. Ich bin mächtig stolz auf unsere Truppe. Ich danke allen, die sich so aufopferungsvoll dafür eingesetzt haben.“
In hohem Maße verantwortlich für dieses positive Zwischenergebnis nach vierjährigem Einsatz vor Rügen ist Geisternetzexperte Wolfgang Frank, der bei jedem Einsatz die Leitung innehatte. „Geisternetze zu bergen ist eine Herzensaufgabe und Herausforderung zugleich. Sie rettet Leben und erfordert Mut sowie einen körperlich anspruchsvollen Einsatz. Ich bin sehr stolz darauf, mit vielen verschiedenen ehrenamtlichen Tauchteams der GRD über 10.000 kg Geisternetze aus der Ostsee geborgen zu haben.“ Mit Sorgenfalten auf der Stirn blickt Wolfgang Frank auf die Gesamtsituation und nimmt die Politik in die Pflicht: „Leider gibt es noch viel zu viel zu tun und wir dürfen uns auf unseren bisherigen Erfolgen nicht ausruhen. Zudem müssten meiner Meinung nach die Kosten für das Bergen herrenloser Fischernetze eine staatliche Aufgabe werden, sonst werden wir die Vermüllung niemals in den Griff bekommen!“
Rückblick auf vier Jahre Geisternetzbergungen der GRD
Der Startschuss für das GRD-Projekt „FÜR MEER LEBEN“ fiel im Oktober 2019. Verena Platt-Till, erfahrene Taucherin und Diplom-Biologin der GRD, und Kooperationspartner Wolfgang Frank arbeiteten das Konzept aus und definierten die Ziele. An erster Stelle stand und steht, die heimische und bedrohte Artenvielfalt verstärkt zu schützen, insbesondere die vom Aussterben bedrohten Ostsee-Schweinswale und Kegelrobben. Zudem lag allen Beteiligten am Herzen, Sporttaucher:innen in die Geisternetzbergungen mit einzubinden. Sie sollten die Möglichkeit erhalten, sich nachhaltig für den Meeresschutz einzusetzen.
Diese Vorgaben füllten das GRD-Team in München und Wolfgang Frank von Prora aus mit Leben. In der Folge etablierte sich eine ebenso starke wie erfolgreiche Partnerschaft, die auch durch Unwägbarkeiten wie den Corona-Lockdown nicht erschüttert wurde. Im Gegenteil. Mit einem Workshop-Format wurde die Kooperation vertieft und gleichzeitig konnte die Zahl der teilnehmenden Sporttaucher:innen sukzessive erhöht werden. Das Resultat: Viele Wracks rund um Rügen sind – selbstredend auch durch den tatkräftigen Einsatz anderer NGOs und ihrer Taucher:innen – von Geisternetzen „gesäubert“, wie Verena Platt-Till in ihrem Statement unterstreicht: „10.000 Kilogramm tödliche Fallen weniger in der Ostsee, das ist die herausragende Bilanz unseres Projekts zur Bergung von Geisternetzen ‚FÜR MEER LEBEN‘ der letzten vier Jahre. In bis zu 30 Metern Tauchtiefe ist es rundum Rügen nahezu frei von Geisternetzen und sicherer für Meereslebewesen, wie dem vom Aussterben bedrohten Schweinswal und dem gefährdeten Dorsch. Dieses erstklassige Ergebnis ist der Arbeit unseres Kooperationspartners Wolfgang Frank, den vielen ehrenamtlichen Tauchern sowie unseren Unterstützern und Sponsoren zu verdanken, auf deren Hilfestellung wir auch in Zukunft zählen. Gemeinsam sind wir stark!“
GRD