Editorial März 2022

Licht am Ende des Tunnels?

Liebe Leserinnen und Leser,

eigentlich war das Editorial für März bereits von mir verfasst worden, aber die aktuellen Ereignisse in Russland und in der Ukraine haben alles über den Haufen geworfen.

Da sah man nach über zwei Jahren gesundheitspolitischer Angstpolitik endlich ein Licht am Ende des Tunnels, da rast vom Tunnelende auf Veranlassung eines außer Rand und Band geratenen russischen „Präsidenten“, auch unter dem Nachnamen Putin bekannt, ein Angst und Tod auslösender Zug auf uns zu. Mit einem Fingerschnippen verschwindet das medial bis aufs letzte ausgelutschte Thema Omikron und seine Freunde aus den „Schlagzeilen“.

Mit Covid 19 haben Print- und Onlinemedien, ob Tageszeitungen, Medienportal oder wöchentlich erscheinendes Magazin richtig Geld verdient, denn bad news are good news. Gute Nachrichten interessieren bekanntlich in den Medien kaum einen Leser, schlechte dagegen sichern die Auflage, sehr schlechte erhöhen sie sogar. Das zieht Werbekunden an, die die hohe Verteilungsrate für ihre eigene Umsatzsteigerung interessiert.

Was Besseres, als der totale Kontrollverlust von Putin konnte den Medien gar nicht passieren. Und den an den Börsen investierenden Anlegern. Ganz klar rutschten am 24. Februar die Kurse in den Keller, aber bereits einen Tag später gings wieder bergauf, zwei Tage später sogar in einer steilen Kurve. Und da bewahrheitet sich eine altbekannte Börsenweisheit: Kaufen, wenn die Kanonen donnern. Es ist zynisch, stimmt aber bis heute.

„Da steh’ ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor!“ In der Hosentasche habe ich die Hand zur Faust geballt, der Geheimrat Goethe mag mir verzeihen. Aber was mach ich nun mit meinen Apnoeflossen von Molchanovs? Das Unternehmen ist russisch, fertigt aber, wie es sich gehört, in Asien. Via Singapur kommen sie so auch nach Deutschland und an meine Füße und diverse weitere in meinem Freitauchumfeld.

Soll ich den Testbericht im Magazin rausschmeißen, die Flossen nicht mehr anziehen oder vielleicht nur eine? Weiterempfehlen kann ich sie, was mehrfach zu Bestellungen führte, ohnehin nicht. Es ist kaum zu erwarten, dass in absehbarer ein Deal mit einem russischen Unternehmen gemacht werden kann. Und da tut mir eine russische Firma leid, die an dem ganzen durchgeknallten Unfug, den ihr Präsident anstellt, keinerlei Mitschuld hat.

Ich habe als Mitarbeiter eines ARD Senders mehrfach Filmprojekte in Russland realisiert. Ich war natürlich auch in Moskau, aber auch weit entfernt von der Hauptstadt und dort zumeist mit den wirklich dort lebenden Menschen in Kontakt, nicht mit der korrupten Funktionärsklicke oder machtmissbrauchenden Politikern. Die unheimliche Gastfreundschaft der russischen Gesellschaft hat mich immer tief berührt.

Und ich kenne auch die Krim, als sie noch zur Ukraine gehörte. Wunderbare Menschen und eine völlig unbrauchbare Schwarzmeerflotte, deren Schiffe teilweise ausgeschlachtet als Drohpotential auf Satellitenbildern benötigt werden, die seit langem im Hafen niemals mehr einsatzbereit festgemacht sind.

Und da gibt es aber auch die andere Seite, unkultivierte russischer Touristen, die in Ägypten, vor allem in Hurghada alles auf den Kopf stellten. Vor etwa 20 Jahren, als Anschläge den Tourismus ans Rote Meer lahm legten, witterten russische Reiseunternehmen ein gutes Geschäft machen zu können mit Hotels und Resorts. Diese witterten ebenso ein gutes Geschäft, es wurden Verträge mit Laufzeiten von bis zu 10 Jahren unterschrieben und die Welt schien in Ordnung.

Über den Shops in Hurghada wurden die Beschriftungen ausgetauscht, die neben arabisch auch englisch waren. Englisch verschwand und wurde durch russisch ersetzt. Als ich das das erste Mal sah, hatte ich kein gutes Gefühl. Und richtig, es dauerte nicht sehr lang, da hatten die Ägypter auch kein gutes Gefühl mehr, denn sie hatten Gäste erwartet, wie sie sie aus Westeuropa kommend kannten.

Es ist mir bis heute schleierhaft, wo die in Ägypten (und auch auf den Malediven) anlandenden  russischen Gäste rekrutiert worden waren und wie sie im Gegensatz zu ihrem Auftreten zum Geld gelangten, das ihnen die Reise mit allen Nebenkosten bezahlte. Hotels und Resorts sahen sich gezwungen, russische Gäste in den Restaurantbereichen von allen anderen Gästen zu isolieren, da ihr Verhalten am Buffet und an den Tischen höchst unappetitlich war, gepaart mit einer hohen Gewaltbereitschaft. Ich werde das Gefühl nicht los, dass der Hintergrund dieser russischen Touristen allgemein nicht in Angehörigen der Privatgesellschaft zu finden war, sondern bei Söldenern, die ein Zuckerl bekommen sollten.

Nun, der Spuk ist vorbei, die Verträge wurden nicht verlängert, auch bewirkt durch die Enthaltsamkeit westeuropäischer Reiseagenturen, die keine Gäste mehr in diese Unterkünfte vermittelte.

Heute lese ich die Meldung, dass die ägyptische Regierung das Tourismusministerium anwies, Hotels und Resorts dahingehend zu bewegen, Gäste aus der Ukraine und aus Russland über den Zeitpunkt ihrer ursprünglichen Buchung weiter zu beherbergen, da Rückflüge aufgrund des eingestellten Flugverkehrs nicht möglich sind. Gleichzeitig wird zur Vorsicht aufgerufen. Gäste aus der Ukraine und aus Russland sollten beobachtet werden, wenn der Kontakt unvermeidlich ist. Ganz ehrlich, ich kann mir nicht vorstellen, dass sich diese Gäste aus ehemaligen Bruderländern an die Gurgel gehen. Offen bleibt bei der Aktion, wer dann die Kosten für den verlängerten Aufenthalt der betreffenden Gäste bezahlen soll / wird. Das ginge eigentlich auf Putins Haus, aber da sind doch dummerweise die westlichen Konten eingefroren worden.

Bleiben Sie zuversichtlich (geklaut bei Zamparoni)

 

Herzliche Grüße, Ihr

Michael Goldschmidt