Editorial in Krisenzeit

Liebe Leserinnen und Leser,

was haben die letzten Wochen aus uns gemacht?

Ganz klar, in einem sozialen Verband, der sozialen Abstand halten muss und der durch Desinformation auf vielen hausgemachten Ebenen laufend verunsicherter wird, lebt man immer mehr von  Gerüchten. „Ich glaub, das ist so“ wechselt sich mit einem felsenfesten „geht gar nicht“ ab. Und da möchte ich noch nicht einmal unterstellen, dass dies aus Mündern dummer und / oder generell uninformierter Menschen abgesetzt werden würde.

Irgendwie wurden durch die hier in Bayern bundesweit erheblichsten Maßnahmen zur Einschränkung des öffentlichen Lebens in erster Linie jene in ihrer Urteilskraft benebelt, die sonst als erste unliebsame politische Entscheidungen kritisieren und ihre Position deutlich machen.

Schwieriger Satz? Verkürzt, aus intellektuell begünstigten und kritischen Bürgern wurden Arschkriecher. Das letzte Wort des letzten Satz würde in einem Wortbeitrag im Hörfunk schon länger mit einem „Biep“ unhörbar gemacht. Hier kann ich in ungewöhnlichen Zeiten auch einmal deutlich werden und den heißen Brei, um den sonst geredet werden würde, erst gar nicht kochen.

1933, ich habe es nicht erlebt und Sie meine Leserinnen und Leser auch nicht (wahrscheinlich), in diesem Jahr wurde ein Bespitzelungsstaat ungeheuren Ausmaßes geboren, der dann mit seiner Überwachungstaktik nahtlos 1945 in die spätere DDR überging. Irgendwie ist da der Deutsche vor gut 90 Jahren genetisch verändert worden.

Ich erlebe gerade, dass nachbarschaftliche Bespitzelung, wer gegen die in Bayern geltenden Maßnahmen verstößt, zum Tagesgeschäft wird. Über den einen, den anderen wird geredet – natürlich mit mindestens 1,5 Meter Abstand. Und wie in der Regel weiß man gar nicht, über was man eigentlich redet. Jeder schnitzt sich sein eigenes Regelwerk zusammen. Und das ist das einzig geltende.

Gut, ich habe das Pech, dass ich nicht unweit einer Bundesstraße wohne, die das kleine Dorf durchschneidet. Und ehrlich, ich genieße gerade den kaum mehr vorhandenen Verkehr. Es ist ruhig geworden. Kein Autobahn – Stauvermeidungsverkehr, den Navigationssysteme gerade zu Feiertagen  besonders auch für PKW mit gelben Kennzeichen möglich macht. Nun, der Satz ist nicht diskriminierend gegenüber einem EU Nachbarstaat, aber ihr zieht eure mit allen Lebensmitteln voll beladenen Wohnwagengespanne nur durch Deutschland, kauft wahrscheinlich noch nicht einmal einen Liter Sprit, um dann irgendwo in Österreich, Italien oder Kroatien die eigenen Vorräte an Lebensmitteln zu vernichten und dann geht’s wieder heim nach NL.

Gut, das läuft also gerade nicht.

Hörensagen Parolen lassen die Fingerspitzen jüngst selbst ernannter Blockwarte mehr als kribbeln. Gut, dass ich auf dem Land lebe, das sich gerade jetzt liberaler zeigt, als es sich die Städter jemals vorstellen konnten. Im verdichteten Lebensraum Stadt ist es grad wirklich nicht einfach, außerhalb der Wohnung, der Straße vor dem Haus, dem Weg zum Supermarkt eine andere Sicht der Dinge zu bekommen. Jedoch, der Innenminister Bayerns sagte ausdrücklich in einem Interview am 16. März, dass es erlaubt sei, an Seen oder in die Berge zu fahren, um dort spazieren zu gehen, auch Sport zu machen.

Das gilt immer noch, nur haben in der Vergangenheit die Ausflügler auf die Abstandsauflage draußen praktisch kaum reagiert, dass dem folgend ganz einfach Parkplätze an Seen oder anderen Ausflugszielen, Uferwege u.a. einfach gesperrt wurden. Auch Stege dürfen nicht mehr betreten werden.

Also ein mechanischer Feinschliff, ohne zum Erlass einen weiteren Erlass hinzuzufügen. Grundsätzlich darf man sich in der Natur aufhalten, Sport machen, musst halt nur schaun, wo du noch wie an deine bevorzugte Natur herankommst.

Jetzt habe ich Sie mit so vielen Worten auf die Folter gespannt. Jetzt kommts aber. UnterWasserWelt ist ein Tauchsportmagazin. Und das mit Sitz in Bayern. Wer die vorhergehenden Zeilen aufmerksam gelesen hat, kann sich sein eigenes Gerücht zusammenbasteln. Behördlich bestätigt ist das Tauchen in Bayern, dort, wo man auch ohne Virenalarm überhaupt ins Wasser darf, zulässig. Ja, hier muss man schon in normalen Zeiten aufpassen, wo die Flossenspitze nass werden darf, ungestraft.

Dass sich das Thema Tauchen gerade durch viele dem Shut Down geschuldeten Maßnahmen eher minimalisiert, die Tauchshops und entsprechend die Füllbetriebe geschlossen sind, ist Fakt. Wer behauptet, das Tauchen sei aktuell in Bayern verboten, der irrt.

Ich möchte und werde hier natürlich keinen Run auf die Seen auslösen, das ist gerade in Bayern hinsichtlich von Detailfragen, Abstandsauflagen, sicherlich nicht zu befürchten. Was mich allerdings wundert, sind Diskussionsbeiträge in sozialen Medien, die auf den Hinweis, dass man in Bayern Tauchen darf,  zum Teil irrwitzig selbstkritische Statements beinhalten. Dass sich engagierte Taucher tiefüberzeugt derart selbst ans eigene Bein pinkeln, das hat mich wirklich überrascht.

Andererseits, in Bayern ist das Motorradfahren aktuell nicht gestattet. Hohes Unfallrisiko, Rettungskräfte usw., alles einsichtig. Nur nicht unbedingt bei den „hellen“ Mopedfahrern. Was hier über die B304 donnerte mit bevorzugt nicht zulässigen Auspuffanlagen – erstaunlich. Entsprechende Posts in den sozialen Medien werden völlig runtergeputzt. Da bekommt jeder, der sich über das Verbot setzte und akustisch provozierte noch ein Like.

Hab ich jetzt da vielleicht schon auch denunziert?

 

Bleiben sie gesund und behalten Sie ihren gesunden Verstand

Michael Goldschmidt