Apnoe-Passion Praxis: Aufs Gramm kommts an, die Sache mit dem Halsblei

Nur ein optimal ausgewogener Einsatz von Blei führt beim Streckentauchen zu besten Ergebnissen

Beim Freitauchen ist die optimale Bilanz der Zusatzgewichte schlicht das A und O des Erfolgs, der Leistungssteigerung. Dabei spielt das Halsblei eine führende Rolle, um den Körper in die ideale Tauchlage zu bringen. Blei an der Hüfte allein genügt da nicht, den Body entspannt  waagrecht und hydrodynamisch entsprechend ökonomisch auszurichten.

Ich muss nicht lang nachdenken, möchte ich mir vor Augen führen, welche Frage beim Apnoe- und/oder Gerätetauchen an Tauchlehrer am häufigsten gestellt wird: Wieviel Blei brauche ich? Für Gerätetaucher ist ein Kilo zu viel kein Beinbruch, das wird vom Jacket kompensiert, für Freitaucher ist dies aber völlig kontraproduktiv. Sagt der Volksmund – Viel hilft viel – stößt diese Weisheit hier an ihre absolute Grenze.

Die Leistungen von Streckentauchern sind tatsächlich von der idealen Ausgewogenheit unter Wasser abhängig. Und natürlich auch vom eigenen Bewegungsablauf, dem eigenen Leistungsmanagement. Doch wenn keine horizontale Wasser / Tauchlinie eingehalten werden kann, weil Auf- oder Abtrieb Korrekturen erfordern und entsprechend Sauerstoff verbraucht wird, kann das Streckenziel des Tauchgangs nicht erreicht werden. Und da muss man zum Grammfuchser werden.

Erstaunlich ist in der verhältnismäßig jungen Apnoesportszene der Basteltrieb, geht es um Lösungen für Halsblei. Profilierten sich seinerzeit Gerätetaucher mit fetten Unterwasserlampen aus eigener Bastelwerkstatt, die nicht selten ein nicht ungefährliches Feuerwerk unter Wasser entzündeten, sind es nun in der Freitauchszene mit Bleigranulat befüllte Fahrradschläuche, auf unzähligen Webseiten zum Nachbau prostituiert. OK, das geht, denn die europäische Regulierungswut hat hier noch nicht zugeschlagen. Doch für sich selbst sollten da doch auch einige sicherheitsrelevante Punkte beachtet werden.

Es gibt keine Norm, wie eng ein Halsblei anliegen darf. Dabei wäre das der erste zu beachtende Punkt, damit beim Tragen des Tariermittels kein negativer Einfluss auf die Halsschlagader und weitere Blutgefäße ausgeübt wird. Auch wenn beim Streckentauchen alles so nah wie möglich am Körper integriert sein soll, das Halsblei muss physiologisch einwandfrei passen.

Aber, ist das Halsblei, also ein   mit Bleigranulat selbst befüllter Gummiring, tatsächlich die Ideallösung oder gibt es da noch mehr Ansätze, die, weg von der martialischen Bastelszene, Produkte anbieten? Professionelle Lösungen?

Solche Angebote gibt es zweifelsohne, breit gefächert und in einem breit gefächerten Preispektrum.

Die Erfahrung lehrte mich auf jeden Fall, auf Halsblei – Systeme zu verzichten, die so ausgelegt sind, dass ein falscher Handgriff am Klettverschluss das Reservoir des Bleigranulats ins Trainingsbecken oder dessen Überlauf am Beckenrand entleert. Und da sind leider so einige Produkte im Umlauf. Das ist tiefstes Apnoe – Mittelalter und macht keine Freunde bei den Verantwortlichen der Schwimmbäder, die uns überhaupt ein Training ermöglichen.

Geiz ist geil, dieser üble Spruch muss endlich auch in der Freitauch – Community gelöscht werden. Oder Sicherungstaucher erwarten Tieftaucher nur noch auf halber Sicherungstiefe…

Selbstgebautes Halsblei mag den Bastler mit Stolz erfüllen, ist aber mittlerweile wenig zielführend. Außer, es wird ausschließlich und überall mit einer identischen Konfiguration der Ausrüstung getaucht. Je engagierter Freitauchen betrieben wird, umso mehr Varianten finden sich im Equipment. Anzüge unterschiedlicher Materialstärken, Bi- und Monofins, sie beeinflussen die Feintarierung mit Blei.

Schaue ich in meinen Ausrüstungspool, sind hier verschiedene Anzüge von 0,5 bis 5,5 Millimeter Materialstärke griffbereit, dazu diverse Bi- und Monofins, die materialbedingt alle ihre Eigenheiten haben und auf den optimal Trimm  großen Einfluss haben.

Halsblei ist nicht nur ein „Professionalität“ versprühendes Ausrüstungsteil, es ist vielfach der Schlüssel zum Erfolg beim Streckentauchen, wenn es sensibel abgestimmt wird. Es muss zur Verteilung des körpereigenen Auftriebs passen, zum Auftrieb des Anzugs, zur Bleimenge am Anzug.

Zu wenig Blei am Bauchgurt mit mehr Gewicht am Halsblei auszugleichen, ist ein beliebter Fehler. Videoaufnahmen so tarierter Taucher, die deutlich eine Schieflage zeigen, lassen die so konfigurierten Taucher schnell umdenken.

Aber wie schnell geht so ein Umdenken? Macht das Halsblei denn da überhaupt mit? Allgemein sind selbst gestaltete Produkte nicht darauf ausgelegt, noch mit den Füßen im Wasser am Beckenrand schnelle Anpassungen vornehmen zu lassen. Die mit Bleigranulat befüllten Würste können erst in der heimischen Werkstatt modifiziert werden. Da geht wertvolle Trainingszeit verloren. Und/oder hat man sich vielleicht sogar 3 oder mehr Varianten an Eigenbau – Halsblei hergestellt, dann ist das keineswegs kostengünstig, denn das vernickelte Bleigranulat ist nicht ganz billig.

Sinn machen nur Halsblei – Systeme, die eine Veränderung der Gewichte schnell am Beckenrand zulassen. Angepasst aufs Equipment des Tages. Aber welches ist optimal? Da kann man unterscheiden, welches System sehr feine Gewichtsanpassungen zulässt, welches eher etwas großzügiger ausgelegt ist.

Die nachfolgende Beurteilung spiegelt unsere Erfahrungen wieder und ist nur eine Auswahl der Produkte, die am Markt erhältlich sind.

Nach der unvermeidlich frühen Phase, mit Bleischrot gefüllter Systeme, kam der Wechsel zum FLEX Halsblei, in das in Neoprenkammern anatomisch angepasste Bleistücke von je 250g  (mitgeliefert) eingesetzt werden. Eine Fastexschnalle schließt den Kreis, die Halsweite ist an einem kurzen Gewebegurt anzupassen. Der Austausch der Bleistücke ist etwas fummelig aber insgesamt in Ordnung. Zwischen den Apnoetauchgängen braucht man eh ein paar Minuten Erholungsphase. Die Gewichtsanpassung bewegt sich zwischen 250g und 2500g. Erhältlich in einer Reihe von Farben. Wie setzen violett und blau ein.

Der Discounter Decathlon bietet zum Jubelpreis aus seiner Linie SUBEA ein Halsblei an, das mit 1,5kg Bleischrot befüllt ist, im Schnitt etwas bemüht, das Gewicht vom Hals allein zu trennen, hin, einen Hauch hin zur Schulter. Klettverschluss am Hals, keine Ausbaumöglichkeiten.

BESTDIVERS ging einen Schritt weiter. Das Halsblei ist von vorneherein mit 1kg Bleischrot befüllt, der Kragen wird mit Klettverschluss verbunden. Zur Schulter und zum Ansatz der Wirbelsäule gibt es eine Erweiterung mit zwei Taschen, mit Zipper versehen, in die je ein BESTDIVERS Softweigt mit 1kg bzw 500g eingesetzt werden können.  Die Gewichtsanpassung bewegt sich zwischen 1000g und 2500g in 500g Schritten. In der Praxis ist das BESTDIVERS Halsblei gewöhnungsbedürftig, denn die Bleitaschen auf der Schulter sind konstruktiv nicht versteift, so dass bei einer Wende unter Wasser, so sie nicht zu 100% horizontal erfolgt, die Bleitaschen zum Genick hin abklappen. Das irritiert dann doch. Erhältlich in Farbkombination rot und schwarz.

Auch das System von Apneautic setzt auf unkomplizierte Variation des Gewichts, wobei es sich hier ausschließlich um einen variablen Ring als Halsblei handelt. Dieses System haben wir nicht selbst ausprobiert.

Fast wie Gold lässt sich das Halsblei LOBSTER aus Moldavien aufwiegen. Aber die führenden Apnoeathleten weltweit haben sich ein Lobster Halsblei geleistet. Ja, es ist intelligent gemacht, ein anatomisch geformtes Grundgewicht umfasst seitlich den Hals und leitet weitere Gewichtskorrekturen Richtung Wirbelsäule. Und dort kann das Halsblei nach Art eines Hummerschwanzes mit weiteren Gewichtssegmenten bestückt werden. Schnell. Das Training muss zur Adaption, zum Finden der idealen Gewichtsbilanz nicht unterbrochen werden. Irgendwie ist das Lobster Halsblei so magisch, dass ich in Kauf nahm, die € 179,00 Grundpreis ungeachtet der dann addierten Steuer und Versandkosten, die noch einmal € 100,00 ausmachten, zu bestellen.

Fazit

Im Freitauchsport wird allgemein übersehen, welchen großen Einfluss die optimale Gewichtsbilanz auf den persönlichen Erfolg hat. Wir haben es in der Saison 2020 intensiv ausprobiert, hier Blei weg, da Blei hin, Blei ganz weg und dann neu ausgewogen abgetaucht. Und da waren dann persönliche Bestleistungen am Ende unübersehbar.

 

Auswahl von Anbietern und Herstellern

https://www.decathlon.de/p/apnoe-halsblei-frd-500-1-5-kg/_/R-p-305637

http://www.apnoestore.de/produkt/halsblei-professional/

https://neckweight.si/

https://lobsterweight.com/en/article/5a31176cc5385a00c83124b6/

https://www.freedivershop.de/apneautic-freediving-neck-weight

 

Petra Ney