Editorial Dezember 2025

Vom Fremdwort Marketing

Marketing

Liebe Leserinnen und Leser,

wenn die Tage kürzer und dunkler werden, finde ich manchmal etwas mehr Zeit, um redaktionell adressierte Mails und Anhänge nochmal aufzurufen, die nicht unbedingt gleich hätten bearbeitet werden müssen. Hätten umschreibt manchmal auch elegant, dass etwas aus den Augen verloren worden war, schlicht, so weit in den gedanklichen Hintergrund rückte, es wurde ehrlich vergessen.

Es gibt aber auch einen Grund, warum ich nicht gleich ein Dokument durcharbeite, wenn es nämlich sehr umfangreich ist und 119 Seiten umfasst, wie die Studie „Tauchen in Zukunft 2024“. Diese wurde im Auftrag des Tauchsport – Industrieverbandes tiv und der Messe Düsseldorf 2024 in Auftrag gegeben und Anfang Januar das Ergebnis als PDF verteilt.

Zu diesem Zeitpunkt haben andere redaktionelle Themen den Vorrang, die anstehende Messe boot stand da an erster Stelle, verknüpft mit den News zu Neuprodukten und begleitende Recherchen. In den vergangenen Jahren war es ohnehin immer schwieriger geworden, Marketingnews von den Tauchsportlabels zu bekommen. Zuletzt war nur noch ein einziges großes, junges Label aus Deutschland mit Pressemeldungen aktiv. Und hier sieht es aufgrund personeller Umstrukturierungen so aus, als würden von dort vorerst auch keine News mehr kommen.

Tauchsportindustrie und Marketing in einem Satz zu nennen, halte ich mit Blick auf die letzten 15 Jahre ohnehin schon für mutig. Diese Kombination war schlicht auf die teuren Messeaktivitäten herunterreduziert worden. Endverbraucher – so weit als Messebesucher zugelassen – Händler und Medien können sich ja an den Ständen informieren. Das daraus resultierende Ergebnis ist aus Sicht eines wirksamen Unternehmensmarketings geringwertig.

Da wird dann vom Reporter verkürzt aus dem Gedächtnisprotokoll geschrieben, was der die Produkte vorstellende Mitarbeiter am Messestand grad so zu erzählen weiß, dazu ein paar schnell geschossene Fotos im Ambiente des Stands. Beides wird dem Marketinggedanken hinten und vorne nicht gerecht.

Hauptsache, man findet in einer Online – News zur Messe mit geringem Haltbarkeitsdatum eine Bestätigung. Und die zwei, drei Seiten Messerückschau in einem Printmedium füllt nur „ganz wichtig“ zuvor unbedrucktes Papier, nach drei Wochen ist es dann bereits Altpapier und auch hier löst sich der Marketinggedanke „Hauptsache einfach und billig“ – ich möchte nicht sagen – in Wohlgefallen auf.

Dass die Prints zum Thema Tauchsport mittlerweile kaum noch eine interessante Reichweite haben, wird ignoriert. Die Altersstruktur der – vielleicht – erreichten Printleser liegt bei durchschnittlich 51,6 Jahren, diese Klientel ist nicht als kauflustig zu beschreiben. Sie haben schon alles – seit Jahren – und für die zwei Wochen Rotes Meer ist kein dringender Neubedarf zu erkennen. Die eklig pissegelb verfärbte, einst transparente Maske, hält schon noch 10 Jahre.

Ich sage es offen, es ist nicht die Aufgabe der Redaktion einer Special Interest Magazins zum Thema Tauchen durch investigative Recherche in Erfahrung zu bringen, was denn die Unternehmen, produzierend, ausbildend oder Reisen veranstaltend, an Neuigkeiten in den Markt zu bringen gedenken. Das ist aber mittlerweile der status quo. Da muss aber geliefert werden. Wir spüren keine Skandale auf, obwohl…

Der Außendienst wird’s schon richten. Kann man machen, wird auch gemacht. Es gibt aber immer weniger qualifizierte Tauchsportläden. Also reduziert sich die Verteilung der Neuigkeiten weiter und erreicht nur noch die ohnehin geringe Menge von im Shop vorstelliger Kunden. Die meisten kommen auch nur auf einen Kaffee vorbei. Stammkunden.

Anstatt um jeden Kunden wirklich zu kämpfen, wird das Heil im wunderbaren Sozial Media gesucht. Kostet ja nix. Die Kosten tragen ja die Sponsoren….. Influencer sind angesagt und Instagram.

Hier kann ich dankenderweise sagen, dass selbst mit dem Grundlevel ausgebildete Sporttaucher von Infaulenzern und deren billigen Storys überwiegend nicht angesprochen werden. Das funktioniert vielleicht bei Babywindeln oder Staubsaugern. Nach der eingangs genannten Studie fühlen sich weniger als 1/3 der Taucher an Influencer / Instagram für eine Entscheidungsfindung interessiert.

Man kann als Entscheidungsträger natürlich auf dieser Ebene die Tauchsportszene noch weiter in die Tiefe, die wirtschaftliche Tiefe und Bedeutungslosigkeit schicken. Aber das ist ja schick, hat die Politik im Land ja schon über 4 Jahre praktiziert.

Influencer ist für mich ohnehin ein Begriff, mit dem ich große Probleme habe. Ich habe einige kennengelernt, die sich in der Tauchsportszene eingezeckt haben. Ihr wohltuend verkaufter Beweggrund: Ausrüstung, Reisen abzugreifen und als wichtig erwähnt zu werden. Mir ist es egal, was ihnen an Leistungen zuteilwird, aber was die Tauchsportszene braucht, ist wirkliches Marketing. Kein billiges Erscheinungsbild in Instagram oder Tiktok. Das verfehlt alles an Seriosität, die der Tauchsport braucht. Truth Media Scuba Diving. Powerd by Donald Trump…

Ich vergleiche Tauchen immer schon mit dem Fliegen. Die Ansprüche sind ähnlich. Gesundheit, gute Ausbildung, Umgang mit Instrumenten, Planung, Einhaltung von Routinen, Verständnis für das gesamte Procedere, höchste Verantwortung für sich und die Begleiter.

Da ist einfach so viel mehr… wertvolles, persönlich aufwertendes, neue Ziele erkundendes

Wäre es nicht wunderbar, wenn die Tauchsportszene mal auf den Reset – Knopf drücken und all den „Marketing“ – Unfug löschen und ein seriöses, anspruchsvolles Erscheinungsbild aufbauen würde? Es muss ja nicht die überforderte GEN Z Gruppierung erreicht werden, die lass ich außen vor, sie hat ja schon im Sandkasten überlebenstechnische Probleme.

Tauchsport, Tauchsportausbildung, Tauchsportausrüstung hat endlich verdient, wieder als angesehene sportliche Aktivität mit unglaublichen Entwicklungsmöglichkeiten erkannt, anerkannt zu werden.

Taucher erkunden ungebundener mehr, als Piloten je können. Taucher müssen vielfach mehr im Blick behalten als Piloten, sie müssen aktiv biometrische Daten kontrollieren. Und darauf reagieren.

Und das geht nur mit einem Imagewandel. Tauchen – Fliegen – Verantwortung. Mal wieder auf den Boden kommen.

Jedem grundausgebildeten Taucher eine Plastikkarte für ein fadenscheinigesTaucher – Ego in die Hand drücken und auf nimmer Wiedersehen verabschieden, weitverbreitete Praxis. Geht’s noch?

Wer die umfangreiche Studie „Tauchen in Zukunft 2024“ als PDF anfordern möchte, schreibt eine eMail an redaktion@unterwasserwelt.de Betreff STUDIE 2024.

Haben Sie alle eine wunderschöne Weihnachtszeit, danke für die unzähligen Aufrufe meiner gesamten EDITORIALs, auch 2025.

 

Herzliche Grüße

Michael Goldschmidt