Hitzestress im Riff – was führt zur Korallenbleiche?

Neue Aufschlüsse über die Reaktion von Rifforganismen auf Hitzestress

Korallenbleiche
Probenentnahme in den Florida Keys, Tennessee Reef. © Marleen Stuhr, ZMT

Hitzestress im Riff – was führt zur Korallenbleiche? Ähnlich wie Korallen bleichen auch Foraminiferen (auch Kammerlinge genannt), die in tropischen Riffen leben, bei steigender Wassertemperatur. In der Meereswissenschaft können die winzigen Einzeller gezielt als Modell eingesetzt werden, um die Auswirkungen des Klimawandels auf kalkbildende Organismen wie Korallen zu untersuchen. Ein Team des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT), des Leibniz-Instituts für Analytische Wissenschaften (ISAS) und der Universität Bremen hat erforscht, wie tropische Foraminiferen in Korallenriffen und deren symbiontische Algen (Symbiose bezeichnet das enge Zusammenleben von Individuen zweier unterschiedlicher Arten, die für beide Partner vorteilhaft ist) auf molekularer Ebene mit steigender Meerestemperatur umgehen. Durch neue eiweißbezogene Untersuchungsmethoden ist es ihnen erstmals gelungen, die Reaktionen des Wirts und seiner Symbionten auf Hitzestress zu unterscheiden. Als Ergebnisse wurden diese neuen Aufschlüsse über die Reaktion von Rifforganismen auf Hitzestress im vom Leibniz-Wettbewerb geförderten Projekts im Fachjournal Scientific Reports veröffentlicht.

Foraminiferen sind überall im Ozean zu finden – von der Gezeitenzone bis zu den tiefsten Meeresgräben, von den Tropen bis zu den Polen. Einige Arten treiben als Plankton im Wasser, andere leben am Meeresboden. Da sie ein Kalkgehäuse bilden, spielen diese winzigen Organismen eine wichtige Rolle in Riffen bei der Entstehung von Sediment.

Wie tropische Korallen können auch einige Arten von Foraminiferen nur in Symbiose mit Algen existieren. Diese Symbionten leben in der Zelle ihrer Wirtsorganismen und versorgen sie mit Energie. Bei veränderten Umweltbedingungen wie etwa steigender Wassertemperatur oder Lichtintensität ändert sich die Eiweißzusammensetzung der Foraminiferen und ihrer symbiontischen Algen. Dies kann die Lebensgemeinschaft schädigen und zur Bleiche führen, ähnlich der Korallenbleiche.

Eine systematische Analyse der Proteine, die sogenannte Proteomik, kann Aufschluss über den physiologischen Zustand des Organismus geben. Doch wer ist schlussendlich für die Stressreaktion verantwortlich: die Foraminifere und somit der Wirt, oder die Alge, der Symbiont?
Dieser Frage ist ZMT-Wissenschaftlerin Marleen Stuhr in ihrer Doktorarbeit unter Anleitung von Prof. Dr. Hildegard Westphal (Arbeitsgruppe Geoökologie und Karbonatsedimentologie) nachgegangen. Über verschiedene Zeiträume und Intervalle hat sie Foraminiferen der Gattung Amphistegina und deren symbiontische Algen (Diatomeen) erhöhten Temperaturen ausgesetzt. Gemeinsam mit Prof. Dr. Albert Sickmann, Bioanalytiker am ISAS, und Prof. Dr. Michal Kucera, Mikropaläontologe am MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen, passte die Geoökologin neue proteomische (Eiweiß) Analyse-Methoden, auf Foraminiferen an. So ist es dem Team erstmals gelungen, die Beiträge der Einzeller und ihrer Symbionten zur Stressreaktion aufzuschlüsseln.

„In den Algensymbionten sahen wir einen Anstieg der Proteine, die auf den Abbau geschädigter Zellkomponenten und Zelltod hinweisen, während die Proteine für die Photosynthese abnahmen – ein klares Zeichen, dass dieser Prozess der Energiegewinnung nicht mehr funktionierte“, erklärt Marleen Stuhr.

Hitzestress im Riff
Eine teilweise gebleichte Foraminifere Amphistegina gibbosa nach einem Monat Temperaturstress (32°C), unter dem Fluoreszenzmikroskop. © Erik Freier, ISAS

Der Wirtsorganismus hingegen scheint weniger anfällig zu sein, so die Wissenschaftlerin. „In den temperaturgestressten Foraminiferen konnten wir zwar einen eindeutigen Anstieg der Proteine nachweisen, die für die Zellreparatur benötigt werden, da die gestressten Symbionten ihren Wirt schädigten. Die Foraminiferen passten sich jedoch den neuen Bedingungen an, bezogen ihre Energie nun vermehrt aus ihren Energiespeichern und nahmen mehr Stoffe aus der Umgebung auf.“

Mitautor Prof. Dr. Albert Sickmann vom ISAS ergänzt: „Anhand physiologischer Messungen war es Forschern bisher nur begrenzt möglich, die molekularen Abläufe in Foraminiferen zu bestimmen und die Reaktion auf Umweltstress dem Wirt oder dem Symbionten zuzuordnen. Auch die Untersuchung einzelner Proteine erwies sich bei den mikroskopisch kleinen Foraminiferen als schwierig, da Wirt und Symbiont nicht getrennt werden konnten. Die Methoden der Proteomik können uns jetzt ganz neue Erkenntnisse liefern.“

Im Labor setzte das Forscherteam die Foraminiferen einen Monat lang verschiedenen Temperaturen aus und zerteilte die Proteine der Organismen mitsamt ihren Symbionten anschließend in kürzere Abschnitte (Peptide). Die Menge und Masse dieser Bestandteile wurden über Massenspektrometrie bestimmt. Marleen Stuhr und ihre Kollegen erstellten eine Datenbank aller bekannten Gen- und Peptidsequenzen von Foraminiferen und ihren Symbionten, in diesem Fall Diatomeen (Kieselalgen). Über den Vergleich der detektierten Peptidmassen mit der Datenbank konnten sie bestimmen, welche Proteine vorhanden waren und von welchem der beiden Symbiosepartner sie stammten. Anhand der Signalintensität ¬ – der Höhe der Peaks in den Massenspektren – konnte die Menge der jeweiligen Proteine und deren Veränderung im Vergleich zu nicht gestressten Organismen festgestellt werden. Über die Funktionen der Proteine und ihre relativen Mengenveränderungen konnten schließlich die biologischen Prozesse und zellulären Vorgänge rekonstruiert werden.

Hitzestress im Riff
Foraminifere Amphistegina lessonii (Durchmesser von ca. 1 mm): Die grün-braune Färbung links oben zeigt die Symbionten, die sich in die äußere Kammer bewegt haben. © Marleen Stuhr, ZMT

Als Fortführung ihrer Arbeit plant Marleen Stuhr den Proteomikansatz auch auf Korallen zu übertragen. „Das würde Aufschluss darüber geben, welche zellulären Anpassungen in der Koralle, also dem Wirt, und den Zooxanthellen, den Symbionten, bei Umweltveränderungen stattfinden. Es würde uns helfen zu verstehen, welche Faktoren manche Organismen resistenter gegenüber bestimmten Stresseinflüssen machen. Dies ist wichtig, um Korallenriffe hinsichtlich ihrer Widerstandsfähigkeit besser zu managen“, sagt die Wissenschaftlerin.

Publikation:
Marleen Stuhr, Bernhard Blank-Landeshammer, Claire E. Reymond, Laxmikanth Kollipara, Albert Sickmann, Michal Kucera & Hildegard Westphal “Disentangling thermal stress responses in a reef-calcifier and its photosymbionts by shotgun proteomics”, Scientific Reports, (2018). DOI: 10.1038/s41598-018-21875-z

Link: www.nature.com/articles/s41598-018-21875-z

Über das ZMT:
Das Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen widmet sich in Forschung und Lehre dem besseren Verständnis tropischer Küstenökosysteme wie Mangroven, Seegraswiesen, Korallenriffen, Ästuaren und Auftriebsgebieten. Im Mittelpunkt stehen Fragen zu ihrer Struktur und Funktion, ihren Ressourcen und ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber menschlichen Eingriffen und natürlichen Veränderungen. Mit seiner Arbeit schafft das Institut eine wissenschaftliche Grundlage für den Schutz und die nachhaltige Nutzung dieser Lebensräume. Das ZMT führt seine Forschungsprojekte in enger Kooperation mit Partnern in den Tropen durch, wo es den Aufbau von Expertise und Infrastruktur auf dem Gebiet des nachhaltigen Küstenzonenmanagements unterstützt. Weitere Informationen unter www.leibniz-zmt.de

Hitzestress im Riff
Verschiedene Foraminiferen Amphistegina gibbosa in unterschiedlichen Stadien der Bleiche. Die Färbung reicht von gesundem Goldbraun zu Weiß der fast völlig gebleichten Organismen. © Marleen Stuhr, ZMT

Über das ISAS:
Das Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften – ISAS – e.V. treibt die Entwicklung analytischer Technologien als Baustein des wissenschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Fortschritts voran. Durch die Kombination unseres Fachwissens aus Chemie, Biologie, Physik und Informatik machen wir messbar, was heute noch nicht gemessen werden kann. Mit unseren Innovationen möchten wir die Prävention und Frühdiagnose von Krankheiten verbessern und schnellere und präzisere Therapien ermöglichen. Das Institut wurde vor mehr als 60 Jahren in Dortmund gegründet und hat etwa 200 Mitarbeiter an zwei Dortmunder Standorten sowie einem Standort in Berlin-Adlershof. Weitere Informationen unter www.isas.de.

Über die Leibniz-Gemeinschaft:
ZMT und ISAS sind Mitglieder der Leibniz-Gemeinschaft, die 93 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz- Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz- Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungs-verfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.600 Personen, darunter 9.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,7 Milliarden Euro. Weitere Informationen unter www.leibniz-gemeinschaft.de

 

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