ZMT: Neue Studie zur Anpassungsfähigkeit großer Korallenriffe an die Klimaerwärmung

Können sich Korallenriffe auf die veränderte Klimasituation einstellen?

Korallenbleichen wie diese vor Saudi Arabien werden in Zukunft vermutlich immer häufiger werden. (Foto: Claudia Pogoreutz, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung).

Eine neue Studie des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) berechnet anhand eines Modells und von Daten aus dem Feld, inwieweit große Korallenriffe wie das Great Barrier Reef vor der australischen Küste in der Lage sein werden, sich auf lange Sicht der Ozeanerwärmung anzupassen.

Viele Steinkorallen leben in einer Symbiose mit einzelligen Algen, die die Grundlage für die Entstehung der großen Korallenriffe darstellt. Erst die Photosyntheseprodukte der Algen versorgen die Korallenpolypen mit der nötigen Energie, um teils meterhohe Kalksteinstrukturen aufzubauen. Wenn die Meerestemperatur die Wärmetoleranz der Lebensgemeinschaft von Korallen und Algen übersteigt, bricht diese Beziehung jedoch zusammen und führt dazu, dass die Koralle ihre symbiontischen Algen abstößt, ausbleicht und letztendlich abstirbt.

Für die Zukunft der Korallenriffe ist es von entscheidender Bedeutung, ob die Korallen in der Lage sein werden, sich ausreichend schnell an die höheren Temperaturen anzupassen. Korallen können auf unterschiedliche Weise auf die globale Erwärmung reagieren: etwa indem sie sich in günstigeren Lebensräumen ansiedeln, sich genetisch adaptieren oder sich akklimatisieren.

Noch finden sich in der Karibik Korallenriffe wie dieses Riff vor Curaçao, die weitgehend intakt sind. (Foto: Lisa Röpke, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung)

Da die meisten Korallenarten am Meeresboden festsitzen, kann eine Übersiedlung in kühlere Meeresregionen nur erfolgen, indem sich die freischwimmenden Korallenlarven neue Regionen erobern. Das ist ein sehr langsamer Prozess, der zudem von den vorherrschenden Strömungen beeinflusst wird. Auch eine genetische Adaption, bei der ein Selektionsdruck die Häufigkeit von Genvarianten in den aufeinanderfolgenden Generationen beeinflusst, geht oft nur sehr langsam vonstatten.

„Wir sind in unserer Studie davon ausgegangen, dass die Akklimatisierung Korallen eine größere Chance bietet, sich der globalen Erwärmung anzupassen,“ erklärt Prof. Dr. Agostino Merico, Wissenschaftler am ZMT und einer der Autoren der Publikation. „Dabei wandeln sich als Reaktion auf Umweltveränderungen die Eigenschaften eines Individuums innerhalb seiner Lebenszeit.“ So können Korallen beispielsweise Hitzeschockproteine produzieren, die sie resistenter gegen Wärmestress machen.

Die Autoren der Studie entwickelten ein mathematisches Modell, das es erlaubt, in Kombination mit Daten aus der Feldforschung die Geschwindigkeit abzuschätzen, mit der sich Korallengemeinschaften auf natürliche Weise an die globale Erwärmung akklimatisieren könnten. In dem Modell setzten die Forschenden drei große Riffökosysteme verschiedenen Szenarien mit niedrigen, mittleren und hohen CO2-Emissionen aus: das Great Barrier Reef in Australien sowie Riffe der Karibik und des Korallendreiecks in Südostasien.

„Frühere Modellierungsstudien haben die Möglichkeit der Akklimatisierung nicht berücksichtigt“, so Agostino Merico. „Darüber hinaus ist wenig über die Geschwindigkeit bekannt, mit der Korallen sich akklimatisieren können. Das ist aber ein Aspekt, der für zuverlässige Vorhersagen über die Zukunft der Korallenriffe bei steigenden Temperaturen entscheidend ist.”

Die Modellsimulationen ergaben, dass die Akklimatisierung der Korallen ein gewisses Maß an Schutz bieten kann, indem sie den Rückgang einiger Riffe wie des Great Barrier Reefs verzögert. Die derzeitigen Akklimatisierungsraten werden jedoch nicht ausreichen, um die Korallen langfristig vor der globalen Erwärmung zu schützen. Die Modellergebnisse deuten auf einen erheblichen Rückgang der Korallenbestände in einem Zeitraum von 80 bis100 Jahren in allen drei Meeresgebieten hin, der je nach Region und dem Klimawandelszenario zwischen 12 % und 55 % liegt.

Korallen sind Lebensräume für eine Vielzahl anderer Organismen und erbringen wichtige ökologische Leistungen für Millionen von Menschen – wie etwa Küstenschutz, Nahrungsressourcen oder Wirkstoffe für Medikamente. Ihr Verschwinden würde somit verheerende Auswirkungen für die Menschheit haben.

“Unsere Ergebnisse unterstreichen, wie dringlich präzise Schätzungen der Fähigkeit und Geschwindigkeit sind, mit der sich Korallen auf natürliche Weise akklimatisieren. Dabei sollten auch Laborexperimente einbezogen werden“, meint Agostino Merico. „Globale Lösungen zur Verringerung von Emissionen, Managementmaßnahmen zur Minimierung lokaler Gefährdungen der Riffe und die vom Menschen unterstützte Evolution bleiben die ultimativen Strategien zum Schutz von Korallenriffen“, ergänzt der Forscher.

www.leibniz-zmt.de

 

Susanne Eickhoff
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