Wassersportbranche: Neuer Bürokratiewahn aus Berlin trifft auch Tauchbasen, die mit einem Boot ihre Gäste zum Tauchplatz bringen

Bootsbranche protestiert gegen sogenanntes Kleinschifferzeugnis

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Führerscheinfrei für Charterkunden, Berufspatentpflichtig für Mitarbeiter: Typische Hausboote haben eine Spitzengeschwindigkeit von etwa 10 Stundenkilometern

Energischen Widerstand haben die Wassersportbranche und zahlreiche Wassersportverbände in Sachen Kleinschifferzeugnis angekündigt. Zur Erinnerung: Im Januar hatte das Bundesverkehrsministerium über das ministeriumseigene Internetportal elwis.de bekannt gegeben, dass künftig auch für Sportboote ein Berufspatent notwendig sein würde, wenn das Sportboot aus gewerblichen Gründen bewegt werde.

„Wir haben sofort das Gespräch mit dem BMDV gesucht“, berichtet Karsten Stahlhut, Geschäftsführer des Bundesverbandes Wassersportwirtschaft, der zunächst an einen Irrtum des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr glaubte (BMDV). „Es kann doch nicht sein, dass man den vielen Beschäftigten der Wassersportbranche, die professionell mit Booten zu tun haben, aus heiterem Himmel einen zusätzlichen Führerschein aufbrummt. Doch genauso ist es.“

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„Herr Wissing, setzen Sie diesem Bürokratiemonster bitte ein Ende“ – Karsten Stahlhut koordiniert den Widerstand der Bootswelt gegen das Kleinschifferzeugnis.

Nachdem es zunächst vom Ministerium hieß, man habe eine neue EU-Richtlinie umzusetzen, rückte man davon später wieder ab und gab als Begründung lediglich an, man habe eine Regelungslücke erkannt und diese schließen wollen. „Das zuständige Referat hat in den folgenden weiteren Gesprächen eingeräumt, dass es keinerlei Hinweise auf Sicherheitsprobleme durch gewerbliche Fahrten mit Sportbooten gibt“, so Stahlhut weiter. Mit diesem zusätzlichen Führerschein werde also die Berufsausübung für den größten Teil der rund 40.000 Beschäftigten der Branche erschwert, wenn nicht sogar verhindert. Und das ohne dass es dadurch einen Gewinn an Sicherheit auf dem Wasser gebe. „Wir brauchen in der Branche jede Arbeitskraft, da bedeutet ein zusätzlicher Führerschein, weiteren Fachkräftemangel auf dem Verordnungswege herbeizuführen“, erläutert Stahlhut.

Noch bis Anfang 2025 können die Beschäftigten der Branche relativ unkompliziert ihre vorhandenen Sportbootführerscheine bei der Generaldirektion Wasserstraßen (GDWS) einreichen, um ein Kleinschifferzeugnis ausgestellt zu bekommen. Ab 17. Januar 2025 müssen künftige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Segel- und Bootsschulen, Werften, Charterunternehmen, Bootshändlern und –ausrüstern, Häfen sowie Journalisten, die auf dem Wasser recherchieren vor der Generaldirektion Wasserstraßen eine Prüfung ablegen. Für diese Prüfung wird es keinen Fragenkatalog geben, wie man es von den Führerscheinprüfungen her kennt, sondern es wird allgemeine Sachkunde in verschiedenen Themenbereichen abgefragt. Zusätzlich müssen Menschen ab 60 eine arbeitsmedizinische Tauglichkeitsprüfung bestehen, die weit oberhalb der Kriterien des hausärztlichen Attestes für einen Sportbootführerschein liegt.

Fast alle weiteren Verbände der Bootsbranche haben sich dem Protest angeschlossen und waren an den Gesprächen mit dem Ministerium beteiligt. Sowohl ADAC Sportschifffahrt, der Verband deutscher Sportbootschulen, der Deutsche Motoryachtverband, der Deutsche Boots- und Schiffbauerverband, der Verband für Schiffbau und Meerestechnik, der Verband der Wassersportschulen sowie der Deutsche Tourismusverband und einige Landestourismusorganisationen und die Industrie- und Handelskammern der deutschen Wassertourismusregionen beteiligen sich an dem Protest und werden jeweils ihre Abgeordneten ansprechen und auf die unsinnige Verordnung aufmerksam machen, die zudem nach Ansicht der Protestierenden die Grundrechte auf freie Berufsausübung und die Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränken. Außerdem sei die Verordnung ohne Beteiligung der Verbände erlassen worden und damit rechtswidrig. Auch aus Kreisen der Wasserschutzpolizei in den Wasserstourismus-Regionen gab es für die Verordnung nur ungläubiges Kopfschütteln. Erste Erfahrungen mit dem Umschreiben deuten darauf hin, dass es insbesondere bei den GDWS-Standorten in Westdeutschland zu monatelangen Wartezeiten kommt, während der Magdeburger Standort wohl recht zügig umtauscht.

Unverständnis herrscht ferner in der Wassersportwelt darüber, dass diese Regelung ausgerechnet von einem FDP-geführten Ministerium verantwortet wird. Die FDP hatte sich in der Vergangenheit eher für den Abbau von Bürokratie und für Deregulierung eingesetzt.

Bevor man den Klageweg beschreite, kündigten Stahlhut und weitere Verbandsvertreter an, jetzt verstärkt Politiker auf allen Ebenen anzusprechen und auf diese gänzlich überflüssige Verordnung hinzuweisen. Stahlhut: „Herr Minister Wissing, setzen Sie diesem unnötigen Bürokratiemonster bitte ein Ende!“

 

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  Swantje von Rogal
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