Höhlen- Wrack- und Eistauchen sind zweifellos spannend. Dennoch mag dies nicht jeder Taucher. Es ist einfach ein beruhigender Gedanke, wenn der rasche Weg zur Wasseroberfläche frei ist. So mancher würde auch in der kalten Jahreszeit tauchen, aber eben nicht mit Eis über dem Kopf. Zum eisfreien Ganzjahrestauchen bietet sich der Sparmann – See in Sachsen an, der beinahe nie zufriert.
Gegenüber von Behördenzentrum und Amtsgericht Kamenz müssen wir nur zweimal rechts abbiegen, dann verändert sich die Sicht auf die Welt. Ein gewaltiger Granitsee liegt, je nach Jahreszeit, zwischen grünen oder kahlen Bäumen. Wir fahren heran und stehen vor einer Daniel-Boone-artigen Ansiedlung im Stil der amerikanischen Pioniere. Da gibt es das Basishaus mit großer Terrasse, das Taucherhaus zum Umkleiden und die Holzbungalows mit Seeblick, außerdem einen Grill- und Party-Pavillon mit Seeblick. Ein richtiges Tauchergehöft.
Wir treten ins Basisgebäude ein. Gemütlich prasselt das Feuer im großen Speckstein-Ofen. In Trocki-Unterzieher gekleidete Taucher sitzen vor dampfenden Kaffeebechern oder bei ihrem Dekobier. Unaufdringlich spielt Musik. Munter funkeln die Lichter am Tresen der kleinen Basis-Gaststätte. Tekkies lassen ihre Gasberechnungen über Laptop-Bildschirme flimmern. Im Hintergrund hören wir den Kompressor brummen. Basischef Jost Krause hat Gastronomie und Taucherei gleichermaßen freundlich im Griff. Seine Angebote reichen vom legendären Frühstücksbuffet bis zum Trimix nach GUE-Empfehlungen.
Der Steinbruchsee Sparmann und die Störe
Über eine steile Stahltreppe steigen wir ein. Gleich unter dem Einstieg wird es beinahe 20 Meter tief, so dass wir uns beim Aufrödeln konzentrieren müssen, keine Ausrüstungsteile vom Stahlgitterrost zu fegen. Wir wollen seewärts blickend rechts herum tauchen, entgegen dem Uhrzeigersinn. Dann befinden wir uns erst im Schatten und haben dann lange die Sonne von seitlich oder hinten. Unmittelbar vor dem Einstieg stehen zwei Abstiegs- und Dekobojen über 40 und 53 Meter Tiefe.
Bereits am Einstieg „ist was los“. Basischef Jost Krause hat in seinem See Störe. Die urigen Tiere sind echte Charakterköpfe. Einige lassen sich mit Fischfutter anlocken, andere nicht. Einer der Störe ist sehr zutraulich, er frisst aus der Hand und stupst Taucher mit der Nasenspitze an. Doch Natur ist Natur: Mal kommen die Tiere heran, mal nicht, Futter hin oder her. Es ist schon spannend, gleich am Einstieg von drei knapp metergroßen Stören „umschwärmt“ zu werden. Auch wenn die eigentlich die Futtertüte meinen.
Wer die Störe genauer beobachten will, hat hoffentlich eine gute Tagesform und insbesondere leichten Druckausgleich. Denn nur eines der Tiere nimmt Futter direkt vom Taucher. Die anderen nehmen Witterung auf und suchen. Und sie suchen akkurat, Streifen für Streifen am Fels auf und ab schwimmend, immer in vertikaler Richtung. Sie lesen richtig: die Störe schwimmen senkrecht auf und ab, bei unserer letzten akzeptierten Fütterung schwammen sie etwa zwischen 2 Meter Tiefe und 15 Meter Tiefe hin und her, und das relativ rasch. Dabei finden sie mit ihren Barteln das herunter sedimentierte Futter in jeder Felsspalte, auf jedem fingerbreiten Steinabsatz, aber ein „waagerechtes Suchsystem“ fällt ihnen im Traum nicht ein.
Selbstverständlich wird im Sparmann nur gering zugefüttert, um einige Fische in Einstiegsnähe zu halten. Das wenige, allein für die Störe gedachte Futter bewirkt jedoch, dass dort auch Plötzen-Schwärme und einzelne Schleien kreisen.
Wir tauchen an der Steilwand ab und erreichen ein paar geisterhafte Althölzer. Unmittelbar in der See-Ecke unterhalb des Basishauses befindet sich eine malerische Ringleiter aus Bergbautagen, halb aus Holz und halb aus Stahl gefertigt. Wir folgen der Steilwand weiter, und passieren diverse Stahlrohre. Diese dienten einst der Wasserhaltung des großen Steinbruches. Die Westseite des Steinbruchsees ist „Drop off pur“, Steilwand ohne Ende, senkrecht nach unten, bis weit jenseits der 50 Meter, der Kopf der Belüftungsanlage befindet sich in 65 Meter Tiefe.
Bunker und Bergbau-Relikte
Das Tauchgewässer wurde etwa von 1940-1959 durch die Carl Sparmann & Co. GmbH geschaffen, danach arbeitete der VEB Granit- und Grünsteinwerke Kamenz weiter in dem Bruch, ehe er etwa in den siebziger Jahren gänzlich voll Wasser lief. Der im Gelände ausgehobene Hohlraum war zu Betriebszeiten maximal 170x 200 Meter groß und 80 Meter tief. Der abgebaute Granit nennt sich grobkörniger Biotit-Granodiorit.
Ungefähr auf halber Seelänge folgen wir einem der rostigen Rohre auf Tiefe. Dort unten wartet ein aus Naturstein gebauter alter Sprengstoffbunker. In 25 Meter Tiefe lösen wir uns etwas von der Wand, sinken im Freiwasser weiter. Der Sprengstoffbunker sieht von oben beinahe aus wie ein von altem Laub bedeckter Felsabsatz. Wer den kleinen Bunker wirklich sehen will, muss das Aufwirbeln dieses Laubes vermeiden und das Bauwerk in 29 Meter Tiefe von der Seite und durch die Türöffnung betrachten. Im Umfeld des Bunker existieren noch ein paar Plattformen an der Wand und oberhalb, in 22 Meter Tiefe, ein turmartiges Arbeitsgerüst. Tief unten im See, allein für Trimix-Taucher erreichbar, gibt es sogar alte Schutzhütten aus Bergbautagen und ein Motorrad-Wrack.
Die diversen Plattformen trugen einst Leitern und dienten den Bergleuten zum Umsteigen von Leiter zu Leiter. Beinahe wie die Verteidigungsplattformen alter Festungen hängen die wuchtigen Konstruktionen in der Wand. Wenn man die heutige Wassertiefe und die über Wasser sichtbaren Felswände „addiert“, mussten die Steinbrucharbeiter seinerzeit etwa 60-80 Meter über Leitern abwärts steigen, um unten zu arbeiten.
Im hinteren, basis-fernen Südteil des Sees fällt der Seegrund stärker gestuft und nicht ganz so steil ab. Hier gibt es ein malerisches Fels-Plateau in 15 Meter Tiefe und in den oberen 20 Metern Wassersäule lassen sich mehrere alte Abstiegsplattformen der Bergleute finden. Hier hinten haben die Bergleute letztmalig „Neuland gemacht“. Es handelt sich um die jüngste Abbau-Region im Bruch, datierend von Anfang der 1980er Jahre, als ganz unten bereits das Wasser kam und der Pegel nur noch gerade unterhalb der letzten Arbeitsstelle gehalten wurde.
Granitterrassen mit viel Platz ziehen sich bis zur 30-m-Tiefenlinie. Hier hinten befindet sich so etwas wie eine Kulturhalde von Kamenz. Wahrscheinlich sind der Fernseher und das Küchenbuffet untergegangen, als der See noch frei zugänglich war. Außerdem sehen wir einen ausgedehnten Fahrradfriedhof. Nicht alle „Drahtesel“ sind total verrostet, möglicherweise entsorgen die „Fahrradmarder von heute“ immer noch frische Beweisstücke im tiefen See.
Auf der Ostseite des Sees taucht es sich besonders angenehm, wenn man gern Grund unter sich sieht. Die flach liegenden Felsabstufungen sind deutlich strukturiert und bieten erstaunliche Anblicke. In ganz geringen Tiefen von 3-5 Metern entdecken wir mit Geländern gesicherte Felskanten, einen vom Rost zerfressenen Steinschlag-Schutzzaun, Bündel von Starkstromkabeln, dichte Sträucher und große überflutete Bäume. Auch die großen Fische lieben diese Unterwasserlandschaft mit ihren vielen Deckungsmöglichkeiten.
Hechtrevier im versunkenen Wald
Hier hinten im Südost-Quadranten des Sees stehen die metergroßen Hechte im Altholz. Immer wieder einmal begegnen wir sogar einem Hechtpaar. Selbstverständlich lässt sich nicht genau sagen, ob es sich vielleicht um die „friedliche Koexistenz“ zweier metergroßer Hechtdamen handelt, da Männchen im Allgemeinen kleiner bleiben. Auch große Barsche von 40-50 Zentimeter Länge schätzen diesen versunkenen Wald. Sie leben jedoch stets als Einzelgänger.
Beindruckende Felsbrocken, Granitterrassen und versunkene Baumriesen skizzieren in diesem Seeteil wunderbare Stillleben des Süßwassers. Gebogene Baumriesen ragen über die Felskante zur Tiefe, bizarre Baumstubben und Wurzelwerk halten Geröll an seinem Platz. Von 3 bis 14 Meter Tiefe zieht sich der versunkene Wald hin. Tekkies finden in 55 Meter Tiefe einen ungleich spannenderen, ja gefährlich wirkenden Unterwasserwald. An einigen Flachwasser-Plätzen wird der Anblick zusätzlich von den zierlichen Sprossen und Blättern des Krausen Laichkrautes bereichert, das bis weit in den November grün bleibend wuchert.
Wir folgen den granitenen Steilwänden nun wieder nach Norden und beschließen noch einmal tiefer abzutauchen. In einer der beiden Nordbuchten sind interessante Strukturen zu bestaunen. Wir sinken genau an der Felsspitze zwischen beiden Buchten in die grüne Dämmerung hinunter. Unmittelbar vor der Felsspitze steht ein solitärer Granitpfeiler im Wasser, der in 15 m Tiefe endet. Darauf entdecken wir eine Art Kinderfahrrad. Beim Abtauchen sehen wir im oberen Bereich wieder ein Stück Stahlleiter, gefolgt von Felsterrassen, die mit diversen Geländern gesichert wurden.
Dann taucht das Flugzeug-Segment auf: Wir entdecken jenes riesige Aluteil, dessen Rundung noch die Form eines Flugzeugrumpfes ahnen lässt, ein Stück AIRBUS mit Flugzeug-Toilette. Seitlich hinter diesem Teil beginnt in grüner Dämmerung schon wieder die Bergbau-Vergangenheit des Sparmann-Sees mit wuchtigen Stahl- und Holz-Konstruktionen. Nicht weit von diesem Platz ruhen in 30 Meter Tiefe das Auto-Wrack und ein Kahnwrack am Grunde des Felssees. Das Auto war „zu Lebzeiten“ ein russischer Geländewagen, wie er vor der Wende in den Armeen des Ostens Verwendung fand und sogar im Westen als „UAS Tundra 469“ erhältlich war. (Infos:de.wikipedia.org) Das Kahnwrack hingegen ist ein einfacher Stahlkahn der Lausitzer Binnenfischerei.
Von der Bucht mit dem Flugzeugteil führt sogar ein Leitseil Richtung Einstieg zurück. Nach über einer Stunde Tauchzeit wird es frisch im Trocki und wir nehmen die Navigationshilfe gern an. Bald erreichen wir wieder die Stahlleiter, die von unten weithin zu sehen ist. In der Tiefe bei der Ringleiter stiebt erschrocken ein Schwarm kleiner Fische auf: eine „Wolke“ von Kaulbarschen war im oberen See-Bereich auf Nahrungssuche.
Der Ganzjahres- und Allwettersee Sparmann
Wir steigen aus dem Wasser und fühlen nun deutlich den kalten Wind, der über den See pfeift. Hier am Sparmann können wir uns auf ein eigens zum Umkleiden errichtetes Gebäude mit sinnvollen Rödelbänken freuen. Das Umkleidehaus ist mit einer wirksamen Infrarotheizung ausgestattet, damit sich Gäste unter annehmbaren Bedingungen umkleiden können, ehe das Basiscafe mit Kaffee, Cappuccino, Dekobier und kleinen Mahlzeiten lockt. Wer möchte und den Laptop dabei hat, kann sich sogar am kostenlosen WLAN-Accesspoint im Basishaus einloggen und ins Internet gehen.
Der Sparmann-See ist bis zu 70 Meter tief. Das Gewässer ist lang gezogen und schmal, es bietet zwischen den aufragenden Felswänden kaum Windangriffsfläche für die Umwälzung und Auskühlung des Wasserkörpers. Auf Grund dieser Tatsachen friert der Sparmann nicht zu. Basischef Jost Krause könnte das Wasser auch mit seiner Tiefenwasserbelüftung offen halten. Aber das ist kaum je nötig; die Anlage dient allein dazu, dem See zu „helfen“, die ins Wasser fallenden Laubmengen zu verarbeiten.
Für alle Jahreszeiten bietet die Basis vier beheizbare Bungalows mit jeweils sechs Betten an. Die skandinavisch anmutenden Holzbauten haben nicht nur alle Seeblick, sondern auch zusätzlich unter dem Dach ein „Schlafsacklager“, wo weitere unkomplizierte Mitreisende übernachten können, wenn alle Betten vergeben sind. Im Sommer steht eine ausgedehnte Campingwiese zur Verfügung. Die Basis füllt Luft, Sauerstoff, Nitrox, Trimix und Argon nach GUE-Empfehlungen. Der Non-Limit-Tauchtag kostet am Sparmann 10 Euro Tauchgebühr.
Ferner hat die Tauchbasis Sparmann den nur 10 Autominuten entfernten Teufelsberg bei Biehla als „Zweitsee“ gepachtet. Dort können bei acht Meter Tiefe unkomplizierte Ausbildungstauchgänge unternommen und insbesondere gut erhaltene Loren und Schienen aus Bergbautagen bewundert werden.
Infos: www.techtauchen-sparmann.de
Falk Wieland