Wer in der Vergangenheit „Weiße Haie“ sehen wollte hatte zwei Möglichkeiten: Entweder flog er für sündhaft teures Geld und ungewissem Ausgang nach Australien, oder er versuchte sein Glück bei schlechter Sicht und eiskaltem Wasser in Südafrika. Herbert Frei fand eine dritte Möglichkeit im Pazifik. Auch nicht billig, aber mit deutlich wärmerem Wasser und einer unwahrscheinlichen Transparenz. Dort trifft er “gemütlich” auf die Spezies Weißer Hai.
Der Wunsch mit dem Weißen Hai zu tauchen überkommt nach einigen tropischen Urlauben fast jeden UW-Fotograf oder Filmer. Meistens bleibt es beim Träumen, weil die wirtschaftlichen Gegebenheiten solche Späße nicht immer ermöglichen. Als noch bezahlbar gilt eine „White-Shark-Expedition“ in Südafrika. Leider ist sie nicht immer erfolgreich. Kleine Käfige, Dünung, miese Transparenz und saukaltes Wasser, das sich nur im Trockentauchanzug ertragen lässt, dämpfen im Prinzip die meisten euphorischen Gefühle. Neuerdings, so hört man, darf man dort nicht mehr mit Tauchgerät in den Käfig, sondern muss an der Oberfläche Luft holen und sich dann wie ein Apnoeist im Drahtgeflecht nach unten hangeln. Auf diese Weise ein vernünftiges Haibild hinzubekommen, ähnelt dem Versuch mit dem Kinn eine Faust totzuschlagen. Man kann hier getrost sagen, dass die UW-Fotografen beispiellos an der Nase herumgeführt und betrogen werden.
Die unheimliche Insel
Seit geraumer Zeit, genauer gesagt seit 5 Jahren, kann man Weiße Haie auch im Pazifik fotografieren und zwar vor „Isla de Guadaloupe“, einer zu Mexiko gehörenden Insel in der Nähe der Baja California. Isla de Guadaloupe ist 30 Km lang, 6 Km breit und 1400 m hoch – ein gigantischer Felsen im Pazifik, unbewohnt, kahl, ohne Süßwasser, scheinbar am Ende der Welt. An den Steilküsten und wenigen zugänglichen Buchten tummeln sich Robben und Seelöwen, die Leibspeise der Weißen. Die Gewässer um Guadaloupe gehören fraglos zu den schaurigsten in den Weltmeeren. Badegäste, Surfer, Taucher und Schnorchler sucht man vergebens. Sich hier ins Wasser zu begeben, wäre etwa so, als würde man inmitten eines hungrigen Löwenrudels sein Nachtlager aufschlagen.
Etwa 100-200 Weißhaie sollen hier leben, genaues ist nicht bekannt. Meeresbiologen, die hier gelegentlich die Weißen beobachten, katalogisieren und markieren, sind oft wochenlang die einzigen Menschen auf der Insel. Ziel dieser Aktionen ist mehr über diesen einzigartigen Meeresbewohner zu erfahren, von dem man immer noch nicht weiß, wie er sich paart, wo, wann und wie er seine Jungen zur Welt bringt und vor allem was seine Angriffslust weckt und den Beißreflex auslöst. Den meisten wissenschaftlichen Untersuchungen hat er sich erfolgreich widersetzt. Noch nie gelang es, einen Weißhai in Gefangenschaft zu halten. Seine Wildheit, sein seit Jahrmillionen ausgeprägter Jagdinstinkt sind nicht für das Halten und Züchten in einem Becken geeignet.
Weiße Haie sind akut vom Aussterben bedroht. Big-Game-Fishing mit dem Ziel den größten und schwersten Weißen mittels Angelhaken an Land zu ziehen sowie Treibnetze und die Dezimierung seiner Beutetiere (Thunfische, Meeressäuger, Robben etc.) sind zusammen mit evolutionären Veränderungen (braucht die Natur noch solche riesige und wilde Raubtiere?) für den dramatischen Rückgang der Bestände zuständig.
Höllenfahrt zum Großen Weißen
Ausgangspunkt ist San Diego, eine amerikanische Hafenstadt am Pazifik, bekannt durch den Freizeitpark Seaworld. Dort begibt man sich an Bord eines der wenigen Tauchschiffe, die Expeditionen zum Weißen veranstalten. Unser Schiff heißt Searcher, ein 31 m langes Holzboot, Baujahr 1970, mit Kabinen, die kleiner sind als gutbürgerliche Besenkammern. Die schmalen Kojen erfordern eine gewisse Geschicklichkeit, um hinein- und wieder herauszukommen. Besonders dicke und besonders große Mitreisende erfahren hier explizit, dass Masse und Länge nicht immer und überall Vorteile hat.
Noch im Hafen gibt der Koch Antikotzpillen aus, die einen doch etwas nachdenklich stimmen. Kann es denn so schlimm werden? Der Pazifik ist doch ein ruhiges Meer, oder? Das mag sein, aber nicht in dieser Gegend, so wurde uns gesagt. Spätestens wenn man die Bucht von San Diego hinter sich gebracht hat, hört der Spaß auf. Dann rollen Wellen bis 6 m Höhe heran, dass einem Hören und Sehen vergeht. Die Searcher schlingert in den langen Wellentälern, als ob sie sich gleich überschlagen will. Langliegen und Festhalten in den Kojen sichert das Überleben. Wer zur Toilette muss, ist zu bedauern. Sicherheitshalber befinden sich zwei Edelstahlhaltegriffe in Reichweite. Die braucht man auch, sonst endet die Erleichterung im Erbrochenen bzw. in den eigenen Exkrementen.
Mitreisende, die lieber über Bord als in die Schüssel kotzen wollen, werden angebunden. Das wilde Auf und Ab des Schiffes könnte zum Totalverlust des einen oder anderen Haifotografen führen. Denn in diesen Wellenbergen jemanden wieder zu finden ähnelt dem Versuch, eine Murmel am Strand von Rimini aufzuspüren. Der freiwillige und kalkulierte Wahnsinn dauert lange 400 km, was mit einer Fahrtdauer von 22 h gleichgesetzt werden kann. Erstaunt stellt man fest, dass auch harte Kerle auf einmal ganz handzahm werden und sich wieder an die Bibel und ein heimeliges Zuhause erinnern, dem sie voll Tatendrang entflohen sind.
Weißer Hai – Käfigtauchen
Dem Großen Weißen begegnet man am besten aus sicherer Entfernung oder hinter Gittern. Gerätselt wird unter den Teilnehmern immer wieder, ob man es riskieren kann, vom Schiff aus an Land zu schwimmen. Versucht hat es noch niemand. Die Besatzung der Searcher hält es für ein lebensgefährliches Spiel mit wenig Überlebenschancen. Auch der an Bord befindliche Weißhaiexperte Ralf Kiefner, der in Südafrika schon ohne Schutzkäfig die Weißen filmte, äußert sich sehr zurückhaltend zu solchen Spielchen und spricht von einem unkalkulierbaren Risiko.
Die vor Guadaloupe lebenden Weißen ernähren sich hauptsächlich von einer hier endemisch lebenden Robbenart, den Fure-Seales. Das Fell der Fure-Seales ist das dichteste aller Seehunde. Diesem Umstand haben es die Tiere zu verdanken, dass man sie fast vollständig ausrottet hat. Als nur noch wenige Exemplare in unzugänglichen Höhlen der Steilküste übrig waren, entschloss man sich, Guadaloupe und die Fure-Seals unter Schutz zu stellen. Das, was Weiße Haie niemals schaffen werden, erledigt der Mensch in seiner Bösartigkeit und Gier in wenigen Jahrzehnten. Die totale Eliminierung einer Tierart. Mittlerweile haben sich die Fure-Seals-Bestände wieder erholt. Und mit ihnen auch der Bestand an Weißhaien.
Vor Guadaloupe gehen Seehunde und Robben überwiegend nachts auf Beutefang, wenn die Weißen sie nicht sehen können. Denn Carcharodon carcharias greift seine Beute vornehmlich am Tage von unten an. Mit elementarer Gewalt stößt er senkrecht nach oben, packt die Beute und wird vom eigenen Schwung oft meterhoch aus dem Wasser getragen. Mit lautem Krachen fällt er ins Wasser zurück, die Robbe quer im Maul. Beobachtet wurde dieses Jagdverhalten zuerst in Südafrika. Aber auch vor Guadaloupe sollen es die Weißhaie so machen.
Nachts schwimmen die Fure-Seals um das Tauchboot, lassen sich von geangelten Fischen füttern. Weiße haben wir in der Nacht nicht gesehen, aber dass sie da sind, steht außer Frage.
Risiko
Käfigtauchen ist etwas anders als mit dem Jacket am Riff entlang zu schweben. Im Prinzip hat es mit dem normalen Sporttauchen nichts zu tun. Man muss es aber trotzdem lernen. Die Besatzung der Searcher besteht grundsätzlich auf einem Checkdive im Käfig ohne Kamera.
Geatmet wird über lange Atemschläuche durch ganz normale Regler. Man steht oder sitzt etwa zwei Meter tief auf Aluminium-Profilen.
Um im Käfig sicher stehen zu können, müssen erheblich Bleimengen umgeschnallt werden. Wer nass taucht kann etwas abspecken, aber auch nicht viel, denn der Käfig dümpelt in den Wellen. Ein fester Stand ist deshalb nicht immer gewährleistet. Die kritische Phase des Käfigtauchens ist das Hineinklettern. Wenn es dumm läuft, kann man auch daneben rutschen. Dann gute Nacht Marie. Mit 20 kg um den Leib sinkt man wie ein Stein. Nur sehr versierte Taucher können sich vermutlich noch schnell genug vom Ballast befreien. Einen Schnellabwurf gibt es eigenartigerweise nicht. Passiert ist angeblich noch nie etwas, aber einmal ist bekanntlich immer das erste Mal.
Noch brisanter geht es am versenkbaren offenen Käfig zu, den man nur zusammen mit einem Guide besteigen darf. Der an einem Stahlseil hängende Käfig wird auf ca. 8 Meter Tiefe hinab gelassen. Oben ist er offen, damit man freies Schussfeld auf den Weißen hat, wenn er kommt. Schon das Hineinklettern an der Bordwand ist nicht ohne. Unter Wasser steht man auf einem kleinen Käfigrand, verwegene Typen stellen sich sogar auf die Brüstung. Wer hier das Gleichgewicht verliert, kann sich vermutlich verabschieden. Halt bietet nur noch der Atemschlauch. Es ist eine Gratwanderung, die man in der Euphorie einfach riskiert.
Damit einen der Weiße nicht von hinten überrascht, schaut der Guide ständig nach allen Richtungen. Anfüttern ist in dieser Position lebensgefährlich, denn wenn der Weiße den freihängenden Käfig attackieren würde, ginge die Fahrt vermutlich in die Tiefe. Der Grund liegt auf 100 Meter und auf dem Weg dahin lauern die Brüder und Schwestern von Carcharodon carcharias. Aber man käme eh nicht lebend unten an, trotz der sicherheitshalber im Käfig postierten 10 l-Flasche. Die würde nur helfen, wenn ein Weißer die Atemschläuche zum Käfig durchbeißen würde, dieser aber in der Aufhängung fixiert bleiben würde.
Tage des Wartens
Um den Großen Weißen für fotografische Zwecke anzulocken, werden Köderfische an einem Seil ins Wasser geworfen und eine Ekel erregende Mischung aus Blut und Tran hineingekippt. Manchmal hilft es, oftmals auch nicht. Dann starrt man stundenlang oder auch Tage ins Blaue und hofft auf eine Begegnung. Typisch für Amerika: Während man im Käfig sitzt und wartet, wird man mit Popmusik unterhalten. Die Weißen hat das eigenartigerweise nicht gestört.
Die Versuche, Weißhaie anzulocken, sind nicht immer erfolgreich. Abhängig sind sie auch von den Strömungsverhältnissen. Wenn der Weiße einer Spur folgen kann, kommt er zielsicher zum Tauchschiff. Wenn nicht, ist vieles vom Zufall abhängig. Manchmal haben wir uns gefragt, welche Fische außerdem noch hier leben? Viele Arten können es nicht sein, denn abgesehen von einem Schwarm heringsähnlicher Pazifikfische, die sich mehr oder weniger am Köder versammelten, begegnete uns nichts. Andere Haie scheinen weggefressen bzw. vertrieben zu sein. Die Weißen sind gnadenlos, wenn es um ihr Revier geht.
Unter Fressmaschinen stellt man sich etwas anderes vor. Carcharodon carcharias, wie der Große Weiße wissenschaftlich genannt wird, ist extrem vorsichtig, misstrauisch und zurückhaltend, wenn er den Köder angeht. Manchmal umkreist er ihn und greift ihn sich erst beim zweiten oder dritten Anlauf. Die Besatzung versucht dann den Köder in Richtung Käfig zu ziehen, damit die Fotografen besser zum Schuss kommen. Das klappt allerdings nur bei kleinen Weißen. Die großen Exemplare taxieren instinktiv, ob sich der Energieaufwand lohnt, dem kleinen Köderfisch hinterher zu schwimmen. Wenn die Energie aus der Nahrungsaufnahme geringer ist als der eigene Kalorienverbrauch, lassen sie es fast immer bleiben. Dann nützen auch im Wasser treibende Blutwolken wenig.
Hat sich der Weiße aber entschlossen, den Köderfisch zu holen, dann kocht das Wasser. Mit ungeheuerer Speed, unvorstellbarer Dynamik und kolossaler Wucht setzt er seinen massigen Körper in Bewegung. Die Beschleunigung ähnelt einem Formel 1 Boliden. Dann ist nichts mehr zu spüren von träger Masse und sanftem Gleiten. Der Trieb, die Beute zu fassen, verdrängt alle anderen Instinkte. Häufig wird der Köderfisch mit samt dem dickem Kunststoffseil gekappt. Die Schnittstelle sieht aus wie mit einem Skalpell getrennt. Sauber, ohne Fransen und ohne Rissspuren zieht man das Köderseil an Bord. Verblüfft, erstaunt und auch etwas beklemmend registriert man das Resultat der Köderannahme. Wie wäre es ausgegangen, wenn ein Arm oder ein Fuß im Maul gelandet wäre? Nicht daran denken ist am besten für die Psyche!
Er kommt
Der Käfig hat große Lücken, durch die man hindurchfotografieren kann. Unten sind sogar Schieber, die sich öffnen lassen, damit große UW-Gehäuse hinausgehalten werden können. Handschlaufen sind kein Luxus, denn was hier ins Wasser fällt, ist für immer weg. Und am geöffneten Schieber ist zudem Vorsicht geboten, dass man nicht das Übergewicht verliert. Es wäre ein Gleitflug in den Tod.
Manchmal ist der Weiße so schnell da, dass man kaum reagieren kann. Oft kommt er heimlich von unten, steht am Käfig und dreht sogleich wieder seine Runden. Wenn er den Käfig touchiert, torkelt man darin umher wie ein Besoffener. Die beschleunigte Masse dieser Fische ist eines der beeindruckendsten Erlebnisse. Nicht ungefährlich ist das unkontrollierte Hinaushalten der Kameras zum Zwecke einer besseren und spektakuläreren Bildgestaltung. Wenn der Weiße mit offenem Maul am Käfig vorbeischwimmt, nimmt er alles mit, was hinaushängt. Auch Arme und Kameragehäuse. Die Handschlaufen dürfen immer nur lose umgelegt werden, sonst würde er bei der Mitnahme des UW-Gehäuses den Arm aus der Schulter reißen. Das würde man selbst mit dem versiertesten Arzt an Bord nicht überleben. Am besten, man denkt nicht daran und bleibt vorsichtig. Aber das sagt sich so leicht. Die Euphorie reißt einen durchaus mit, man wird etwas leichtsinnig und fühlt sich im gepanzerten Käfig wie in Abrahams Schoß.
So mag sich auch Günter, ein Mitreisender aus dem Achener Raum, gefühlt haben. Mit ausgestrecktem Arm hielt er seinen Camcorder aus dem Käfig und bemerkte nicht, dass der Weiße schon am Käfig war und den Leckerbissen im Visier hatte. Der Autor riss den Leichtsinnigen gerade noch zurück, sonst hätte es eine Amputation gegeben. Die entsetzten Augen hinter der Maske sprachen Bände. Das hätte ins Auge gehen können. Zurück an Bord wankte der ins Leben zurückgeholte Videograph mit sichtlich weichen Knien umher. Irgendwann, da waren wir uns sicher, wird es zu einem Desaster kommen. Dafür spricht das Zufallsprinzip.
Weißhai-Fotografie
Sie scheint einfach, ist es aber nicht. Carcharodon carcharias besitzt einen dunklen Rücken und einen grell-weißen Bauch. Wenn sich die Sonne auf seiner Haut kringelt, bilden sich helle Flecken, die ein Film besser verarbeitet als ein Bildsensor. Blitzlicht muss verhalten eingesetzt werden, weil das Motiv zur Überbelichtung neigt. Und Blitzlicht bringt auch nur etwas, wenn er mindestens auf 3 Meter herankommt, besser auf 2 Meter. Die Amerikaner verwenden zur Aufhellung der großen Weißen vielfach die kleinen Inon – Blitzgeräte, manchmal auch welche von Sea & Sea, selten einen Systemblitz.
Obwohl das Wasser klar ist – das Meer vor Guadeloupe kann bis auf einen Sichtweite von 30 Meter aufreißen – befinden sich trotzdem Schwebeteilchen und Luftbläschen im Wasser. Teilweise kommen sie vom Köder, den Blutwolken oder der Aufwirbelung durch das Kühlwasser des Bootsmotors. Am Heck der Searcher sind zwei Käfige parallel angebracht. welcher die bessere Wahl ist, zeigt sich erst nach Ablauf der Tour. Wenn man Pech hat, geht man leer aus, weil sich der Weiße am Köder des Parallelkäfigs zu schaffen macht. Nachteil der beiden Parallelkäfige ist der Verlust einer Käfigseite, egal, in welchem man sich befindet. Deshalb sind exzellente Weißhai-Bilder auch immer mit etwas Glück verbunden. Häufig ist es auch so, dass man eine Stunde im Käfig sitzt und es tut sich nichts. Beim Wechsel der Tauchgruppen haben dann die Nachfolgenden eventuell das große Los gezogen, wenn ein kapitaler Bursche auftaucht und fotogen am Käfig lutscht.
Über die richtige Brennweite haben wir lange und ausgiebig diskutiert. So toll Superweitwinkelobjektive und Fisheyes wegen ihrer Darstellungsmöglichkeiten sind, wenn sich vier Fotografen den Käfig teilen, geht das nicht. Schon deshalb nicht, weil sich immer hinausgestreckte Arme und Kameras auf den Bildern befinden. Auch kommt der Weiße nicht immer auf Fisheyedistanz heran. Bleibt er einige Meter vom Käfig entfernt, sieht er dann auf den Bildern wie eine mickrige Sardine aus. Diese Erfahrung haben auch die Amerikaner gemacht, von denen die Cracks solche Weißhai-Touren immer mehrmals machen, um die Fotochancen zu erhöhen.
Als ideale Brennweite für Kleinbild und Vollformat – Bildsensoren hat sich ein 17-35 mm Zoom erwiesen. Nikonos RS Fotografen sind mit dem 20-32 mm -Zoom gut bedient. Für APS-C-Bildsensoren wäre es etwa ein 12-24 mm Zoom. Wer mit dem Four-Thirds-System von Olympus fotografiert (E1, E 300, E-330, E 500), sollte sich entweder das 7-14 mm Zoom (sehr teuer) oder das 14-45 mm Zoom zulegen.
Man kann den Weißen auch mit Festbrennweiten ablichten, sollte dann aber bei einem Bildwinkel von 90-94° innehalten. Die hier gezeigten Bilder sind vornehmlich mit einer Nikon D2X im Sealuxgehäuse bzw. einer Fuji Finepix S2Pro im Seacam-Gehäuse und einem 14 mm Kleinbildobjektiv gemacht, das an den Digicams infolge des Crop-Faktors 1,5 den Bildwinkel eines 21 mm Weitwinkels hat. Das hat im Wesentlichen gepasst. Ein moderates Zoom wäre aber stellenweise besser, weil flexibler gewesen.
Nicht unterschätzen darf man die Geschwindigkeit der Weißen, wenn sie den Köder ins Visier genommen haben. Gefühlsmäßig sieht es immer aus, als ob ein träger Tanker heranschwimmt, aber das täuscht. Carcharodon carcharias ist schneller als man denkt. Selbst mit Blitzlicht kann eine Synchronzeit von 1/60 zu lang sein. Die amerikanischen UW-Fotografen schwören beim Blitzen alle auf 1/125 s.
Für Bilder ohne Blitz, die sehr viel Dramatik und Natürlichkeit ausstrahlen, sollte man mit der Blendenautomatik und einer Verschlusszeit von mindestens 1/200 s fotografieren. Die Kamera sollte über einen Prädiktionsautofokus verfügen, dann sind auch Serienbilder beim frontalen Anschwimmen möglich. Weil eine fest eingestellte schnelle Verschlusszeit im Modus Blendenautomatik die Schärfentiefe wegen möglicher offener Blenden senkt, wurde die Empfindlichkeitseinstellung des Bildsensors auf ISO 400/27° erhöht. Moderne und hochwertige digitale Spiegelreflexkameras verdauen solche Maßnahmen ohne sichtbares Rauschen. Mit Diafilmen hat man da wegen der Körnung mehr Probleme. Mehr als ISO 200/24° sollten Sie als Analogfotograf nur mit Fuji-Diamaterial nehmen, weil die blauen Wasserflächen das Korn normalerweise exponiert hervorheben.
Als sehr indifferent erwiesen sich die Belichtungseinstellungen. Während die D2X und die Fuji Finepix S2Pro mit einer Blende Minuskorrektur die Weißen ideal belichteten, ging das beim Diafilm sowohl in der F5 als auch in der Nikonos RS schief. Da wäre Plus/Minus-Null oder bestenfalls -1/3 richtig gewesen. Im Prinzip hat sich bestätigt, was Experten schon lange vermutet hatten, der Bildsensor in hochwertigen Digitalkameras reagiert auf wechselnde Lichteinflüsse gutmütiger als ein Film, wenngleich Spitzlichter und Sonnenflecken aufgerissener und kalkiger wiedergegeben werden.
Schlechte Karten haben UW-Fotografen mit einer Digicam, wenn diese eine spürbare Auslöseverzögerung besitzt. Eine schnelle D-SLR sollte es schon sein. Sonst fährt man wirklich mit einer analogen SLR besser. Mit digitalen Kompaktkameras, auch wenn sie teuer und im Highend-Bereich angesiedelt sind, sollte man eine solche Reise nicht machen. Der Preis dieses Abenteuers steht ohnehin in keinem Verhältnis zu den paar Bildern, die bestenfalls dabei herauskommen. Man muss es wollen oder bleiben lassen. Rentabel ist etwas anderes.
Infos
Anreise
Üblicherweise von Frankfurt nach San Diego. Die Fluggesellschaft ist beliebig. Wer mit Delta Air Line fliegt, sollte sich auf einiges gefasst machen. Über Delta schwebt der Pleitegeier und das spürt man an allen Ecken und Enden. Bei unserem Flug ließ der Service rundum zu wünschen übrig, einige Flugbegleiterinnen wirkten auch nur mäßig gepflegt.
Wegen akuter Finanznot wurde am Check-in Schalter die sonst übliche Freigepäckgrenze von 64 Kg pro Person auf kärgliche 22 Kg herabgesetzt. Damit hatten wir plötzlich ein Problem, mit dem wir nicht gerechnet hatten. Das Übergepäck wurde in Rechnung gestellt, aber fairerweise nur 25 Euro pro Koffer. Aber immerhin. Von dieser Maßnahme wurde nicht einmal die Flugbörse unterrichtet. Auch im Internet war keine Meldung verzeichnet.
Tauchschiff
Es gibt bessere, aber die fahren nicht dorthin, wo wir hinwollten, obwohl sich mittlerweile Konkurrenz breit macht. Die Kabinen und das Essen auf der Searcher sind eine Zumutung. Man darf das Geld dieser Reise nicht ins Verhältnis zu den gebotenen Möglichkeiten setzen, sonst geht man freiwillig in eine geschlossene Anstalt, den persönlichen Pfleger inklusive.
Die Mahlzeiten auf der Searcher entsprechen dem gutbürgerlichen Mittelstand in den Armenvierteln der großen amerikanischen Städte. Hamburger, undefinierbare Suppen, Sandwich a la Brechmittel, selten ordentliches Fleisch, einzig das Frühstück war genießbar. Wenigstens waren die Softdrinks umsonst.
Die Schlafmöglichkeiten können in einem Schützengraben nicht schlechter sein. Die Kabinen sind ein einziges Ärgernis, weil sie für zwei Leute so klein sind, so dass man die Kleider an Deck in den Tauchertaschen lagern muss. Obwohl das Schiff 30 Meter misst, ist der Platz pro Mann eingeschränkter als in einem Sarg. Die Toiletten sind etwas gewöhnungsbedürftig, aber sonst in Ordnung.
Man muss diese Kritik in Relation zum Reisepreis sehen. Für 5 Käfigtage zu US $ 2600,- (ohne Flug!!) kann man gemeinhin etwas mehr erwarten., auch wenn es um den Weißen Hai geht. Rechnen Sie einfach den Reisepreis mal 16, ziehen die Spritkosten, die Heuer und das miese Essen ab. Was dann übrig bleibt, ist nicht von Pappe. Man wird deshalb selbst mit einigem Abstand das Gefühl nicht los, als ob der Schiffseigner nur auf ein paar Dumme aus Europa gewartet hat.
Belegung
Eindeutig sind 16 Käfigtaucher zu viel. Die drangvolle Enge spürt man nicht nur in den Kabinen, sondern insbesondere auch im Käfig, wo sich vier verrückte Filmer und Fotografen um die freien Löcher balgen. Im Grunde geht es zu wie auf einer Galeere, wo alle Sitzplätze mit Sklaven belegt sind, aber einer noch hinein muss. Auch hier kann man sich des Gefühls nicht erwehren, als ob der Eigner mit Gewalt die Kriegskasse füllen will. Wer wirklich einmalige Weißhaibilder machen will, muss vermutlich mehrmals hin und regt sich dann auch jedes Mal über die Zustände auf. Natürlich spielt immer das Glück eine Rolle. Wenn man im falschen Käfig steht, hätte man auch auf der Couch liegen bleiben können.
Wassertemperatur
Man kann in Guadaloupe auch nass tauchen. Die Wassertemperatur betrug zu unserer Zeit etwa 21°. Bedenken sie aber, dass eine Stunde im Käfig sehr lang sein kann. Mein Partner Markus und ich tauchten trocken und haben das nicht bereut.
Jahreszeit
Die Weißen können wegen Wetterkapriolen nicht das ganze Jahr über besucht werden. Ideal sind die Monate August bis Mitte Dezember. Dann ist das Meer sehr klar und zumindest vor Guadaloupe so ruhig wie ein Baggersee.
Gesundheit
Passieren kann außer Übelkeit bei der Überfahrt wenig, weil man das Schiff nicht verlässt. Malaria und sonstige Bösartigkeiten gibt es nicht. Auf dem Schiff liegen Antikotzpillen aus, die man vorsichtshalber auf den Überfahrten einnehmen sollte. Unterschätzen Sie nicht das 22 Stunden lange, permanente Schlingern bei meterhohen Wellen. Da werden selbst Seebären, die in der Biskaya Würstchen mit Kartoffelsalat essen, erstaunlich weiß im Gesicht.
Geld
In den USA ist der Euro noch nicht überall angekommen. Ohne Dollar oder Kreditkarte ist man nur ein halber Mensch.
Interview mit den Haifilmern Ralf Kiefner und Andrea Ramalho
UnterWasserWelt
Im Internetforum von Shark Projekt schreibt ein Haifan, dass er im Mittelmeer von einem ca. 2,5 m langen Weißen Hai umkreist wurde, der ihn mit der Schnauze angestupst habe und dann weiter geschwommen sei. Ist so etwas denkbar? Und wenn ja, warum hat der Weiße nicht zugebissen?
Ralf Kiefner
Dass es Weiße Haie auch im Mittelmeer gibt, ist hinlänglich bekannt. Begegnungen mit Menschen also durchaus möglich, allerdings recht unwahrscheinlich. Und solche hautnahen Kontakte, wie beschrieben dürften eher die Ausnahme sein. Weiße Haie sind normalerweise sehr scheu.
Was will der Weiße Hai machen, wenn er einen Gegenstand näher auf Fressbarkeit untersuchen will? Hände hat er keine, folglich bleibt ihm neben seinen hoch entwickelten Sinnen nur die Möglichkeit eines Stupsens mit der Schnauze oder eines Probebisses, um Informationen über sein Gegenüber zu bekommen. Der Weiße hat nach dem Nasenstüber offensichtlich erkannt, dass der Taucher als potentielle Beute nicht in Frage kommt.
UnterWasserWelt
Du warst mit uns beim Weißen in Guadaloupe. Könnte man sich dort den Tieren mit Gerät oder schnorchelnderweise nähern?
Ralf Kiefner
Um dies beantworten zu können, müsste ich die Weißen dort länger beobachten können. Die wenigen Tage im Käfig mit den nur sehr sporadischen Begegnungen reichen keinesfalls aus, um eine fundierte Meinung zu bilden. Ich weiß aber, dass in Guadaloupe schon Versuche zum Freitauchen mit den dortigen Weißen unternommen wurden. Allerdings mit sehr zweifelhaftem Erfolg. Man sollte aber es nicht für unmöglich halten. In absehbarer Zeit wird es sicherlich jemandem gelingen.
Als wir vor etwa 7 Jahren mit unserem Film „Beyond Fear“ in Südafrika begonnen haben, hielt kaum jemand Interaktionen, wie wir sie im Film darstellen, zwischen Weißem Hai und Mensch für möglich.
UnterWasserWelt
Weshalb sind Weiße Haie vom Aussterben bedroht?
Ralf Kiefner
Wie bei allen großen Räubern ist die Reproduktionsrate der Weißen Haie auch sehr gering. In der bisherigen Evolution standen Weiße Haie immer unangefochten an der Spitze der maritimen Nahrungskette. Die geringe Reproduktionsrate reichte aus diesem Grund seit Millionen von Jahren zur Arterhaltung völlig aus. Das ging gut, bis der Mensch kam. Speziell im letzten Jahrhundert wurden durch kommerzielle Fischfangflotten mit ihren Treib-und Schleppnetzaktivitäten und auch durch Finnig (Haifischflossensuppe!) die Haipopulation aller Arten systematisch stark dezimiert. Haie sind weltweit massiv vom Aussterben bedroht.
Hauptursache für die drohende Ausrottung der Haie und insbesondere des Weißen besteht meiner Meinung nach auch im unverdient schlechten Ruf. Hätten sie ein Imgage wie Delfine und Wale, würde man sie längst weltweit schützen. Mit unseren Filmen wollen wir deutlich vor Augen führen, dass Haie weder Killermaschinen noch Monster sind. Es sind ganz normale Raubtiere, die eine äußerst wichtige Rolle im Ökosystem „Meer“ spielen.
UnterWasserWelt
Hat man eine Ahnung, wie und wo sich Weiße Haie paaren?
Andrea Ramalho
Meines Wissens konnte das noch nie dokumentiert werden. Aber ich glaube, dass Gaansbaai in Südafrika eines der Gebiete ist, wo die Weißen ihre Jungen auf die Welt bringen. Es passiert vermutlich im Sommer unweit der Küste.
UnterWasserWelt
Wie groß und wie schwer können Weiße Haie werden?
Andrea Ramalho
Vermutlich 6,5 Meter lang und etwa 1,5 Tonnen schwer. Genau weiß man es nicht. Wie alt sie werden ist unbekannt.
UnterWasserWelt
Was unterscheidet die Weißen in Guadaloupe von den Weißen in Südafrika?
Andrea Ramalho
Es gibt deutliche Unterschiede bezüglich Größe und Verhalten. Die Weißhaie in Guadloupe sind eindeutig größer als die in Südafrika. Und sie sind auch wilder, wenn sie den Köder angehen. Die großen Käfige, die Unterwassermusik und die vielen Luftblasen stören sie offensichtlich nicht.
UnterWasserWelt
Wie kann man die Faszination erklären, mit der Taucher über den großen Weißen sprechen bzw. schwärmen.
Ralf Kiefner
Leider fehlen mir die Worte, um meine Faszination über die Weißen Haie zu beschreiben. Es sind sehr schöne und anmutige Tiere und das Gefühl ist nicht zu beschreiben, wenn sie majestätisch an einem vorbeigleiten und uns mit allen Sinnen inspizieren. Ihr Anwesenheit strahlt eine unglaubliche Kraft und Eleganz aus. Sie reagieren sehr sensibel auf alle Veränderungen im Wasser. Die Bewegungen von Tauchern werden genau registriert. Für mich sind Begegnungen mit Weißen Haien immer besondere Highlights.
UnterWasserWelt
Andrea, du hast dich in Südafrika ohne Käfig zu einem Weißen Hai ins Wasser gewagt. War das nicht ein unkalkulierbares Risiko?
Andrea Ramalho
Vor vier Jahren hatte ich die Chance den Großen Weißen zu beobachten. Ich studierte dabei auch seine Verhaltensweisen. Und ich konnte sehen, wie er sich gegenüber unserem Team verhielt. Als die Zeit gekommen war, ging ich ins Wasser. Angst oder Beklemmungen hatte ich nicht. Mein Selbstvertrauen war da. Ich fühlte mich 100% fit und der Situation gewachsen. Er kam sehr nahe heran, musterte mich…ein Traum wurde Wirklichkeit. Alles ging gut, wir hatten die Situation im Griff.
Ralf Kiefner
Aber bei aller Euphorie darf man bei keiner Begegnung vergessen, dass Haie und insbesondere der Weiße potentielle Raubtiere sind, die auch mit einer noch größeren Beute jederzeit problemlos fertig werden, wenn sie nur wollen. An dieser Stelle müssen wir alle haiverrückten Arenalin-Junkies eindringlich warnen, den Weißen zu unterschätzen und mit ihm „just for fun“ zu schwimmen.
Ohne entsprechende Hai-Erfahrung und fundierte Kenntnisse hinsichtlich seines Verhaltens kann man nicht mit ihm schwimmen und tauchen. Menschen gehören nicht zu seiner Grundnahrung, vermutlich mag er unser Fleisch nicht mal besonders, aber ein Probebiss kann tödlich enden. Haie sind generell keine Streicheltiere.
UnterWasserWelt
Wie viele Schwimmer, Sufer und Taucher werden jährlich von Weißhaien
attackiert?
Andrea Ramalho
Es sind weniger als man denkt. 2004 waren es laut ISAF (internatioal shark attack file) 10 Angriffe, davon endeten 4 mit dem Tod. Seit 1990 konnten den Weißen etwa 88 Angriffe auf Menschen nachgewiesen werden. 22 davon waren tödlich. Bedenkt man, wie viele Menschen jährlich baden, surfen und tauchen, ist das nichts.
UnterWasserWelt
Ist der Weiße tatsächlich der gefährlichste Hai der Welt?
Ralf Kiefner
Schwer zu sagen. Tigerhaie und Bullenhaie sind ja auch nicht ohne. Das schlimmste Raubtier ist der Mensch, weil er aus Gier und Spaß tötet. Die Zahl der von Menschenhand getöteten Haie übersteigt die Zahl der Haiopfer um das Millionenfache.
UnterWasserWelt
Wenn Taucher den Weißen sehen wollen, wo sollen sie dann am besten hinreisen…Pazifik (Guadaoupe), Australien oder Südafrika)?
Ralf Kiefner
Wer Weiße Haie sehen will, sollte meiner Meinung nach am besten nach Südafrika fahren. Zum Einen, weil nach meiner Erfahrung dort die Chance auf Sichtung eines Weißen am Größten ist, zum Anderen aber auch, weil Südafrika ein traumhaft schönes Land ist das neben Haien auch noch eine Menge mehr zu bieten hat. Zudem ist die Anreise deutlich kürzer, als nach Australien oder in den Pazifik und es gibt keine Zeitumstellung.
Den einzigen Vorteil, den ich in Australien und Guadaloupe sehe, ist die phänomenale Sicht. Für UW-Fotografen mag das sicherlich den Ausschlag geben, trotz der höheren Kosten diese aufwändige Reise anzutreten
Herbert Frei