Editorial Juni 2021

Liebe Leserinnen und Leser,

unsere Redaktion ist relativ nah zu Österreich angesiedelt, heute kann man fast sagen grenzwertig. Seit 15 Monaten ist so vieles grenzwertig. Nach Tirol wären es 70 Kilometer, ins Land Salzburg 90. Also wie auch immer grenzwertig, so oder so.

Im dritten Polittsunami war nach kurzer Zeit relativ normal verlaufener Kontaktaufnahmen zu unseren Tauchbrüdern- und Schwestern in Austria wieder ein Eiserner Vorhang „Light“ ausgerufen worden. Politisch von jenem, der nicht zu Kurz kommen wollte (ist ja noch ein junger Bursche mit weit ausgefahrenen Ohren im viel zu großen Anzug eines Kanzlers) und von einem, der sich wie in einem der Grimms Märchen anschickte, der Kaiser werden zu wollen. Und da spielten der Kurze und der fränkische Gernegroß quasi Ping Pong, wen lassen wir rein oder raus und unter welchen Auflagen. Dass die Auflagen eher erdrückend waren, als kaum spürbar, war deren Ziel und für mich persönlich erschreckend erfolgreich.

Und da gibt es ja ständig negative Feuer schürende Medienformate in gedruckter und gesendeter Form, die schon seit 15 Monaten Angst als Marketinginstrument einzusetzen verstanden und sich laufend der gleichen angstschürenden Politiker als Rückversicherung für ihre lukrative Vermarktung versicherten.

Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten, davon haben wir uns als Magazin UnterWasserWelt stets distanziert, wir produzieren wertvolle Inhalte, die keine Halbwertszeit von lediglich 24 Stunden haben. Unsere in 22 Jahren veröffentlichten Beiträge haben auf unterschiedlichsten Ebenen nichts von ihrem Wert verloren.

Der umfassende Relaunch von UnterWasserWelt im Jahr 2018 hat das Gros der bis zu diesem Zeitpunkt veröffentlichten Beiträge nicht ad Acta gelegt. Ein kleiner Teil wurde übernommen, vieles verblieb für den Onlinezugriff statisch erhalten. Natürlich ist das Archiv UnterWasserWelt-History nicht so funktional, wie das aktuelle Magazin, doch hier geht es ja um ein seit vielen Jahren gesammeltes Wissen zu Tauchequipment, Tauchdestinationen und vieles anders, das sogar als Tauchgeschichte angesehen werden kann.

Während brave Abonnenten von gedruckten Tauchmagazinen irgendwann ihre schwergewichtig gesammelten Jahrgänge im Altpapier entsorgten, haben wir in digitaler Leichtigkeit das Archiv der unlöschbaren Nachwelt erhalten.

Im Archiv gibt es eine Reihe von Geschichten mit Bezug auf Österreich. Wenn wir schon so grenzwertig angesiedelt sind, eher kein Wunder. Die aufgezwungene Fernhaltung von Österreich hat mir in den letzten 15 Monaten wirklich Probleme bereitet. Ein Stück weit kann ich mir jetzt lebhaft vorstellen, wie es den Bürgern der DDR erging, deren Reisefreiheit – das Wort in sich im Staatsgebrauch schon ein ganz übles Synonym für keine Reisefreiheit – so „großzügig“ ausgelegt war.

Im Vertrauen auf eine normale Reisefähigkeit nach Österreich, wegen der idealen Tauchseen dort unserer wichtigstes Ziel für Testproduktionen, kaufte ich Anfang 2020 wieder die digitale Autobahnvignette. Kosten gut € 90,- für 13 Monate. Ich habe 2020 genau an drei Tagen eine Autobahn in Österreich befahren. Dank der Restriktionen hinsichtlich Ein- und Ausreise.

OK, alles klang so positiv, auch für 2021 trotz starker Bedenken, dann doch eine digitale Jahresvignette erstanden. Dann kam wieder alles anders und am 24. Mai ging es nun tatsächlich erstmals Richtung Attersee. Diese Autobahnmaut steht für 50 KM mit  € 94,- erstmal so in der Buchhaltung.

Über die Grenze machen ist ganz einfach…. Da gab doch vor vielen Jahren mal den Song „Du musst nur den Nippel durch die Lasche ziehen…….“ Nachdem sich nahezu täglich die Bedingungen ändern, unter denen man sich irgendwie wie ein normaler Mensch intern, öffentlich oder wie auch immer zeigen und bewegen darf, ein richtig hartes Brot. Jetzt heißt es Nerven bewahren.

Wir wollen zum Freedivetraining endlich in den Attersee, eigentlich unser Haussee. Zur Einreise benötigen wir einen negativen Test (oder Impfnachweis oder nicht am Wahnsinn gestorben) und eine im bestem österreichisch geforderte PRE-TRAVEL-CLEARANCE.

Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. In Frankreich wäre man mit dem Titel so eines Formulars umgehend verhaftet worden, aber little Austria baut mehr und mehr auf Anglizismen, nachdem die Schreiben der Behörden nun auch für abseits des Beamtentums lebende Bürger verständlich sein müssen. Also Trick 17, macht man eben jetzt einen auf international.

Und, um dieses Formular auf der Website des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz dann tatsächlich zu finden, da hilft es einem ein Fan des großen Komikers Karl Valentin zu sein (gestorben 8.2.1948), der ums Eck denken konnte. Nur so geht’s.

Ganz wunderbarer Effekt dieses Onlineformulars, nach dem wahrheitsgemäßen Anklicken aller zu beantwortenden Fragen bin ich ein Österreicher. Österreichischer Staatsbürger. Nicht, dass es mir unangenehm wäre, nur, die Überraschung muss ich erst einmal verdauen. Wo ich den Pass dazu abholen kann, behält das System beharrlich für sich.

Das schwierigste an diesem Formular ist aber die zur Feststellung der Personendaten geforderte Angabe des Geburtsdatums. Neugeborene sind zweifellos total bevorzugt. Da ist im  Onlineformular nicht vorgesehen, dass ein Geburtsdatum direkt eingegeben werden kann. Nein, da muss man Monate durchklicken, bei mir waren es 700+ und die Maus des PC wollte schon kündigen wegen Kinderarbeit…… Ösis, geht’s noch? Ist das eure Idee, mit dieser Maßnahme bewusst ein Stückchen „Normalität“ zurückkehren zu lassen?

Aber, es hat sich für mich doch gelohnt, auch wenn nicht nachvollziehbar in den Details, den Papierkram, den Test machen zu lassen. Mit Papieren in einer vollgestopften Aktenmappe geht es Richtung Grenze Walserberg bei Salzburg.

Heute nur ein kleiner Stau. Die Fahrstreifen sind deutlich durch Hinweisschilder auf eine Spur eingeschränkt. Nur ein Reisender in schwerer Daimler – Limousine mit Kennzeichen aus Zürich fühlt sich privilegiert und rauscht an der kurzen Linie, der an der Einreisekontrolle eingereihten Fahrzeuge, links vorbei. Sein Gewinn: Zwei Fahrzeuge. Dann  ist erst einmal Schluss mit lustig für ihn, denn wegen der der aktuellen Virenalge sieht Österreich die Einreise aus der Schweiz eher zurückhaltend… Blöd gelaufen.

Wie singt Wolfgang Ambros? Zwickts mi, i glab i tram…. (Zwickt mich, ich glaube, ich träume). Das war mein Gefühl, als, ich vor ein paar Tagen erstmals in Mondsee (Österreich) in einem Restaurant innen Platz nehmen, ein Gericht bestellen und am Tisch essen konnte, bedient von freundlichen Kellnern. Wahnsinn, mehr sag ich nicht…..

 

Herzliche Grüße, Ihr

Michael Goldschmidt