Das gestohlene Wrack der MV Doña Marilyn vor Malapascua auf den Philippinen

Dass selbst geschützte Wracks illegal geborgen werden, geschieht immer öfter

MV Doña Marilyn
Die unerkannten Wrackpiraten

Die MV Doña Marilyn war eine Fähre, die zwischen den philippinischen Inseln verkehrte. Sie wurde 1980 gebaut und sank am 23. Oktober 1998 auf der Reise von Manila nach Tacloban während des Taifuns Ruby. Winde mit Geschwindigkeiten von 130 Knoten und Wellen von 12 Meter Höhe besiegelten das dramatische Ende des 98 Meter langen Schiffs vor der Insel Malapascua bei Daanbantayan. Bei dem Unglück starben mehr als 300 Menschen, nur 147 konnten gerettet werden.

MV Doña Marilyn Aktuell wird immer häufiger darüber berichtet, dass ganze Wracks vom Meeresgrund verschwinden. Egal, ob geschützt oder nicht, eine in Asien wirkende Alteisenmafia hat sich auf illegale Bergungen von Stahlwracks spezialisiert, um das Alteisen zu verkaufen. Der Erlös scheint deutlich über den Kosten für deren Bergeaufwand zu liegen. Ganz klar werden hier keine spezialisierten Mannschaften zu gutem Lohn rekrutiert und die eingesetzten Schiffe muten selbst schon als halbe Wracks an.

Die Wrackpiraterie wurde uns erstmals in einem spannenden Vortrag von Tino de Rijk nahe gebracht, der eine lang geplante und sehr anspruchsvolle Expedition zu den niederländischen Kriegswracks in der Java See organisiert hatte. Die Erkenntnis vor Ort war erschütternd, die meisten, der als Kriegsgräber geschützten Wracks waren schlicht verschwunden. Weg. Die hochkarätige Expedition war in weiten Teilen gescheitert. Die auf langen Wegen von den zuständigen Behörden erwirkten Genehmigungen, an den versunkenen Kriegsgräbern zu tauchen, waren trotz hoher Kosten wertlos geworden. Die daraufhin angesprochenen Ämter waren sprachlos, irritiert und hatten keine Erklärung dafür. Nicht ungefährliche Recherchen brachten an den Tag, dass die Wracks von chinesischen Firmen für die Verwertung des Alteisens gehoben worden waren, mit dem Segen indonesischer Regierungsstellen.

Jetzt wurde vor den Augen von Tauchbooten die MV Doña Marilyn im August 2018 förmlich geklaut. Das Auftreten oder Erscheinen der Wrackpiraten ist dreist, es wird professionell darauf gesetzt, dass ihr Tun zwar für vor Ort erscheinende Tauchgruppen überraschend ist, doch welche Gefahr sollte von ihnen ausgehen? Bis die ersten Anfragen irritierter Basenbetreiber bei den Behörden eingehen, bis sich dort jemand um die Sache kümmert, das verschafft den Wrackpiraten ausreichend Zeit. Und selbst wenn schneller reagiert werden würde, dass die Wrackdiebe mit einem Kanonenboot bedrängt und abgeschleppt werden würden, das entspricht nur unserer westlich geprägten Vorstellung.

Vor Ort ist die Katastrophe vollkommen. Die  MV Doña Marilyn war das einzige in Sporttauchtiefe befindliche Wrack mit einer maximalen Tiefe von 33 Metern. Die Masten erreichte man bei 21 Metern. Das in der Zwischenzeit zu einem von submarinem Leben strotzende Wrack, das auf der Steuerbordseite liegend ein geniales Riff auf dem in dieser Region üblichen Sandboden schuf, für die Tauchbasen in der Region das herausragende Highlight war, es ist weg. Restlos.

Der Verlust für die Tauchgäste und Tauchbasen wird durch die ökologische Katastrophe noch erhöht. Im Umfeld des kaum strukturierten Sandbodens hatten viele Spezies keine Chance, Schutz zu finden, sich anzusiedeln, sich zu entwickeln. Erst das Wrack der MV Doña Marilyn schuf allen unglücklichen Hintergründen zum Trotz eine blühende, lebendige Lebensgemeinschaft aus allen Bereichen der Tier- und Pflanzenwelt. Ein einmaliger Spot in der Region, der in maximal 1,5 Stunden Anfahrt erreicht wurde. Die gefährdeten schwarzen Korallen fanden im Wrack der MV Doña Marilyn eine geschützte Heimat, aber auch Blaupunkt-, Bogen- und Adlerrochen, Teufelsrochen und Weißspitzenhaie hatten sich angesiedelt.

Wie recherchiert werden konnte, gab es bereits 2004 eine Anfrage eines Bergungsunternehmens, die MV Doña Marilyn zu verwerten, was aber von den Behörden abgelehnt worden war. Es war aber nicht der erste Versuch, das Schiff zu verwerten. Wer hinter der illegalen Bergung des Wracks steht, das ist nach wie vor ungeklärt. Alle angesprochenen regionalen Behörden zeigen sich betroffen, zumal der Verlust dieses international bekannten Tauchplatzes die Aufenthaltsdauer der Tauchgäste allgemein verkürzen wird. Zum wirtschaftlichen Schaden im Tourismusumfeld gesellt sich der noch größere Schaden in der maritimen Umwelt.

Da hilft auch das Statement von Bürgermeister Vicente Loot von Daanbantayan nicht mehr weiter: “Keine Bergung versunkener Schiffe oder ähnlicher Aktivitäten innerhalb des Verantwortungsbereiches von Daanbantayan kann von irgendeiner Person oder Organisation durchgeführt werden, ohne die erforderliche Genehmigung des Bürgermeisters zu erhalten, die wir jedoch nie ausstellen, weil sie schädlich und zerstörend für die Umwelt und die wachsende Tourismusindustrie der Stadt ist“.

Irgendwie kann man sich nicht vom Eindruck befreien, dass in Indonesien die Wrackpiraterie bestimmte in öffentlichen Ämtern Beschäftigte fürstlich belohnt. Darüber sollte man mal nachdenken, vor der nächsten Reisebuchung…

Michael Goldschmidt