Apnoe-Passion Praxis: Halsblei Lobster oder Skorpio, lohnt es sich, das Sparschwein zu schlachten

Mit Geld allein kann die persönliche Bestleistung im Streckentauchen wohl nicht gedopt werden

Mit dem Thema Halsblei habe ich mich bereits in einem anderen Beitrag grundsätzlich beschäftigt. Hier wird es jetzt spezieller, nicht nur, was den Preis betrifft. Die vorgestellten Halsbleilösungen Skorpio von Chabaud aus Frankreich und Lobster von Lobsterweight aus Moldawien haben engagierte Freitaucher als Anwender im Fokus, die vornehmlich ihre Leistungen im Streckentauchen zu optimieren versuchen. Viele Wege führen nach Rom, dies sind zwei davon.

Vorausgeschickt, diesmal habe ich richtig Geld in die Hand genommen, um das Halsblei von Chabaud und Lobsterweight auf den eigenen Schultern zu spüren.

Bei der kleinsten Version des Lobster, sie bringt laut Hersteller insgesamt 2,5 kg auf die Waage, beginnt der Preis bei € 179,-. Ein Nettopreis ohne Steuer, Versand und letztendlich fälligem deutschen Zoll. Moldawien gehört nicht zur EU und das macht die Sache richtig teuer. Aus den ursprünglich € 179,- wurden dann € 321,- für ein Halsblei. Bin ich verrückt oder nur notorisch neugierig bei Apnoeausrüstung?

Nachgewogen wurde ich aber fürstlich belohnt, denn die Waagen gehen in Moldawien etwas anders, so wiegt mein Lobster in leuchtend roter Gummiummantelung 2,662 kg, so gesehen 162 g gratis. Vieles deutet auf Handarbeit hin, was vom Hersteller nicht kommuniziert wird. Vielleicht hat das den Grundpreis so nach oben getrieben, obwohl Moldawien nicht zu den Ländern mit hohem Lohnniveau zählt. Angesichts des Preises für das Lobster Halsblei mache ich mir Gedanken über die sichere Aufbewahrung. Ein Bankschließfach vielleicht? Und, wer bewacht es beim Training, wenn ich mit anderen Systemen tauche? Zur eigenen Info, hier geht’s zu Lobsterweight.

Das Label Chabaud und dessen Skorpio Halsblei fand ich im Verlauf intensiver Webrecherche und dazu einen Outdoorshop in Frankreich, der das System zu einem akzeptablen Preis anbietet, € 109,- für das Grundsystem mit 2,5 kg und € 6,- für 250 g zusätzliches Gewicht mit Klettverbindung. Das sieht schon anders aus. Versand kostenlos und kein Zoll. Zum Shop

Bei Chabaud wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aufgrund der Handarbeit gewisse Unterschiede zu gezeigten Systemen möglich sein können.

Zwischenbilanz, für das Sammeln eigener Erfahrungen mit Lobster und Skorpio wurden € 423,- investiert (2x € 6,- für insgesamt 500 g Chabaud Zusatzblei – damit die Buchhalter unter meinen Lesern nicht gleich aufstöhnen).

Lobster – rot / Skorpio blau

Lassen Sie mich zunächst die optisch und haptisch bedingten Unterschiede wertfrei abarbeiten.

Ganz klar macht das Lobster Halsblei deutlich mehr her. Das Design ist durchaus einschmeichelnd, unterstreicht auf den ersten Blick durchgängig Hochwertigkeit und auch das Gefühl auf der Hand, die die verwendete Gummimischung aller Teile vermittelt, spricht eine eigene Sprache. Insgesamt wurde ein Produkt entworfen, das das ausgeprägte Ego höchstengagierter Apnoetaucher zu neuen Streckenrekorden begleiten sollte. Eine Art Rolex fürs Streckentauchen, oder auch gut für eine Neiddebatte hinter vorgehaltener Hand.

Skorpio ist ein auf die Anwendung zielgerichteter Purist. Kein Design – Schnickschnack, klare Linie, auf Funktion und nicht für einen Roten Teppich entwickelt. Ganz klar steht hier allein der User im Mittelpunkt, der einen sportlichen Erfolg anvisiert und keinen Schönheitspreis. Haptisch ist das Skorpio Halsblei auch zurückhaltend, die Metallteile sind dick lackiert, keine samtene Ausstrahlung lenkt ab.

Systemidee

Beim Lobster Halsblei wird von einer modularen Bauweise ausgegangen. Das Grundgewicht (Standardgröße 1,5 kg) kann mit weiteren Modulen bestückt werden, bis das gewünschte Resultat der Gewichtsbilanz erreicht ist. Die zusätzlich anzuhängenden Gewichte ergeben optisch insgesamt das Erscheinungsbild eines Hummerschwanzes, deshalb steht Lobster hier nicht nur als Sinnbild, sondern auch als Produktname. In drei Grundvarianten wird das Halsblei angeboten: 1,5/2,5 kg, 2,5/4,0 kg, 4,0/6,0 kg. Die erste Zahl steht für das Grundgewicht, die zweite für den maximal mit den Zusatzgewichten erreichbaren Abtrieb. Wie schon erwähnt, so ganz genau wird die Gewichtsangabe nicht genommen, eigenes nachwiegen ist empfohlen. Das auf der Schulter aufliegende Grundmodul ist sogar individuell anpassbar, der Öffnungswinkel kann durch einfaches Biegen erweitert werden. Allerdings ist dieses Feature nicht griffig kommuniziert und fast zufällig erst später herausgefunden worden.

Das Skorpio Halsblei ist ebenfalls modular aufgebaut, allerdings ist zu den Grundversionen von 2,5/3/4/4,5/5 kg auch weiteres Blei zu je 250 g mit kräftiger Klettverbindung hinzuzufügen. Die 3 bzw. 4 Rückenbleiteile sind untrennbar durch dicke Stahldrähte miteinander und mit dem Schultermodul verbunden. Und dieses Schultermodul ist ebenfalls im Öffnungswinkel an persönliche Bedürfnisse anzupassen. An entscheidenden Stellen ist das verwendete Metall biegsam, so dass auch hier für die Ansprüche aller User eine optimale Abstimmung möglich ist. Die italienische Apnoemeisterin Alessia Zecchini hat sich sogar einen Sicherungsverschluss fertigen lassen, der verhindert, dass ihr Skorpio beim Tieftauchen (abtauchen kopfüber) vom Körper abrutscht und alleine in der Tiefe verschwindet. Die puristische Form des Schultermoduls vereinfacht eine  individuelle Anpassung, die vergleichbar nicht für das Lobster Halsblei anzuwenden wäre.

Verarbeitung

Auf den ersten Blick ist beim Lobster Halsblei alles perfekt. Werden die Einzelteile aus der ansprechenden Verpackung entnommen, machen sie einen insgesamt hochwertigen Eindruck. Dann wird der Lobsterschwanz montiert und die einzelnen Gewichtsteile aneinander gehängt. Hier hakt es aber, weil die Maßhaltigkeit bzw. die Positionierung der Scharniere nicht unbedingt feinmechanische Höchstleistung beweist. Um die Segmente der Rückengewichte in die beabsichtigte Form zu bringen, muss mehr oder weniger gefummelt werden. Das ist lästig und trübt den perfekten ersten Gesamteindruck. Und, wirklich verlustsicher sind die einzelnen Gewichte nur, wenn – ihrerseits verlierbare – Gummisegmente in die Scharnieröffnung hineingedrückt werden. Das passt mit Blick auf den Preis nicht wirklich zusammen.

Beim Skorpio ist alles ehrlich, keine Augenwischerei. Alle Metallteile sind kräftig mit Lack überzogen, der auf den Stahlseilstückchen zwischen den Segmenten der Rückengewichte dünner ausgefallen ist. Das muss so sein, denn es ist ja keine starre Verbindung und dickerer Lack an diesen Stellen würde aufgrund mechanischer Belastung bald die Beschichtung bröseln lassen. Zusatzgewichte werden mit Klett befestigt. Allerdings hatten meine Zusatzgewichte die falsche Klettfläche, ein Textilpad, wie am Skorpio vorbereitet. Selbst ist die Frau, runde Klettpads von 3M im Austausch angebracht, jetzt sind die Bleimodule fast untrennbar mit dem Halsblei verbunden.

Praxis

Beide Systeme sind auf horizontales Tauchen, also Streckentauchen, spezialisiert. Hier gibt es kein Abtauchen kopfüber, auf das Lobster und Skorpio sofort mit unangenehmer Positionsverlagerung reagieren. Aber ausprobieren muss ich das. Da gibt’s auch keinen Punktabzug. Horizontal und mit entsprechend gestreckter Körperhaltung tauchend, machen die beiden Halsblei einen guten Eindruck. Nichts drückt am Hals, die Gewichtsverteilung erscheint ideal. Ich sage erscheint, denn es sind subjektive Eindrücke von mir und anderen Testtauchern.

Während Lobster mit seiner dicken Gummiarmierung einen gewissen Tragekomfort bietet, hat Skorpio im Nacken eine Polsterung angeklebt, die das auf einfache Weise wirksam übernimmt.

Um in Position zu bleiben, ist Lobster aufgrund seiner weitgehend abgerundeten Formen mit einem rutschhemmenden Gummi kaschiert, das funktioniert aber nur auf Glatthautanzügen. Gut, das ist in der Apnoeszene eher die Regel, aber es gibt auch Textilanzüge, etwa von Salvimar, einem führenden Freitauchlabel. Da fühlt sich das Lobster Halsblei eher unwohl. Dem Franzosen Skorpio ist das egal. Zickig? Keine Spur.

Naja, da hängt noch die Frage im Raum, die als Marketingaussage von beiden Halsblei Labels unters Apnoevolk gemischt wird: Mit unseren Systemen taucht ihr weiter!

Ganz ehrlich, diese Aussage kann ich nicht bestätigen, weil: Lobster und Skorpio wurden nicht angeschafft, um mein personal best innerhalb von zwei Tagen um ein paar Meter zu toppen. Es ist die Neugier, die mich umtreibt, alles was interessant ist am Freitauchmarkt, selbst kennenzulernen, mir einen Eindruck zu machen. Dahinter steht auch die wichtige Frage, was ich als Apnoetauchlehrerin meinen Schülern empfehlen kann, immer auch in Abwägung ihrer Fertigkeiten und Ziele.

Fazit

Habe ich zu tief in die Tasche gegriffen, um mir ein Bild von Lobster und Skorpio zu machen? Halsblei ist ja so eine Sache, selbst gebastelt am Anfang, dann kommt das finanzielle Mittelfeld der unterschiedlichsten Anbieter ins Spiel. Für mich steht absolut im Vordergrund, dass das Halsblei gut sitzt, keinen Druck auf Schulter und Hals ausübt, absolut unauffällig ist beim Einsatz, die Körperhaltung wirksam unterstützt. Dann ist die notwendige Entspannung beim Streckentauchen nicht beeinträchtigt.

Beide Systeme schaffen das ohne Frage. Ich sags mal überspitzt, ein Poser braucht das Lobster Halsblei, ein Realist greift zum Skorpio. Beide Systeme werben mit extremen Streckentauchrekorden – hinter denen absolut durchtrainierte Spitzensportler stehen.

Von Lobster und Skorpio fällt kein Sternenstaub auf die User, egal wieviel Geld dafür ausgegeben wird. Meine Neugierinvestition hätte ich rückblickend nach dem persönlichen Vergleich deutlich einschränken können. Egal, was bleibt ist ein berühmtes Wort: Wissen ist Macht. Und jetzt weiß ich, dass ich meinen Skorpio gerne weitertauchen.

 

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Petra Ney