Tauchen mit anderen Atemgasen als der gewohnten Pressluft scheint nur etwas für Spezialisten zu sein, die als Tech – Diver große Tiefen aufsuchen möchten oder Höhlensysteme erkunden. Aber weit gefehlt. Nitrox heißt ein Zauberwort, das seit Jahren durch die Szene geistert und das für nichts anderes steht als tauchen mit höherem Sauerstoffanteil. Also auch Nitrox für Sporttaucher. Statt dem in normaler Luft enthaltenem Sauerstoffanteil von 21% werden Mischungen von meist 32% angeboten. Der Vorteil sind deutlich verlängerte Nullzeiten und nach dem Tauchgang fühlt man sich nicht so müde wie bei Verwendung normaler Pressluft. Der Nachteil: Tiefenstiere können mit Nitrox allein nicht tauchen und in Europa müsste man sich Atemregler und Flasche exklusiv für den Nitroxeinsatz beschaffen.
Ein Lehrgang wird nach den Richtlinien bekannter Verbände durchgeführt, dauert durchschnittlich zwei Nachmittage und wird mit einer Abschlussprüfung abgerundet, deren Bestehen für den Erhalt des Brevets notwendig ist. Dieses Brevet wird dann bei allen Organisationen und Basen anerkannt. Doch bis es soweit kommt muss erst einmal die Schulbank gedrückt werden. Aber keine Angst, wer seine theoretischen Prüfungen auf dem Weg zum zertifizierten Taucher nicht nur hemmungslos abgeschrieben hat, der wird auch hier nicht scheitern.
Die Idee den Sauerstoffanteil im Atemgas der Taucher zu erhöhen ist nicht neu, bereits vor gut 60 Jahren begann damit die US Navy, allerdings mit der Absicht den Anteil von 100% Sauerstoff in militärisch verwendeten Kreislaufgeräten zu reduzieren und damit größere Tauchtiefen zu erreichen. Erst danach wurden die mit Sauerstoff angereichten Atemgase auch in offenen System verwendet. In den 70er Jahren begann dann die NOAA sich mit der Thematik zu beschäftigen, die nach und nach auch für Sporttaucher zugänglich wurde. Eine der schwierigsten Hürden bei der Verbreitung von Nitrox war sicherlich die Frage der einfachen Herstellung des Gemisches und dessen unkomplizierte Analyse.
Während die Mischung „per Hand“, durch genau dosiertes Überströmen reinen Sauerstoffs in mit Pressluft teilbefüllte Tauchflaschen hergestellt werden kann und teure Analysegeräte das Resultat offenbaren, geht das auch wesentlich einfacher. Moderne Kompressoren mit Sauerstoffmembrananlagen ausgestattet, befüllen die Flaschen automatisch mit dem vorgewählten Gemisch bis zu 40%. Kontrolliert wird das Gemisch dann vom Taucher mit Hilfe eines kleinen mobilen Durchfluss – Analysegeräts, wird der Tank in der Basis abgeholt und für den Einsatz vorbereitet.
Die Gemische Nitrox 32 und Nitrox 36 (NOAA I und NOAA II) sind mittlerweile standardisiert und bedeuten, dass statt 21% jetzt 32% oder 36% Sauerstoffanteil im Atemgas enthalten sind.
Man könnte theoretisch auch alle Gemische von 22% bis 40% herstellen und damit auch tauchen, doch hat sich rechnerisch wie auch empirisch gezeigt, dass diese beiden Standardgemische die beste Ausgangslage zwischen Vor- und eventueller Nachteile haben. So sind Membrananlagen vorwiegend auf diese Werte vor eingestellt.
Wenn Eingangs schon der Nachteil einer klaren Tiefenbegrenzung beim Einsatz von Nitrox angesprochen wurde, fassen wir es jetzt in Worte: Mit Nitrox 32 darf man maximal 33,7 Meter tief tauchen, bei Nitrox 36 sind es 28,8 Meter (vorausgesetzt der Sauerstoffpartialdruck soll den im Sporttauchen gesetzten Maximalwert von 1,4 bar nicht übersteigen).
Doch mit diesen Tiefen lässt es sich weltweit sehr komfortabel leben, wird doch aus Sicherheitsgründen immer häufiger die maximal zulässige Tauchtiefe von Seiten der Behörden auf 30 Meter begrenzt.
Was bringt Nitrox nun an wirklichen Vorteilen? Ganz klar ist die geringere Menge Stickstoff, die im Blut in Lösung übergeht ein deutliches Sicherheitsplus. Verzichtet man auf die Tauchganggestaltung nach den Werten, die Nitrox ermöglicht, also deutlich verlängerte Nullzeiten, und taucht man weiter nach normalen Lufttabellen (normaler Tauchcomputer) ist man deutlich auf der sicheren Seite. Aber auch bei Ausnutzung der verlängerten Nullzeiten und Einsatz eines Tauchcomputers, der die reduzierte Stickstoffsättigung sowie die zusätzliche Sauerstoffsättigung berechnet, ist man deutlich weniger gefährdet die Nullzeit zu überschreiten, hat man sich nicht mit besonders großen Flaschenpaketen auf den Weg gemacht.
Neu ist auf jedem Fall die Sauerstoffsättigung des Körpers im Auge zu behalten. Wird der hierfür vorgegebene Partialdruck von 1,4 bar überschritten (möglich wäre auch 1,6 bar für sich persönlich zugrunde zu legen – militärisch reizt man die Sättigung bis 2 bar aus) sind Symptome einer Sauerstoffvergiftung möglich, die entgegen verschiedentlich geäußerter Meinung ohne spürbare Warnzeichen eintritt und u.a. zu einer Lähmung der Gesichtsmuskulatur führt, weshalb man dann den Atemregler nicht mehr im Mund halten kann. Aber bevor das passiert, muss man schon das Thema Non Limit Tauchen all zu wörtlich genommen haben. Ein weiterer objektiv feststellbarer Vorteil ist das Empfinden nach Tauchgängen mit Nitrox wesentlich frischer aus dem Wasser zu kommen als bei herkömmlicher Pressluft. Der geringere Stickstoffanteil im Blut hängt damit auf jedem Fall zusammen.
Eine weitere gute Nachricht ist auch, dass die Atemregler und Ventile, die international vertrieben werden, für die Verwendung von Atemgasen mit bis zu 40% Sauerstoffanteil zulässig sind (Ausnahme bestimmte Atemregler mit Titanbauteilen, diese sind aber entsprechend gekennzeichnet oder beschrieben). Damit kann man mit seiner normalen Ausrüstung international problemlos mit Nitrox tauchen!
Nun, die Vorsicht gegenüber höherer Sauerstoffanteile ist gerechtfertigt, darf aber wie in Deutschland nicht zur Hysterie führen. Bestimmte Kunststoffe und Fette können im Zusammenspiel mit hohen Sauerstoffkonzentrationen brennbare oder explosive Gase bilden – aber nicht bei Sauerstoffanteilen von maximal 40% wobei üblicherweise beim Tauchen mit Nitrox nur 32% oder 36% verwendet werden. Aber in Deutschland – und das ist eine besonders ärgerliche Ausnahmesituation – wird jeder Sauerstoffanteil über 21% wie 100% behandelt und so dürfen deshalb den Normen und Richtlinien entsprechend auch nur die dafür geforderten Ventile und Atemregler verwendet werden. Aus diesem Grund bekommt man in seine normale Pressluftflasche, auch wenn sie den geforderten großen Aufkleber NITROX aufweist, keine sauerstoffangereicherte Luft gefüllt. Und – wo kaum ein Markt, da ist auch kaum eine flächendeckende Infrastruktur zu finden, die Nitroxfüllungen – natürlich zum Extrapreis – anbietet.
Aber um diese Vorteile wenigstens international ungestört nutzen zu können, ist das Nitrox – Brevet Voraussetzung. Dieses Brevet kann in zwei Stufen erworben werden, doch es macht Sinn, sich beide Nachmittage dafür Zeit zu nehmen, dann kann man „hemmungslos“ Nitrox nutzen. Ansonsten – nur mit Level 1 – darf man Nitrox tauchen aber nur nach den Lufttabellen.
In der Theorie wird man leicht verständlich mit Partialdrücken, Dekokrankheiten, geschichtlicher Entwicklung von Nitrox, der Wirkung von Sauerstoff, Partialdruckberechnungen, Ermittlung maximaler Tauchtiefen und bester Gemische konfrontiert. Kugelschreiber und Taschenrechner bringen einen da voran, unterstützt durch begleitende Theorieunterlagen.
Ist man da durch, gibt’s die Praxis im Lager der Nitroxflaschen.
Da stehen sie nun die Flaschen mit den Nitrox – Aufklebern und den Anhängern am Flaschenhals. Anders als bei Pressluft kann man sicht nicht schnell einen Tank greifen, kurz den Druck prüfen und ab geht’s. Hier ist erst mal Prüf- und Schreibarbeit gefordert.
Zunächst wird der Flaschendruck geprüft, dann der Sauerstoffanteil. Hierfür wird ein Durchflussmessgerät, das auf 20,9% Sauerstoff geeicht ist, an das leicht geöffnete Ventil gehalten. Bei Nitrox 32 muss bestenfalls ein Wert von 32% angezeigt werden, etwas mehr oder ein wenig weniger ist auch noch im Rahmen.
Hat die Flasche zu wenig Druck (unter 200 bar) oder ist der Sauerstoffanteil außerhalb der Toleranz, wird sie nicht benutzt.
Alle gemessenen Werte werden in ein Füllbuch eingetragen, zusammen mit dem Messdatum und/oder Einsatzdatum. Ähnliche Einträge gibt es dann auch im Anhänger am Flaschenhals. Diese Vorbereitung macht durchaus Sinn, Vertrauen ist zwar gut aber Kontrolle in diesem Fall aber wesentlich besser.
Nach ein paar Mal geht der Vorbereitungsakt ohnehin in Fleisch und Blut über und so ein bisschen Zeremonie vor dem Tauchgang wertet den Sprung in die Tiefe ja auch irgendwie auf…
Hat man die Chance, bei einem Füllbetrieb auch individuelle Nitroxgemische zu bekommen, sollte man das auch nutzen. Ein kleines Beispiel dazu. Sie sind an einer Basis, die Tauchgänge zu Wracks in unterschiedlichen Tiefen unterhalb von 33 Metern anbietet. Wollen Sie auf der sicheren Seite bleiben und den Sauerstoffpartialdruck nicht höher als 1,4 bar ansteigen lassen, dann nehmen Sie für einen Tauchgang bis 40 Meter Tiefe ein 28er Gemisch mit. Dann bleiben die Vorteile mit Sauerstoff angereicherter Luft voll und ganz bei Ihnen und Sie genießen auch in größerer Tiefe eine längere Grundzeit und entsprechend kürzere Dekozeit. Und bei dieser Vorgehensweise beginnen Sie Schritt für Schritt einen Tauchgang zu planen, sich vorher Gedanken zu machen, was mit Einführung der Tauchcomputer bei Sporttauchern völlig aus der Mode kam.