Die Krise der Korallenriffe hat zu einer Vielzahl von Versuchen geführt, geschädigte Riffe wiederherzustellen. ZMT fragt: wie erfolgreich sind diese Bemühungen, könnten sie tatsächlich ein Massensterben von Riffen abwenden? Ein internationales Wissenschaftlerteam gibt nun erstmals im Fachjournal PLoS ONE einen umfangreichen Überblick über den Stand der Forschung und der Praxis der Riffrestauration und erarbeitet Verbesserungsvorschläge.
„Was in der Forstwirtschaft seit vielen Jahrzehnten gute Praxis ist, hat sich in der Riffrestauration noch nicht durchgesetzt: oft fehlen klar definierte Ziele, es finden vorab keine Untersuchung des Riffzustandes und danach keine länger angelegten Erfolgskontrollen statt“, erklärt Dr. Sebastian Ferse, einer der Autoren der Studie. Ferse ist Riffökologe am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen und hat langjährige Erfahrung mit der Restauration von Korallenriffen.
Die Maßnahmen reichen von lokalen Initiativen der Tourismusbranche oder Umweltschutzorganisationen über wissenschaftliche Studien bis hin zu großangelegten Programmen einiger Regierungen. Australien beispielsweise investiert derzeit aufgrund der Bleichschäden massiv in die Untersuchung verschiedenster Ansätze zur Rettung und Restauration des Great Barrier Reefs, das der Wirtschaft des Landes eine beträchtliche Summe von jährlich rund 6,4 Milliarden Dollar einbringt.
Korallen vermehren sich geschlechtlich, aber auch ungeschlechtlich. Brechen Teile von Korallen ab, können sie wieder am Meeresboden anwachsen und zu einem neuen Korallenstock werden. Vor allem bei verzweigten Korallen findet sich diese Vermehrungsstrategie, die auch von einem der häufigsten Restaurationsansätze aufgegriffen wird.
So werden den Korallen in einem intakten Riff Fragmente entnommen, die in den beschädigten Riffbereichen ausgesetzt werden. Allerdings eignet sich diese Methode nur für begrenzte lokale Schäden beispielsweise durch Schleppnetze, Stürme oder Bombenfischerei, da sie mit einem sehr hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Zudem werden durch die Entnahme die Mutterkolonien geschädigt.
Oft lässt man die Korallenästchen zunächst im ruhigen Flachwasser oder in Tanks an Land aufwachsen, wo sie während ihrer empfindlichen frühen Wachstumsphase vor störenden Einflüssen besser geschützt sind. Ab einer bestimmten Größe werden sie dann ausgesetzt. Laut untersuchter Studien überleben rund 60 – 70 % so einer Nachzucht zumindest die ersten Monate im Riff. „Die Zahl trügt aber“, kommentiert Ferse, „denn langfristige Kontrollen sind selten. Es kann durchaus vorkommen, dass schon nach zwei Jahren weniger als jeder zehnte Setzling am Leben ist.“
Für diese Methoden kommen fast ausschließlich verzweigte Korallen wie die der Gattung Acropora zum Einsatz, da sie sich einfach brechen lassen. In vielen Restaurationsprojekten entstehen so ausgedehnte Flächen mit Korallenmonokulturen, die arm an anderen Rifftierarten sind. Da es sich bei den Fragmenten um Klone handelt, ist die genetische Vielfalt in den Korallenplantagen sehr reduziert, die Korallen sind stressanfälliger.
Ein anderer Ansatz macht sich daher die sexuelle Vermehrung zunutze. Die Restauratoren sammeln Eier und Spermien ein, die viele Korallenarten als dichte Wolken synchron ins Wasser abgeben. In Zuchttanks werden die Eizellen befruchtet und wachsen zu Larven heran, die wiederum im Riff ausgesetzt werden. Bis aus einer Larve ein kleiner Korallenstrunk entsteht, können aber mehrere Jahre vergehen. Auch muss hier mit großen Mengen der kleinen Hoffnungsträger gearbeitet werden, da bis zu 50% der ausgesetzten Larven verenden, ohne je zum Korallenpolypen heranzuwachsen.
Wo ein Riff zerstört ist, sammelt sich Korallenschutt auf dem Meeresboden an, der durch Wellen und Strömungen hin- und her bewegt wird. Korallenstücke und Larven können sich aber nur auf stabilem Untergrund ansiedeln. „Was Plattformen für die Besiedlung angeht, haben Küstenmanager jede Menge Fantasie bewiesen“, so Ferse. „Da ist nicht selten unter dem Deckmantel des Naturschutzes einfach Müllentsorgung betrieben worden.“ Autoreifen, Betonklötze, Eisenbahnwagons und sogar Flugzeuge sind nur einige Beispiele. Unter Wasser kann die Korrosion zur Freisetzung von Giften führen, Teile des Schrotts lösen sich, driften durchs Riff und richten weiteren Schaden an.
Die Studie zeigt aber auch: trotz aller Einwände können Korallenpflanzungen mit Larven oder Fragmenten bei lokalen Riffschäden durchaus Erfolg haben. So konnte sich etwa vor der Küste Floridas – dort, wo ein Schiff auf Grund gelaufen war – das Riff durch gezielte Restauration innerhalb von 10 bis 15 Jahren regenerieren. Wichtige Voraussetzung ist, dass die Stressfaktoren bekannt sind und ausgeschaltet werden können. Der Boden muss zur Ansiedlung der Korallenableger konsolidiert werden, am besten mit Naturmaterialien wie Steinen.
„Wir sind aber nicht in der Lage, ein Korallenriff durch Restaurationsansätze nachzubauen. Wir geben lediglich eine Starthilfe, um das Riff auf Kurs zu bringen. Letztendlich muss es sich selbst regenerieren“, meint Sebastian Ferse. „Dabei stellen uns ausgedehnte Schäden durch Klimawandel und Korallenbleiche oder durch die Eutrophierung und Sedimentbelastung ganzer Küstenabschnitte vor neue Herausforderungen.“
An innovativen Ansätzen, die sich großflächig zum Einsatz bringen lassen, wird zurzeit intensiv geforscht. Im Gespräch sind beispielsweise autonome Unterwasservehikel, die über weite Areale Larven aussäen, oder gezielte Züchtungen von Korallenarten, die gegen Meereserwärmung und Bleiche widerstandsfähiger sind.“
Dr. Susanne Eickhoff