Ein neuer Bericht von Environmental Investigation Agency (EIA) und OceanCare zeigt die schädlichen Auswirkungen von “Hauruck”-Technologien zur Reinigung des Meeres. Das bekannteste Beispiel: The Ocean Cleanup (TOC), dessen Methode sich als schädlich für die marine Tierwelt herausgestellt hat.
Der Bericht Clean-ups or clean-washing? gibt zentrale Empfehlungen für die im November in Nairobi stattfindende nächste Verhandlungsrunde der UNO über ein globales Plastikabkommen. EIA und OceanCare rufen die Verhandler dazu auf, den Schwerpunkt auf die Verringerung der Plastikproduktion zu legen und nicht auf Reinigungstechnologien, die kostspielig und umweltschädlich sein können und von echten Lösungen ablenken.
Bei den Verhandlungen wird es u.a. um Maßnahmen gehen, welche die bestehende Plastikvermüllung adressieren, zusätzlich zu den nationalen Aktionsplänen gegen Plastikverschmutzung, insbesondere in Bezug auf die unverhältnismäßige Müllbelastung der wenigsten entwickelten Ländern (LDCs) und der kleinen Inselentwicklungsstaaten (SIDS). Umweltorganisationen fordern die Regierungen auf, vor allem bei der Quelle des Problems anzusetzen und die Plastikproduktion zu verringern, statt auf vermeintlich schnelle Lösungen zu setzen, die aber erhebliche negative Auswirkungen haben können.
Dazu zählen die immer populärer werdenden Geräte und Technologien, die Plastik aus dem Meer holen sollen. Es wurden 38 unterschiedlich ausgereifte Techniken beschrieben, die der Plastikkrise mit Drohnen, Robotern, Sandfiltern, Oberflächensaugern oder -rechen Herr werden wollen.
Jacob Kean-Hammerson, Ocean Campaigner der EIA sagt: „Wir dürfen uns von Clean-Up-Technologien nicht länger blenden und uns von tatsächlichen Lösungen nicht ablenken lassen. Es gilt vor allem Produktion und Verbrauch von Plastik zu vermindern.“
Auf den ersten Blick erscheinen diese Ansätze attraktiv, aber Umweltorganisationen und Forscher zeigen auf, dass sie genau jene Tierarten und Ökosysteme gefährden, die sie von der Plastiklast befreien wollen. Außerdem können diese End-of-pipe-Ansätze jene politischen Maßnahmen schwächen, die das Plastikproblem an der Wurzel packen sollen, nämlich bereits im Bereich von Produktion und Konsum von Plastik.
„Die Säuberungsmaßnahmen am Ende des Lebenszyklus haben zwar in der Gesamtschau ihren notwendigen Platz, um der Plastikmüllkrise beizukommen“, sagt Kean-Hammerson, „aber bei den bevorstehenden Verhandlungen über das Plastikabkommen müssen Regierungen und Verhandler die Chance wahrnehmen, um sicherzustellen, dass es nicht bis in alle Ewigkeit Plastikmüll gibt, der aufgesammelt werden muss. Das Wohl der Menschen und des Planeten müssen an die erste Stelle gesetzt werden“, so der Appell von Kean-Hammerson.
Ein Hauptproblem ist, dass sich Plastik und Meerestiere oft in denselben Gebieten ansammeln bzw. befinden. Im Great Pacific Garbage Patch etwa treiben Meeresströmungen sowohl Tiere als auch Plastik im selben Bereich zusammen.[2] Vor Hawaii werden 100% der Fischlarven und 95% des treibenden Plastikmülls auf denselben 8% der Meeresoberfläche konzentriert.
Außerdem haben sich Müllsammeltechniken als klimaintensive Prozesse erwiesen, da sie auf fossilen Brennstoffen beruhen. Studien haben berechnet, dass 200 Müllsammelanlagen auf Schiffen nicht ausreichen würden, um in 100 Jahren durchgehenden Betriebs die Meere zu säubern, wobei sie erhebliche Auswirkungen auf das Klima hätten.
„Diese Clean-Up-Projekte scheinen für die Öffentlichkeit und für Entscheidungsträger sehr verlockend zu sein. Wäre eine so einfache Lösung nicht großartig? Einfach mit einer Art Staubsauger durch die Meere zu fahren und sonst „business as usual“ zu betreiben? In der Realität sind solche Technologien aber ineffizient, teuer, nur eine Scheinlösung und überdies eine Gefahr für die marine Tierwelt“, erklärt Ewoud Lauwerier, Plastik Policy Experte bei OceanCare.
Die bekannteste Initiative ist The Ocean Cleanup (TOC), die eine Maschine entwarf, um den Great Pacific Garbage Patch aufzuräumen. Geplant war, pro Woche zwischen 9.900 und 14.900 Kilo Müll zu sammeln, aber es wird geschätzt, dass die tatsächliche Menge 3,7- bis 5,5-Mal niedriger ist als erwartet.
Umweltorganisationen und Wissenschaftler zeigen sich auch besorgt über TOCs Auswirkungen auf Meerestiere. So wurden etwa als Beifang von TOCs Hochsee-Reinigungsaktionen im Jahr 2020 Meeresschildkröten (auch gefährdete Arten), Haie sowie verschiedene Fisch- und Tintenfischarten gemeldet.
Anlass zu Spekulationen über Verbindungen zur Plastikindustrie gaben frühere finanzielle Unterstützungen etwa durch den saudischen Petrochemiekonzern und Polymerproduzent SABIC, den niederländischen Plastikerzeuger DSM sowie durch aktuelle Investoren wie Coca-Cola, das schon mehrere „Preise“ als weltweit größter Plastikverschmutzer erhalten hat.
„Diese Clean-Up-Techniken sind ein prächtiges Werkzeug für die Plastikindustrie, um vom eigentlichen Problem abzulenken. Daher wundert es nicht, wenn man sich anschaut, wer die größten Geldgeber sind“, sagt Lauwerier und ergänzt: „Die Plastikproduktion ist der Plan B der Ölindustrie. Bis 2050 wird eine Verdreifachung der Plastikproduktion prognostiziert. Am einfachsten kann die petrochemische Industrie der Öffentlichkeit Sand in die Augen streuen, indem sie sie glauben macht, erfinderische Technologien würden für alles eine schnelle und einfache Lösung bringen. Das Paradigma, jeder könne wie gehabt weitermachen, wird uns aber auf den Kopf fallen. Die Dinge sind auch im Fall der Plastikverschmutzung komplex und es gibt schlicht keine simplen Patentlösungen.“
OceanCare
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