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Apnoe: Lange für unmöglich gehalten, doch Doping spielt eine Rolle in der Wettbewerbsszene

Freitauchen ist ein ganz besonderer Sport, in dem für Doping wirklich kein Platz sein dürfte. Warum also sollen Apnoerekorde mit körperfremden, von außen zugeführten Substanzen erreicht werden? Hier sind mit Erfolgen keine bedeutsamen Prämien zu verdienen, wie etwa im Radsport. Geht es nur ums Ego, um sich schlicht über andere zu stellen? Nach einer Reportage der ARD Sportschau hat sich für Insider die Freitauchszene aufgespalten: In Sportler, die in Verbandswettkämpfen ehrliche Leistung zeigen und jene, die bei großen Events nach imaginären Sternen greifen.

Als ich im Juni 1998 als UW-Kameramann mit einem Team der ARD bei der 2. Apnoe – Weltmeisterschaft auf Sardinien vor Ort war, wurde ich das erste Mal von der zu diesem Zeitpunkt noch sehr jungen Sportart gleich hinter die Kulissen geführt. Ich traf Jacques Mayol, der als erster Apnoetaucher 1976 eine Tiefe von 100 Metern erreichte, für die Wissenschaft damals noch ein singuläres Phänomen.

Seine Trainingsmethoden haben grundlegend auch heute bestand:  Weniger Schwerpunkt auf Muskelausbildung und Maximierung von Luftspeicherung für den Abstieg, sondern eher psychologische Vorbereitung und Konzentration auf den Tauchgang, intensiv begleitet von Yogatechniken.

Die weltweit angereisten TV – Teams, selbst japanische Kollegen waren vor Ort, hatten aber nur ein Interesse, mangels besseren Wissens: In Großaufnahme zu drehen, wie ein verunglückter Wettbewerbsteilnehmer leblos aus dem Wasser gezogen wurde. Blackout und Funktion der Sicherungstaucher war ihnen nur marginal bekannt, sie wollten Blut sehen. Da ging es nicht um Doping, im Apnoezusammenhang noch völlig außen vor.

Sie mussten dann mehrfach enttäuscht werden, denn der Veranstalter sperrte für die Sensationspresse den Zugang zum Tauchponton weiträumig, auch um eventuelle medizinische Hilfsmaßnahmen unbehindert durchführen zu können und die zwei Blackouts waren letztlich für die entsprechende Sensationspresse uninteressant. Keine weitere Apnoe WM erregte ein auch nur annähernd vergleichbares Medieninteresse.

Wir schreiben 2024, 26 Jahre nach Sardinien und Doping spielt bei Freitauchevents nach den Recherchen der ARD Sportschau eine für Insider nicht mehr übersehbare Rolle, um als Sieger aus einem groß angelegten Wettbewerb hervorzugehen. Auch angesehene deutsche Freitauchathleten teilen diese Meinung wie etwa die mehrfache Weltmeisterin Jennifer Wendland. Ein weiterer Athlet möchte im Videofilm der ARD Sportschau unerkannt bleiben, stellt aber fest, dass Doping zu einem Problem geworden sei, das die Ergebnisse und Leistungen deutlich verzerre.

Was soll die Einnahme oder Anwendung von Produkten bewirken, die als für das Doping geeignet erscheinen: Sie sollen beruhigend wirken – herabsetzen der Herzfrequenz, Auflösung von Ängsten, Vermehrung der roten Blutkörperchen für additive Sauerstoffspeicherung und einiges mehr.

Auch der Neuseeländer William Trubridge, Cheforganisator von Vertical Blue und als Apnoe – Taucher eine lebende Legende räumt ein, dass Doping beim Freitauchen zum Problem geworden ist. Die Kontrollen seien weitgehend lückenhaft sagt auch Michael Nedwed von AIDA Deutschland. So stellt sich die Frage, in wie weit die gezeigten Leistungen von Freitauchern bei Weltrekordversuchen oder Weltmeisterschaften wirklich noch rein sportlich anerkennenswert sind.

Vorbilder dienen schließlich dem interessierten Nachwuchs als Ziel, doch wenn ein Vorbild seine Leistung von Doping unterstützen lassen musste, was für ein Vorbild ist es dann?

Ich schaue auf mich als Journalist, Tauchsportler und ab 2011 erstmals zertifizierter Freitaucher. Seit 2011 ist für mich persönlich das Apnoetauchen, das konstante Training, die Weiterbildung und mittlerweile das gegenseitige Coaching mit meiner Buddy, Freitauchlehrerin und Redakteurin Petra ein wichtiger Punkt, Leistung zu erhalten und zu steigern. Unser Doping ist einfach beim Training zu erkennen, wo aktuell beim Tauchgang des Partners Korrekturen möglich sind und diese führen dann von Flossenschlag zu Flossenschlag zum persönlichen Erfolg.

Mit diesem Konzept, bei dem wir uns bei allen Apnoedisziplinen Statik, Strecke und Tiefe 1:1 überwachen, kommt es zu keinem Blackout, denn es würde keinen Sinn machen, im sportlichen Training Grenzen zu überschreiten, die im überwachten Zweierteam ungefährlich wären, aber in unserem Trainingsarchiv rot markiert werden würden.

Weltrekordversuche haben natürlich zwei Hintergründe: Internationale Berücksichtigung der Person sowie Sponsoring- und Werbeverträge. Da fließt dann Geld, wenn es gut läuft nicht zu wenig – immer aus Sicht des neuen Rekordhalters zu beurteilen. Ist Geld oder eine interessante Sachleistung im Spiel, muss der Schritt hin zum Doping kein besonders großer sein. Äußerst lückenhafte Kontrollen erleichtern das. Diverse Dopinganwendungen werden von den Kontrollgremien erstaunlicherweise (noch) nicht als solche bewertet.

Weltmeisterschaften sind für erfolgreiche Athleten nicht unbedingt mit in Aussicht stehenden Einkünften verbunden, aber mit dem Ego. Da spielt Doping nun auch eine Rolle. Insgesamt ist es egal, welche Apnoe Disziplin – Static, Strecke oder Tiefe – die Mittelchen können überall ansetzen.

Die ARD Sportschau Recherche setzt nur bei der drastischen Zunahme von Blackouts bei Tieftauchevents an. Hier soll 2023 bei großen Veranstaltungen (AIDA Wettkämpfe) weltweit statistisch ein Anstieg von mehr als 50% festgestellt worden sein. Es werden 390 Blackouts genannt, gegenüber 258 im Jahr 2022. Allerdings wurden auch 20% mehr Events in 2023 veranstaltet.

Nein, ich gebe hier keine Informationen weiter, was entsprechende Recherchen der ARD Sportschau als für Doping geeignet erkannten. Freitaucher mit Leidenschaft und Freude an ihrem Sport brauchen kein einziges Mittelchen, um sich fremd unterstützt zu beweisen. Zumindest dürfte es nach den Recherchen der ARD Sportschau nun nicht mehr überraschen, wenn im Verlauf von Meisterschaften (national und international) sowie Weltrekordversuchen gezielte Tests auf Doping vermehrt positiv ausfallen, Sportler gesperrt oder deren Resultate annulliert werden.

 

Michael Goldschmidt, Quelle Doping: ARD Sportschau
Michael Goldschmidt

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