Bei Raffaello denken viele an eine kugelförmige Kokos – Mandel – Süßware und nicht an einen eckigen Tauchcomputer von Cressi. Die Inspiration zur Benennung der Cressi Tauchcomputer ist seit Jahren geleitet von den Namen großer italienischer Maler. Raffaello war einer der bedeutendsten Künstler der italienischen Hochrenaissance. Soweit also erklärlich. Raffaello gefiel auch dem italienischen Süßwarenkonzern Ferrero, aber schon bevor in Genua ein neuer Tauchcomputer Gestalt annahm. Auf alle Fälle ist das Innenleben des Cressi Produkts aufwändiger gestaltet und nicht nur auf eine Mandel reduziert. Und die Testeinsätze beim Freitauchen in Deutschland und beim Gerätetauchen auf den Malediven hätte eine süße Kugel ohnehin nicht überstanden, ganz im Gegenteil zum berechnenden Begleiter aus Ligurien.
Die runden Armbandcomputer von Cressi schreiben eine kontinuierliche Erfolgsgeschichte. Preis und Leistung stimmen, Funktionen und Handling stellen die Anwender voll zufrieden. Dazu lange Betriebszeiten mit der selbst austauschbaren Knopfzelle, das sind weitere wertvolle Punkte in der Vergleichsskala des Marktangebots. Jetzt darf es aber auch ein bisschen größer sein, der Bildschirm ist rechteckig und hat entsprechend mehr Fläche zur Darstellung der Tauchgangdaten. Das kommt eben auch der nicht gerade kleinen Gruppe von Tauchern entgegen, die ohne Lesebrille mittlerweile aufgeschmissen ist.
Und da kann Cressi nun mit dem Raffaello ein weiteres Tauchrechenzentrum der eigenen Elektroniksparte anbieten, das nicht nur sehr gut ablesbar ist, sondern inhaltlich alle Tauchaktivitäten begleitet, außer Mischgastauchen mit Helium. Dafür sind aber drei Atemgase mit unterschiedlichen Partialdrücken einstellbar, bis Sauerstoff 99%. Das sollte wohl für die allermeisten User völlig ausreichen.
Angesichts der mittlerweile astronomisch gestiegenen Heliumpreise dürfte das Mischgastauchen mit offenem Kreislauf ohnehin nur noch einem Grüppchen wirtschaftlich gut gestellter Tektaucher vorbehalten bleiben, die spezialisierte Geräte verwenden – aber auch reine Tiefenmesser, um klassisch einen vorausberechneten Tauchgang nach eigener Tabelle zu absolvieren. Und Tiefenmesser mit Zeiterfassung, die GAUGE Funktion, bedient der Raffaello selbstverständlich auch.
Schaue ich auf den langen Zeitraum von der ersten Produktvorstellung bis zur endgültigen Auslieferung des Raffaello, ergab es dazu natürlich Fragen. Und nachgefragt gibt es auch eine Antwort: Das eckige Design stellte neue Anforderungen an die Abdichtung des Gehäuses. Was bei den bis dahin produzierten runden Tauchcomputern völlig unproblematisch war, musste nun neu konstruiert werden. Erst ein alle Anforderungen erfüllendes Entwicklungsmodell konnte zur Anfertigung der Produktionswerkzeuge freigegeben werden. Das erklärt den langen zeitlichen Versatz. Da Cressi jetzt das Know How für runde wie eckige Gehäuse hat, dürfte ein zukünftiger Rechner mit Panoramafenster schneller ausschlüpfen.
Flach sollte er sein und nicht behäbig auftragen, wie andere Modelle am Markt, das ist Cressi mit dem Raffaello zweifelsfrei gelungen. Weniger als 20 Millimeter messe ich. Ein Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb. Mit Blick auf die verwendeten Materialien ist auch nicht gespart worden: Metalltasten – kratzfestes, mineralisches Borosilikatglas – mikrostrukturierte Nanopartikel verstärken das Kunststoffgehäuse – Silikonarmband.
Beim Armband hat es Cressi wirklich gut gemeint. Um sich vielleicht die Diskussion vom Hals zu schaffen, dass es zu kurz sei, nur mit einer Verlängerung am Trocki zu verwenden, wurde richtig geklotzt. Der Armumfang darf 35 Zentimeter messen, bevor der Raffaello vor einer Befestigung kapituliert und nur noch eine kugelförmige Kokos – Mandel – Süßware darüber hinwegtrösten könnte. Das dürfte aber kaum passieren. Eher im Gegenteil.
Bei unseren Freitauchgängen und beim Gerätetauchen blieb noch so viel Armband übrig, dass es fast schwierig wurde, es irgendwie armnah zu fixieren. Nachgefragt, sei das bekannt, aber man könne das Silikonarmband auf individuelle Bedürfnisse hin selber kürzen. Also mal eine völlig neue Sicht der Dinge.
Bevor gewissenhaft ein Tauchcomputer eingesetzt werden kann, gibt es stets eine Einstiegshürde. Die sollte entsprechend geltender Vorschriften – deutschsprachig für den Vertrieb in deutschsprachigen Ländern – darüber hinaus auch gut verständlich, sprich ohne Lupeneinsatz lesbar und ohne verwirrende Grafikexplosionen sein. Da gibt’s jetzt das große Display am Raffaello und dann so was. Tja, und so eine Anleitung vermisse ich. Was dem Raffaello in seinem total schick gestalteten Karton beigepackt ist, hätte dem großen Namensgeber vermutlich den Pinsel aus der Hand fallen lassen. Online ist auch nichts besseres auf der Cressi Website zu finden, aber zumindest auf dem Bildschirm größer dargestellt und als PDF herunterladbar.
Klar hat der Raffaello ergänzend die Funktion integriert, die Logbuchdaten mit einem Interface auf Smartphones oder Tablets zu übertragen. Das hätte ich mir auch gerne angesehen und deshalb den Testbericht im Finish noch etwas geschoben. Allein, es hat geklemmt, ein Interface hat mich nicht erreicht. Was ich dazu online recherchieren konnte, entspricht es mir bereits bekannten Versionen, die einfach über die Apps der entsprechenden Smartphoneanbieter herunterzuladen sind.
Was er hat und was den Raffaello aktuell begleitet, ist ja nun schon betrachtet. Aber da gibt’s doch noch mehr. Er berechnet Gerätetauchgänge mit bis zu drei Gasen, Freitauchgänge mit allen relevanten Anzeigen während und nach dem Tauchgang, mit entsprechend setzbaren Alarmen, Tiefenmesserfunktion mit Zeiterfassung (GAUGE, technisches Tauchen), hat einen Kompass und bietet einen Planmodus. Manuell einstellbar ist der Höhenmodus (Bergseetauchen), fest kalibriert ist der Drucksensor auf Meerwasser. Für die Deko sind drei persönliche Faktoren einstellbar, von standard bis sehr konservativ sowie optionale Sicherheitsstopps. Und soll der Raffaello in Tauchschulen eingesetzt werden, kann die vom letzten Tauchgang resultierende Entsättigungszeit auf Null gesetzt werden, damit ein weiterer Tauchschüler damit ohne „Altlasten“ abtauchen kann.
Zum Thema Anzeige möchte ich noch etwas sagen, denn beim Kompass hatte ich ein wenig das Gefühl, ich müsse thailändische Schriftzeichen lernen. Das LC Display hat keine DOT – Matrix, sprich Zahlen und Buchstaben werden nicht von winzig kleinen Punkten gebildet, sondern von eher gröberen Bausteinen, die eine Zahl oder einen Buchstaben formen. Kein Problem bei den absolut in allen Bereichen des Tauchens relevanten Anzeigen. Aber beim Kompass, der sich „natürlich“ nur in englischen Abkürzungen zu Wort meldet (Osten ist East – also E), gibt es auch den Buchstaben N für Norden. Ja, und diese Anzeige muss man halt mögen oder verstehen – siehe Bildbeispiel. Nun gut, der Raffaello Kompass ist in dieser Ansicht kein Präzisionsinstrument, ich nenne ihn ein Hilfsmittel, für etwas erfahrenere Taucher, die die grobe Richtung zum Ufer oder Tauchboot suchen. Richtig navigieren kann man erst mit Gradangaben. Die bietet er nach weiterem Druck auf beide Tasten, dann ist außerdem ein angepeiltes Ziel abzuspeichern, das auch über größere Entfernung sicher angesteuert werden kann.
Praxis
Hier stelle ich mir immer die Frage: Möchte ich diesen Computer auch privat verwenden? Ich denke, das ist die beste Ausgangsposition einer Produktbeurteilung. Was nicht passt oder nicht unkritisiert bleiben sollte, ist bereits besprochen. Ja, mir gefällt der Raffaello. Er lässt keine Wünsche offen die umfassende Tauchgangverwendung betreffend, die persönliche Anpassung an den User und schließlich die hervorragende Ablesbarkeit der Daten am Bildschirm. Das Handling ist gut, die Anleitung muss vom Hersteller noch übersetzt und dem Produkt angemessen gestaltet werden.
Fazit
Das Warten hat sich doch gelohnt, auch wenn noch nicht alles rund um den Raffaello aktuell verfügbar ist. Das Design, die Funktionalität und schließlich der Preis gefallen.
Cressi Raffaello
- – Uhr 12/24 Stunden, mit Kalender und Sekunden.
- – Sehr helle Hintergrundbeleuchtung, 5 Sekunden.
- – Anzeige der Flugverbots- und Entsättigungszeit.
- – Anzeige bei schwacher Batterie.
- – Metrische oder imperiale Einheiten.
- – Vom Benutzer austauschbare Batterie, CR2450.
- – Logbuchspeicher für 50 Tauchgänge oder 40 Std.
- – Luft-, Nitrox-, Tiefenmesser und Freitauch-Modus.
- – Gaswechsel U/W möglich, in 1% Schritten:
- – 1. Gas 21-50 % O², 2. Gas 21 % – 99 % O².
- – Extrem lange Batterielaufzeit durch neuen Prozessor.
- – Sparmodus bei Nichtgebrauch.
- – In Salzwasser kalibrierter Drucksensor, sehr genau.
- – Möglichkeit der Deaktivierung von Tauch-Funktionen.
- – Modifizierter RGBM-Wienke 9-Gewebe-Algorithmus.
- – Tiefenstopp (optional).
- – Rechenprogramm mit 3 Sicherheitsstufen: SF0, SF1, SF2.
- – Grafischer Indikator Sauerstofftoxizität des ZNS.
- – Plan-Modus (Tauchgangsplanung).
- – O²-Partialdruck PPO² einstellbar von 1,2 bis 1,6 bar.
- – Aufstiegsgeschwindigkeit mit Grafik/Akustik, abschaltb.
- – Höhe über Meerespiegel einstellbar in Stufen.
- – Optionaler Sicherheitsstopp.
- – Batterielaufdauer ca. 4 Jahre (bei 50 TG/Jahr).
- – Sekundäre Daten U/W auf Knopfdruck:
- – Temp., Zeit, max. erlaubte Tiefe, Atemgas.
- – Reset-Option.
- – Gauge-Modus.
- – Anzeige durchschnittliche Tiefe.
- – Unter Wasser rücksetzbare Stoppuhr.
- – Bluetooth-Interface mit kostenloser Logbuch-App optional.
- – Extrem flexibles und komfortables Silikon-Armband.
- – Programm Free/Freitauch:
- – Tiefe
- – Temperatur
- – Abstiegszähler
- – Maximale Tauchtiefe.
- – Dauer des Abstiegs.
- – Oberflächenintervall aus dem vorherigen Abstieg.
- – Dauer des Tauchganges.
- – Tiefe, Tauchzeit, Oberflächenzeit-Alarm.
- – Erholungszeit mit Alarm.
- – Anzeige der Zeit während des Tauchganges.
- – Logbuch für 50 Tauchgänge.
- – Elektronischer Kompass ist integriert.
Mittlerer Preis Cressi Raffaello € 350,00
https://store.cressi.com/de/products/raffaello-computer
Michael Goldschmidt
Cressi / UWW